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Absturz in die Lächerlichkeit - wie Boehly Chelsea an die Wand fährt

Wie Chelsea zum Gespött wurde

Trotz hoher Investitionen spielt der FC Chelsea eine Saison zum Vergessen. Unter den neuen Eigentümern irrlichtern die Blues durch die Premier League. Schafft nun Frank Lampard die Wende?
Chelsea-Legende Frank Lampard übernimmt zum zweiten Mal das Traineramt bei den Blues, dieses Mal bis zum Saisonende. Eine Entscheidung, über die der Engländer nicht lange nachdenken musste.
Trotz hoher Investitionen spielt der FC Chelsea eine Saison zum Vergessen. Unter den neuen Eigentümern irrlichtern die Blues durch die Premier League. Schafft nun Frank Lampard die Wende?

„Wir freuen uns, Frank wieder an der Stamford Bridge begrüßen zu dürfen. Frank ist eine Legende der Premier League und eine Legende in diesem Verein.“

Mit diesen Worten läutete der FC Chelsea in einer Klub-Mittelung die zweite Amtszeit von Frank Lampard bei den Blues ein. Als Interimstrainer und Nachfolger von Graham Potter soll der 44-Jährige die kriselnden Londoner bis Saisonende wieder in die Spur bringen, ehe im Sommer ein neuer Trainer verpflichtet werden soll.

Eine verblüffende Entwicklung, um nicht zu sagen, eine faustdicke Überraschung ist die Rückkehr des Mannes, den Chelsea noch Ende Januar 2021 wegen Erfolglosigkeit vom Hof gejagt hatte.

Lampards Wiedereinstieg bei den Blues ist das neueste fragwürdige Kapitel in einer Saison voller Pleiten, Pech und Pannen. Chelsea macht sich zunehmend zum Gespött der Premier League.

Fragwürdiger Rausschmiss von Tuchel

Seit dem Einstieg eines Konsortiums um den milliardenschweren US-Geschäftsmann Todd Boehly, das den Verein vor knapp einem Jahr von Roman Abramowitsch übernommen hatte, geht es mit Chelsea kontinuierlich bergab.

Nachdem Boehly und Co. frühzeitig begonnen hatten, alte Zöpfe aus der Abramowitsch-Ära abzuschneiden und jede Menge Fußball-Kompetenz vor die Tür zu setzen, trennten sich die Blues Anfang September völlig ohne Not von Thomas Tuchel.

Der Deutsche war erst 2021 Nachfolger von Lampard geworden, hatte den Klub in der Liga von Rang 9 auf 4 geführt und nur vier Monate nach seinem Amtsantritt die Champions League gewonnen.

Offenbar waren Unstimmigkeiten über die Transfer-Ausrichtung des damaligen Tabellensechsten hauptursächlich für Tuchels Freistellung. Für die neuen Eigentümer sei es nach 100 Tagen im Amt „der richtige Moment“ gewesen, den Wechsel zu vollziehen, so die dünne Begründung des Klubs.

20 Millionen und 5 Jahre Vertrag für Potter

Als Nachfolger wurde Graham Potter installiert, der nie zuvor einen Topverein trainiert hatte, aber mit einem unfassbaren Fünfjahresvertrag ausgestattet wurde. Boehly und Co. zahlten knapp 20 Millionen Euro, um den 47-Jährigen von Brighton & Hove Albion loszueisen.

Nach nur sieben Monaten und dem Absturz auf Platz elf in der Premier League war Potter Anfang April bei Chelsea aber schon wieder Geschichte.

Während die Blues durch die Liga irrlichterten und immer weiter abrutschten, wusste das Team unter Potter wenigstens in der Champions League zu überzeugen: Im Achtelfinale wurde Borussia Dortmund ausgeschaltet, im Viertelfinale wartet jetzt Titelverteidiger Real Madrid.

Transferoffensive führt ins Nichts

Chelseas Absturz ist umso bemerkenswerter, da der Klub in dieser Saison über 600 Millionen Euro für neue Spieler investiert hat, allein im Winter-Transferfenster waren es rund 330 Millionen Euro.

Damit stellten Boehly und Co. sogar noch Abramowitsch in den Schatten, der in seinen knapp 20 Jahren als Eigentürmer von Chelsea ebenfalls alles andere als knauserig war.

Doch trotz der teils hochkarätigen Neuzugänge schaffte es Potter nicht, die Wende herbeizuführen. Chelsea mangelte es an Homogenität und vor allem an Torgefahr. In 29 Ligaspielen erzielten die Blues gerade mal 29 Treffer – gerade mal einen mehr als Erling Haaland in 26 Ligapartien für Manchester City.

Erst Lampard - und dann Nagelsmann?

Nun darf also Lampard, der in 13 Jahren als Spieler bei den Blues in 648 Pflichtspielen 211 Treffer erzielt hatte und Rekordschütze des Klubs ist, erneut sein Glück versuchen.

Mit dieser ungewöhnlichen Rückholaktion, die aber auch eine gewisse Hilf- und Planlosigkeit impliziert, wollen sich die neuen Besitzer nun Zeit verschaffen, um in Ruhe eine hochkarätige Trainerlösung für die neue Spielzeit zu finden.

Ein heißer Kandidat ist Julian Nagelsmann, nach SPORT1-Informationen sind die Londoner schon länger am früheren Bayern-Coach interessiert.

In der Zwischenzeit werde man „dem Verein und den Fans einen klaren und stabilen Plan für die restliche Saison bieten“, wurde Boehly in der Klub-Mitteilung zitiert. Lampard bringe alle notwendigen Qualitäten mit.

Ist Lampard der Richtige?

Stellt sich nur die Frage, ob sich Chelsea mit Lampards Rückkehr angesichts seiner Vorgeschichte wirklich einen Gefallen getan hat und ob die Chelsea-Ikone der immens komplizierten Aufgabe gewachsen ist.

Immerhin ist Lampard in seiner ersten Amtszeit bei Chelsea krachend gescheitert. Das war sicherlich auch seiner mangelnden Erfahrung geschuldet, als er 2019 nach einer einjährigen Station bei Zweitligist Derby County bei Chelsea angeheuert hatte.

Nach einer respektablen ersten Saison mit Platz vier, als er wegen einer Transfersperre gar gehandicapt und gezwungen war, auf Talente zu setzen, lief in der Spielzeit drauf nicht mehr viel zusammen. Augenscheinlich waren vor allem seine taktischen Defizite sowie Probleme bei der Mannschaftsführung.

Der von Lampard favorisierte Spielstil sei „nicht so aufwendig“ und „weniger geplant“ gewesen, erklärte Torhüter Kepa, der unter der Chelsea-Legende seinen Stammplatz verloren hatte, im vergangenen Sommer in der Marca. Erst mit der Ankunft des aktuellen Bayern-Trainers Tuchel haben Chelsea „die Kontrolle zurückgefunden“.

Chelsea-Ikone immer noch ein „Rookie-Manager“

Auch auf seiner folgenden Station FC Everton, wo er im Januar nach knapp einem Jahr im Amt freigestellt worden war, hagelte es jede Menge Kritik für Lampard.

„Es läuft sehr viel falsch in Everton“, bemängelte Tony Cascarino im vergangenen April in der Times. Lampard sei immer noch ein „Rookie-Manager“, also ein Anfänger. „Taktisch ist Everton chaotisch“, fügte der frühere irische Nationalspieler hinzu.

Angesichts des bislang enttäuschenden Saisonverlaufs scheint sich das Risiko für Lampard bei Chelsea in Grenzen zu halten, er hat nichts zu verlieren. Vielmehr könnte der bei den Fans immer noch beliebte Trainer positiv überraschen, sollte er in der Champions League im Viertelfinale Real Madrid ausschalten.

„Es ist eine ziemlich einfache Entscheidung für mich“, erklärte der 44-Jährige bei seiner Vorstellung: „Chelsea ist mein Verein. Ich komme mit der Überzeugung, dass ich bis zum Ende der Saison helfen kann. Ich werde mein Bestes geben, um den Fans zu geben, was sie wollen.“

Einem Triumph in der Königsklasse wären sie sicherlich nicht abgeneigt.