Sie haben es schon wieder getan. Zum vierten Mal in Folge gelang dem FC Liverpool kurz vor Schluss der Lucky Punch.
Glück statt Magie: Historisches Liverpool wirft Fragen auf
Holt Liverpool bald die Realität ein?
Mo Salah war es am Sonntag beim 1:0 gegen Burnley (90.+5), zuvor hatten Dominik Szoboszlai (vs. Arsenal, 83.), Rio Ngumoha (vs. Newcastle, 90.+10) und Federico Chiesa (vs. Bournemouth, 88.) die Reds spät auf die Siegerstraße gebracht. Vier Siege, vier Siegtreffer in den letzten zehn Minuten: In der Geschichte der Premier League hat es das noch nie gegeben.
Mit einer perfekten Punkteausbeute thront die Mannschaft an der Tabellenspitze. Alles läuft nach Plan. Zumindest scheinbar. Denn die Realität sieht anders aus.
Historische Reds: Carragher im Zwiespalt
„Liverpool war - wieder einmal - überhaupt nicht überzeugend“, kritisierte Klub-Legende Jamie Carragher nach dem glücklichen Sieg in Burnley in seiner Rolle als TV-Experte bei Sky Sports - und warnte die Mannschaft: „Wenn Liverpool weiter so spielt, werden sie nicht jede Woche gewinnen.“
Man kann die aktuelle Lage jedoch auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. „Auf der anderen Seite gewinnen sie Spiele, obwohl sie nicht gut spielen – und früher oder später werden wir dann das wahre Liverpool sehen“, prognostizierte Carragher. „Sie sind nicht in Bestform, aber die werden sie irgendwann erreichen.“
Glück statt Magie: Slot bleibt ehrlich
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Zwangsläufig muss sich die Mannschaft von Arne Slot allerdings deutlich steigern, das ist auch dem Niederländer bewusst, wie seine Aussagen nach dem Sieg in Burnley verdeutlichen.
„Wir brauchten einen Moment des Glücks oder einen Moment der Magie. Wir hatten zwar keine Magie, aber wir hatten Glück“, fasste Slot die Partie bei BBC zusammen.
Wie lange kann das gutgehen?
Ein Star-Ensemble ohne Magie - wie lange geht das noch gut?
Der Niederländer gab sich dennoch betont gelassen und geduldig. „Das ist völlig normal. Wir haben viele neue Spieler“, begründete Slot und versprach: „Wir werden immer besser werden.“
Der Meistertrainer der Vorsaison verwies zudem auf die Maximalausbeute von zwölf Punkten und schlug damit in die gleiche Kerbe wie zuvor Carragher. Getreu dem Motto: Wenn ein schwaches Liverpool bereits gewinnt, dann muss ein eingespieltes Reds-Team unaufhaltsam sein.
Salahs Worte klingen nach Abstiegskampf
Matchwinner Salah tat es seinem Trainer gleich. „Wir haben ein paar neue Spieler in der Startformation, und es braucht Zeit, sich an unser Spiel zu gewöhnen. Wir geben unser Bestes, damit sie Vertrauen in unser Spiel gewinnen. Wir geben nicht auf“, sagte der Ägypter nach Abpfiff.
Salahs Begründung und insbesondere der letzte Satz hören sich eher wie eine Entschuldigung nach einer Niederlage im Abstiegskampf an. Die Ansprüche sind eben hoch, vor allem nach dem rekordträchtigen Transfer-Sommer um Florian Wirtz.
Wirtz als Sinnbild der hohen Erwartungshaltung
Der deutsche Nationalspieler, der als Rekord-Verpflichtung kam (125 Millionen Euro), in diesem Aspekt in der Folge allerdings schnell von Alexander Isak (145 Millionen) überholt wurde, steht sinnbildlich für die Probleme bei den Reds.
Es läuft nicht schlecht, aber auch nicht gut - und Wirtz blieb in seinen ersten Spielen eher blass. An eine bessere und intensivere Liga muss man sich eben erst anpassen.
Das Problem: Die Erwartungen sind immens hoch. Nicht nur aufgrund der Ablöse, sondern auch aufgrund des bereits Geleisteten. Wirtz kommt als Weltklasse-Spieler und Deutschlands Fußballer des Jahres in eine Meister-Mannschaft von Liverpool.
Mit den Vereinslegenden Salah oder Virgil van Dijk stehen im Reds-Kader allerdings auch schon absolute Superstars bereit, die durch Neuankömmlinge wie Hugo Ekitiké, Jeremie Frimpong oder eben Isak noch einmal hochveranlagte Unterstützung erhielten. Diese Mannschaft ist nicht nur zum Siegen verdammt, von ihr wird dabei auch noch absolute Dominanz verlangt.
Erster Härtetest in der Königsklasse
Bei den einschlägigen Wettanbietern werden die Reds immerhin als Favorit auf den Gewinn der Premier League geführt. Doch damit das gelingt, müssen sie sich noch deutlich steigern.
Bei erwarteten Toren liegt Liverpool (5,8 xG) nur auf Platz acht der Tabelle, bei geschossenen Toren (neun) liegen die Reds auf einem geteilten ersten Platz. An den ersten vier Spieltagen hat kein Team aus der Premier League bei der Chancenverwertung besser abgeschnitten.
Auch in der Champions League ist Liverpool für Wettanbieter gemeinsam mit dem FC Barcelona der Top-Favorit - muss zum Auftakt aber direkt einen Härtetest bestehen. Am Mittwochabend kommt immerhin Atlético Madrid an die Anfield Road. Vielleicht versprüht Liverpool dann erste „Momente der Magie“.