Kämpft der ewige Außenseiter jetzt tatsächlich mit um die Meisterschaft? Nach dem 2:1-Sieg gegen den zuvor noch ungeschlagenen Tabellenführer FC Liverpool ist Crystal Palace plötzlich der zweite Verfolger der Reds in der Premier League neben dem FC Arsenal.
Schreibt Oliver Glasner ein noch größeres Märchen?
Schreibt Glasner das nächste Märchen?
Die Erfolgsgeschichte des kleinen Vereins aus dem Londoner Stadtteil South Norwood geht unter Oliver Glasner einfach weiter. Still und heimlich hat sich Crystal Palace unter dem Österreicher zu einem echten Top-Klub entwickelt.
Glasners Crystal Palace seit April unbesiegt
Wettbewerbsübergreifend ist Palace nun schon seit April ungeschlagen. Insgesamt 18 Spiele blieb Glasner mit seinem Team ohne Niederlage und stellte damit einen klubeigenen Rekord aus dem Jahr 1969 ein, als das Team auch dank der Bestmarke erstmals in die erste Liga aufgestiegen war.
Knapp 56 Jahre später ist Palace erneut kaum zu schlagen, dieses Mal aber in der absoluten englischen Spitze.
Natürlich sind aktuell erst sechs Spiele gespielt, doch es darf jetzt schon die Frage gestellt werden, ob Glasner nach dem Europa-League-Triumph mit Frankfurt und dem ersten Titel der Vereinsgeschichte mit Crystal Palace in der vergangenen Saison vielleicht bald das nächste Märchen schreibt.
Premier League: Palace spielte Liverpool an die Wand
„Ich bin wirklich stolz und begeistert von der Leistung“, freute sich Oliver Glasner nach dem Last-Minute-Sieg seines Teams gegen den amtierenden Meister.
In Halbzeit eins spielte Palace den Favoriten an die Wand und hätte zur Pause eigentlich schon 3:0 oder 4:0 führen müssen. Einzig Alisson im Tor der Reds verhinderte mit überragenden Paraden, dass das Spiel schon vorzeitig entschieden war.
„Es war wohl die beste Halbzeit seit unserer Ankunft“, lobte auch Glasner: „Es war nur das Ergebnis nicht optimal - nur mit einem Tor zu führen, da hätten wir mehr machen können. Wenn du gegen den Meister spielst, weißt du, dass sie immer zurückschlagen können.“
Glasner wechselte Erfolg ein
Und das tat Liverpool kurz vor Schluss, als Chiesa ausglich. Doch die Reaktion von Glasner und seinem Team auf diesen Rückschlag war anschließend fast noch beeindruckender.
Denn statt den Punkt abzusichern, ging Palace voll auf den Sieg und wurde in der siebten Minute der Nachspielzeit belohnt.
„Was mich wirklich stolz macht: Wir haben in der 90. Minute den Ausgleich kassiert. Sehr oft kippt dann die Dynamik, und man verliert so ein Spiel“, sagte Glasner nach dem Spiel auf der Pressekonferenz: „Aber wir haben die Köpfe oben behalten, nach vorne gespielt und das Momentum wieder auf unsere Seite gezogen.“
Auch wenn Glasner das Lob an sein Team weitergab, hatte auch der Österreicher selbst einen großen Anteil am späten Erfolg. Denn er wechselte direkt nach dem Ausgleich gleich mehrfach offensiv und signalisierte so seinem Team: Wir wollen noch gewinnen.
Glasner bringt neues Selbstverständnis zu Crystal Palace
Diese Herangehensweise passte perfekt zum neuen Selbstverständnis des Klubs. Denn Crystal Palace ist seit der Ankunft von Glasner auf dem Vormarsch.
Unter dem Trainer holte Palace mit dem FA Cup und dem Community Shield die ersten beiden Titel der Vereinsgeschichte und ist nun eben schon seit fast sechs Monaten ungeschlagen.
Angesprochen auf die Serie machte der Trainer das neue Selbstverständnis des einstigen Fahrstuhl-Klubs deutlich. Es gehe aus seiner Sicht nicht darum, ungeschlagen zu bleiben.
Das würde nach einer zu passiven Haltung klingen, weil man etwas zu verteidigen habe, meint Glasner. Vielmehr solle man einfach versuchen, weiter zu gewinnen.
Palace trotzt Abgang von Top-Stars
Gelingt es Glasner, dieses Mindset weiter auf sein Team zu übertragen, könnte Palace tatsächlich weiter ein gehöriges Wort an der Spitze mitreden. Als einziges ungeschlagenes Team der Premier League liegt man nur drei Punkte hinter Liverpool.
Und das, obwohl der Verein regelmäßig seine Leistungsträger ziehen lassen muss und selten selbst teuer einkauft. Alleine in den vergangenen beiden Sommern verlor man erst Michael Olise für knapp 50 Millionen Euro an den FC Bayern und dann Eberechi Eze für knapp 70 Millionen an den Ligakonkurrenten FC Arsenal.
Beide Spieler überzeugen auch bei ihren neuen Arbeitgebern und waren zuvor die Schlüsselspieler von Palace. Ersetzt wurden sie durch deutlich günstigere Spieler. In diesem Sommer gab man „nur“ 55 Millionen Euro für Neuzugänge aus.
Trotzdem gelingt es Palace immer wieder Teams mit deutlich größeren Ausgaben zu schlagen. Bestes Beispiel dafür war der Erfolg am Wochenende gegen den FC Liverpool, der im Sommer fast 500 Millionen Euro für Neuzugänge ausgab.
Glasner-Fußball hebt das Team ab
Auch der Aufschwung von Crystal Palace wird nicht nur von Fußball-Romantik angetrieben, der Klub ist im Besitz eines Verbundes von vier reichen Geschäftsmännern, seit Juli angeführt von Mehrheitseigner Woody Johnson - Pharma-Erbe, Besitzer der New York Jets aus der NFL und US-Botschafter in England in der ersten Amtszeit seines politischen Freundes Donald Trump.
Reiche Lenker haben in der Premier League nun allerdings alle Topklubs. Was Crystal Palace abhebt, ist der Glasner-Fußball. Er hat sein Team mit all den Fähigkeiten ausgestattet, die es in der Premier League braucht.
Sein Team spielt aggressiv, verteidigt robust und schaltet nach Balleroberungen blitzschnell um. Zudem sorgte er dafür, dass jeder seiner Spieler nur so vor Selbstvertrauen strotzt.
Auch deshalb steht Palace aktuell vor den einstigen Top-Teams der Premier League - was auch Spekulationen um Glasners Zukunft auslöst.
Ist Glasner für größere Aufgaben bereit?
Wenn Glasner seine Gewinnermentalität auf einen einstigen Mittelklasse-Klub übertragen konnte, muss das doch auch bei einem der größeren Vereine möglich sein, glaubt man in England.
Britische Medien bringen ihn deshalb schon mit einem Wechsel zum seit Jahren kriselnden Giganten Manchester United in Verbindung. Ob Glasner diesen Schritt gehen will, ist offen.
Zuvor will er sowieso weiter mit Palace für Furore sorgen und auch am Donnerstag im ersten internationalen Spiel der Vereinsgeschichte in der Conference League gegen Dynamo Kiew gewinnen.
Mit einem Sieg würde er einen neuen Vereinsrekord aufstellen und gleichzeitig die Fans von weiteren Märchen träumen lassen.