Mika Sosna war total beeindruckt. „Es ist einfach nur krass, was abgegangen ist“, schwärmte er im Gespräch mit SPORT1. „Es ist der stärkste Wettkampf, den es jemals auf der Welt gegeben hat und es ist einfach nur krass, es erlebt zu haben.“ Worüber er sprach? Der Deutsche war beim Diskus-Event in Ramona mit dabei und wurde Zeuge einer Rekord-Show.
Zoff um Rekord-Event
Der Litauer Mykolas Alekna schaffte am vergangenen Wochenende mit einer Weite von 75,56 Metern Historisches. Der 22-Jährige ist der erste Athlet, der den zwei Kilogramm schweren Diskus über die 75-Meter-Marke schleuderte. Und auch bei den Damen stellte Olympiasiegerin Valarie Allman mit dem weitesten Wurf seit 36 Jahren mit 73,52 Metern einen neuen US-Rekord auf. Doch nicht jeder ist begeistert von der Bestmarkenshow und ihren speziellen Bedingungen.
Besondere Bedingungen in Ramona
Die Kleinstadt Ramona im Bundesstaat Oklahoma ist mittlerweile eine Art Mekka für die Wurfsportler in der Leichtathletik geworden. Der Wind bläst dort fast immer konstant in dieselbe Richtung - und an vielen Tagen im Jahr so heftig, dass selbst Kopfbedeckungen ständig weggeweht werden.
Zudem verfügt die Wettkampfstätte über keine Tribünen, es gibt auch keine großen Gebäude neben der Rasenfläche, die einer ganz normalen Wiese in Deutschland gleicht. Somit wird der Wind von der Umgebung nicht gestoppt - und trägt die Wurfobjekte regelmäßig zu neuen Bestleistungen.
Diese sind in den modernen Arenen in Europa mit hohen Tribünen in den Großstädten gar nicht erreichbar, da der Wind in den allermeisten Fällen höchstens als laues Lüftchen zu spüren ist.
Man kann von einer Art von Wettbewerbsverzerrung sprechen - dem durch das Regelwerk keinen Einhalt geboten wird. Denn im Gegensatz zu den Lauf- oder Sprungdisziplinen gibt es bei den Wurfsportarten keine Marke, ab der die Ergebnisse bei starkem Wind nicht für Normen oder persönliche Bestmarken gültig sind. Die aerodynamischen Auswirkungen auf Wurfgeräte sind komplexer und nicht so leicht in sinnvolle Regularien zu pressen, sagen Experten.
Deutsche profitieren - Ärger in anderen Ländern
Heißt: Alle in Ramona aufgestellten Fabelweiten bleiben bestehen. Auch die deutschen Starter wie Sosna (70,01 Meter), Clemens Prüfer (71,01 Meter), Henrik Janssen (69,94 Meter) und Steven Richter (69,61 Meter) haben alle die WM-Norm von 67,50 Metern bereits locker übertroffen.
Zum Vergleich: Bei der WM 2023 in Budapest gewann der Schwede Daniel Stahl mit 71,46 Metern. Nur Silber-Gewinner Kristjan Ceh aus Slowenien kam noch über die 70 Meter.
Deshalb ist vor allem die Kritik in den Ländern groß, aus denen die Athleten auf die Reise nach Ramona verzichteten, weil sie das Geld nicht haben oder es nicht aufbringen wollten. Denn sie fühlen sich stark benachteiligt.
Schwedischer Experte spricht von „Wetterdoping“
„Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll“, schreibt der schwedische Leichtathletik-Experte Mats Wennerholm in der Zeitung Aftonbladet. Der langjährige Sportjournalist und -kolumnist schreibt von „Wetterdoping“ und ist besonders sauer, weil ausgerechnet Weltmeister Stahl aufgrund des Aufwandes nicht nach Ramona flog. Die Rekordshow in Ramona sei fauler Zauber, findet Wennerholm: „Es ist, als würde man sich selbst anpinkeln. Einen Moment lang ist es warm, und dann wird es einfach kalt.“
Diplomatischer und in etwas anderen Worten, aber inhaltlich ähnlich argumentiert Staffan Jönsson, Stahls Trainer: „Es ist eine andere Sportart.“
Die norwegische 800-Meter-Legende Vebjörn Rodal glaubt derweil, dass die Schweden schlicht „ein wenig frustriert sind“, dass ihr Star nicht bei der Rekordshow dabei war - wirft beim Sender NRK aber ebenfalls die Frage auf, ob bei dem Thema nicht Reformbedarf besteht: „Die Frage ist, ob der Sport bereit ist, entweder mit genehmigten Arenen - einem geschlossenen Stadion - die Wettkämpfe zu regulieren oder ob man es mit Windbeschränkungen versucht.“
Bundestrainer versteht Zwiespalt
Auch der deutsche Diskuswurf-Bundestrainer Markus Münch versteht trotz der Top-Leistungen seiner Schützlinge den Zwiespalt um die Veranstaltung in Ramona.
„Das Problem ist, dass dann bei anderen Meetings die Weiten bis zu fünf Meter kürzer sind“, sagt er im Tagesspiegel. Noch bis vor kurzem sei das Meeting in Ramona ein Geheimtipp unter Athleten gewesen, „jetzt ist er Pflichtprogramm“.
Sollte der Weltverband seine Regeln nicht ändern, wird er es auch bleiben.