Home>Sportmix>

Olympia in Deutschland? "Eindeutig" - Berlemann über Misere der deutschen Leichtathletik

Sportmix>

Olympia in Deutschland? "Eindeutig" - Berlemann über Misere der deutschen Leichtathletik

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Olympia in Deutschland? „Eindeutig“

Thomas Berlemann, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe, macht sich im SPORT1-Interview für eine Austragung der Olympischen Spiele in Deutschland stark. Außerdem spricht er über die Misere der deutschen Leichtathletik - und ob es die Bundesjugendspiele wirklich braucht.
Alica Schmidt macht bei den Deutschen Meisterschaften sportlich auf sich aufmerksam. Währenddessen ist das Thema Doping aktuell wieder en vogue in der Leichtathletik, zum Leidwesen von Schmidt.
hluhmann
hluhmann

Rund ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris sind nicht wenige um die Zukunft des deutschen Sports besorgt. Jüngst erfuhren die deutschen Leichtathleten bei der WM in Budapest ein Debakel, als das gesamte Team ohne Medaille blieb.

{ "placeholderType": "MREC" }

Nicht erst seitdem kochen Debatten über den Einsatz der Sportförderung. Fließt das Geld an die richtigen Stellen - oder ist das System längst überholt? Und was kann Deutschland von anderen Nationen lernen?

Deutschland ohne Medaille: „Die Sorgen sind verständlich“

Fragen, die Thomas Berlemann, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe, im SPORT1-Interview zu beantworten versucht. Der 60-Jährige geht dabei auch auf die jüngsten Entwicklungen um die Bundesjugendspiele ein.

SPORT1: Mit Deutschlands Leichtathleten blieb eine olympische Kernsportart bei der WM zuletzt ohne Medaille. Muss man sich auch hinsichtlich der Olympischen Spiele in Paris Sorgen um den deutschen Sport machen – analog zu den Befürchtungen vieler Aktiver und Fans?

{ "placeholderType": "MREC" }

Thomas Berlemann: Die Sorgen sind verständlich. Wenn man sich unsere Erfolge bei den Olympischen Spielen in den vergangenen Jahren im Gesamtbild anschaut, stellt sich durchaus die Frage: Wie gelingt uns der Turnaround, dass wir unser Potenzial, das wir durchaus haben, wieder voll ausschöpfen können? Insofern ist da sicherlich Luft nach oben, insbesondere im Vergleich mit anderen Ländern, die sich gerade in den vergangenen Jahren, was die Förderung angeht, ganz anders, ganz neu aufgestellt haben.

Lesen Sie auch

SPORT1: Wo liegen denn die Probleme und wie können sie behoben werden? Andere Nationen wie zum Beispiel die Niederlande machen uns aktuell vor, wie es geht ...

Berlemann: Die Niederlande machen es gut, das unterschreibe ich voll. Auch die Franzosen, unabhängig davon, dass sie die Ausrichter der kommenden Olympischen und Paralympischen Spiele sind. Die haben sich extrem gut entwickelt, ebenso die Schweiz. Dann gibt es noch Norwegen – und England sowieso. Das sind alles Länder, die uns ein Stück weit voraus sind, was die Sportförderung, den Fokus, den Stellenwert, die Wertschätzung der Athletinnen und Athleten angeht. Und die Früchte ernten sie jetzt.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Mit England und Frankreich haben Sie zwei Länder genannt, die in jüngster Vergangenheit die Olympische Spiele ausgerichtet haben bzw. ausrichten werden. Deshalb die Frage: Brauchen wir Olympische Spiele in Deutschland?

Berlemann: Eindeutig, ja. Aber nicht nur, damit mehr Geld in den Sport fließt, damit die Athleten die Anerkennung und Wertschätzung bekommen und damit wir unser Potenzial nutzen. Sondern auch – davon bin ich fest überzeugt –, weil die Spiele unserem Land guttäten. Mit Olympia gehen Investitionen einher, die unser Land an vielen Stellen modernisieren würden. Und das alles unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.

„Dann muss sich das System die Frage stellen“

SPORT1: Noch mal ganz konkret nachgefragt: Was kann, was muss Deutschland besser machen? Auch im Vergleich zu anderen Ländern ...

Berlemann: Ein wichtiger Punkt ist der Bau und die Entwicklung von Leistungszentren, worauf auch andere Nationen verstärkt setzen. Und das ist jetzt nicht nur eine Frage von Infrastruktur und Ausstattung, sondern auch die Frage, wie es uns gelingt, die Besten an einen Ort zu bringen. Wie können wir wirklich miteinander trainieren, wie können wir uns gegenseitig koordinieren und uns miteinander messen, um unsere Leistung auf natürliche Weise zu verbessern? In anderen Ländern wie beispielsweise der Niederlande findet das statt und es war von Erfolg gekrönt. Das gilt nicht zwangsweise für alle Sportarten, aber es ist ein Mittel, das helfen kann, uns auf Weltklasse-Niveau zu bringen.

SPORT1: Muss sich auch an der Spitze der Verbände etwas ändern, sind diese teilweise zu verkrustet?

Berlemann: Wir haben natürlich viele Debatten in Deutschland darüber, wie Sportförderung besser organisiert werden kann. In den vergangenen Jahren wurde vom Bund deutlich mehr Geld in den Sport investiert, aber damit verbessert sich noch nicht die Sportleistung selbst. Ohne jemanden persönlich anzusprechen, schaffen wir es nicht, mit mehr Geld den sportlichen Erfolg zu stabilisieren oder gar zu verbessern. Dann muss sich natürlich das System die Frage stellen, warum das so ist und was in dem System verändert werden kann.

„Rezepte von vor zehn Jahren nicht mehr so wirksam“

SPORT1: In Deutschland herrscht auch diese populäre Generaldebatte darüber, ob die Jugend noch bereit ist, sich zu quälen. Inzwischen gibt es im Kinder- und Jugendfußball den Ansatz, vom Leistungsprinzip abzusehen. Oder: An den Schulen werden die Bundesjugendspiele abgeschafft. Ganz wertungsfrei gefragt: Ist das der richtige Ansatz – oder geht es in die völlig falsche Richtung?

Berlemann: Ich glaube, dass sich in den vergangenen 20 Jahren vieles bei den Jugendlichen geändert hat. Das Angebot auch abseits des Sports ist unheimlich groß und vielfältig geworden. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass Talente früh erkannt, gefördert und weiterentwickelt werden, um dann weltweite Spitzenleistungen zu bringen. Ich glaube, dass die Rezepte von vor zehn oder 20 Jahren nicht mehr so wirksam sind, um die Jugend von heute zu begeistern. Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir die Begeisterung bei den Jugendlichen früh entfachen – und uns deshalb die Frage stellen, wie das im Hier und Heute gelingen kann.

SPORT1: Kurios ist, dass Basketball bei der Förderung ganz hinten eingestuft wurde, Deutschlands Männer-Nationalmannschaft Weltmeister wurde. Da fragt man sich schon: Sind die Kriterien für die Förderung immer richtig?

Berlemann: Ich glaube, das Stichwort muss sein, voneinander lernen und fair sein. Und ich glaube, wenn man die richtigen Logiken anlegt, dann wird man auch zu den richtigen Schlüssen kommen. Es handelt sich um ein System, das sich etablieren muss. Und Vereine, Verbände müssen lernen, damit zu arbeiten. Zugleich muss es noch mal weiterentwickelt werden. Das ist von allen beteiligten Partnern anerkannt worden. Es ist kein Geheimnis, dass andere Nationen sich viel damit beschäftigen, in welche Sportarten sie investieren und wie das bestmöglich geht. Da sind wir etwas hinterher, aber uns wird das auch gelingen.

SPORT1: Was tut die Sporthilfe, um die Athleten zu unterstützen, und wo kann sie womöglich noch mehr leisten?

Berlemann: In den vergangenen Jahren hat die Sporthilfe den Fokus auf die olympischen Athleten gelegt. Diese sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um zu trainieren und internationale Wettkämpfe zu besuchen, um sich mit den Besten zu messen. Das ist unerlässlich. Gleichwohl ist es so, dass wir noch mehr in den Nachwuchs investieren und finanzielle Sicherheit geben müssen, damit eine Perspektive und womöglich auch eine berufliche Karriere nach dem Sport eröffnet wird. Das erachte ich als ganz wesentlichen Beitrag dazu, dass sich Athleten über viele Jahre hinweg auf den Spitzensport konzentrieren können.