Motorsportlegende Hans-Joachim Stuck hatte sich bei Eurosport deutlich zu Sebastian Vettels Forderungen nach einem Tempolimit in Deutschland geäußert.
Formel 1: Hans-Joachim Stuck über Kritik an Vettel, Mick Schumacher & WM-Duell Verstappen vs. Hamilton
Stuck wiederholt Kritik an Vettel
Eigentlich müsste man dem Heppenheimer nach diesen Äußerungen seinen Dienstwagen wegnehmen, forderte er und fügte hinzu: „Wo sind wir denn? Das geht einfach nicht.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Formel 1)
Bei SPORT1 erklärt er diese Knallhart-Forderung. Vor allem ein Punkt stört den 70-Jährigen an der Position des viermaligen Weltmeisters. Als Persönlichkeit sieht er Vettel jedoch als Gewinn für die Formel 1. Vor allem sein Verhalten in Bezug auf Mick Schumacher verdient ein Kompliment.
Auch Max Verstappens Verhalten im Titelkampf sieht er im Gegensatz zu vielen Fans positiv. Für ihn verschiebt der Niederländer die Grenzen des Sports.
Darüber und mehr spricht Hans-Joachim Stuck im SPORT1-Interview.
SPORT1: Herr Stuck, Sie haben in einem Interview gesagt, an Aston Martins Stelle würden Sie Sebastian Vettel den Dienstwagen wegnehmen, weil er sich für ein Tempolimit ausspricht. Warum so hart zu unserem deutschen Ex-Weltmeister?
Hans-Joachim Stuck: Umweltschutz und Tempolimit sind in meinen Augen zwei Paar Stiefel. Ich bin auch ein umweltbewusster Mensch: Ich trenne meinen Müll, ich reise vernünftig. Aber wenn man als Deutscher schon in der Schweiz wohnt, wo sowieso ein Tempolimit ist, dann muss man uns Deutschen als Automobilland nicht noch das letzte Privileg nehmen. In vielen Studien wurde nachgewiesen, dass wir durch ein Tempolimit kaum Sprit einsparen können. Deswegen würde ich mich als in der Schweiz lebender Rennfahrer nicht für ein Tempolimit in Deutschland aussprechen. Und wenn ich der Chef von Aston Martin wäre, würde ich ihm das Auto wegnehmen und einen Smart hinstellen. Das wäre konsequent.
Formel 1: Stuck mit Lob und Tadel für Sebastian Vettel
SPORT1: Aber sollte man sich als moderner Motorsportler nicht dennoch für Nachhaltigkeit einsetzen und die Plattform wie Vettel für einen Wandel nutzen?
Stuck: Natürlich. Aber dazu brauche ich kein Tempolimit. Seb soll sich ein E-Auto kaufen, dann tut er was für die Umwelt. Und da gibt es auch Fahrzeuge, die schneller fahren als Tempo 130. Der Porsche Taycan zum Beispiel fährt 270 km/h.
SPORT1: Grundsätzlich hat sich Vettel in diesem Jahr ja für Gleichberechtigung, Diversität, Umweltschutz eingesetzt…
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Stuck: …und das finde ich wunderbar, das kann man nur loben. Ehrlich: Ich finde es super, dass er sich um andere Dinge kümmert. Das zeigt, dass ein Formel-1-Fahrer auch andere Dinge im Kopf haben kann.
SPORT1: Die aktuelle Saison lief für ihn und Aston Martin noch nicht nach Wunsch: Kann er den Erfolg in Grün in Zukunft noch einfahren?
Stuck: Sebastian hat das sicher drauf, denn er hat weder das Fahren verlernt noch wie man ein Team führt. Die Erfahrung von Red Bull und Ferrari kann ihm keiner nehmen. Er ist nicht umsonst viermaliger Weltmeister. Vettel ist eine Ausnahmeerscheinung in der Formel 1 und bleibt einer der größten Rennfahrer, die Deutschland und die Königsklasse je gesehen haben. Für mich spielt er in einer Liga mit Prost, Senna oder Hamilton. Nur das Tempolimit hat mir nicht gefallen. Das passt nicht zu einem Formel-1-Star.
SPORT1: Wie finden Sie es, dass er sich als Ersatzvater so sehr um Mick Schumacher kümmert?
Stuck: Super! Es ist toll, dass er bereit ist, sein Wissen weiterzugeben und gleichzeitig Freundschaften pflegt. Höchstes Kompliment.
Mick Schumacher? „Ich würde ihm ein Angebot machen“
SPORT1: Wie bewerten Sie Mick Schumachers erste Saison?
Stuck: Auch davon bin ich begeistert. Man darf nie vergessen, mit welchem Druck der gute Mick da umgehen muss. Seinen Teamkollegen hat er im Griff und ich finde, er hat in diesem Jahr eine perfekte Visitenkarte abgegeben. Wenn ich ein Teamchef eines guten Teams wäre, würde ich ihm ein Angebot machen. Das hätte er verdient.
SPORT1: Warum ist der baldige Wechsel in ein Top-Team für Sie so logisch?
Stuck: Man würde mit Sicherheit keinen Fehler machen, wenn man einen Mick Schumacher verpflichtet. Wir wissen neben seinen Fähigkeiten auch: Der große Name zieht. Mit Mick hole ich mir nicht nur einen guten Fahrer, sondern eine Persönlichkeit ins Auto. Dazu kommt: Mick ist ein eloquenter, hervorragend erzogener junger Bursche. So jemanden kann man sich nur wünschen.
Zwei außergewöhnliche Fahrer im Titelduell
SPORT1: Apropos gut erzogen: Aktuell kämpfen in der Formel 1 Lewis Hamilton und Max Verstappen um den Titel. Bekriegen sich die beiden teilweise über dem Limit?
Stuck: Dass hier mit harten Bandagen gekämpft wird, ist doch klar! Für Hamilton geht es darum, dass er sich in der Formel 1 unsterblich macht. Und für Verstappen und Red Bull geht es um den ersten WM-Titel. Ich wünsche mir nur, dass der Herr Todt (Fia-Präsiden; Anm. d. Red.) den beiden sagt, dass sie in Abu Dhabi ein ordentliches Rennen fahren sollen. Fakt ist, dass hier zwei außergewöhnliche Fahrer um den Titel kämpfen. (DATEN: Die Fahrerwertung der Formel 1)
SPORT1: Dabei wird Max Verstappen teilweise allerdings eine schmutzige Fahrweise unterstellt.
Stuck: Das ist Unsinn! Max fährt garantiert nicht schmutzig. Was man aber sagen kann: Es gab in diesem Jahr ein paar Manöver, in denen er die Bremspunkte kaum noch nachvollziehbar nach hinten verschiebt. Das war zum Beispiel in Mexiko so aber auch beim Neustart in Saudi-Arabien. Und das macht ihn zu einem ganz besonderen Piloten, zu einer fahrerischen Ausnahmeerscheinung. Das mag schmutzig wirken, ist es aber nicht. Das ist knallhart und super gefahren. Er verschiebt die Grenzen.
SPORT1: Für den angeblichen Bremstest mit Lewis Hamilton wurde er allerdings bestraft.
Stuck: Dabei wissen wir doch gar nicht, was da wirklich ablief! Ja, Verstappen hat hart gebremst, aber warum ist Hamilton nicht vorher längst vorbeigefahren, wie man das normalerweise tun sollte? Das Urteil war trotzdem okay, denn es hat nicht in den WM-Kampf eingegriffen – und jetzt ist klar, dass beide es vernünftig ausfahren sollen. (DATEN: Der Rennkalender der Formel 1)
Stuck hofft auf Max Verstappen und Red Bull
SPORT1: Auf wen tippen Sie als Weltmeister?
Stuck: Ich gebe unumwunden zu, dass ich für Max und Red Bull beide Daumen halte. Max gefällt mir einfach. Er lässt sich nicht verbiegen und ist ein guter Typ. Red Bull hat den Titel auch mal wieder verdient, denn ohne Red Bull hätten wir vier Autos weniger im Grid. Denen muss man Tribut zollen, dass sie als Nicht-Hersteller-Team solche Erfolge einfahren. (DATEN: Die Teamwertung der Formel 1)
SPORT1: Abgesehen vom WM-Kampf, der in der Wüste stattfindet: Wie sehr fehlt der Formel 1 ein deutsches Rennen?
Stuck: Extrem. Dass wir als Deutschland, der Automobilnation schlechthin, nicht in der Lage sind einen GP auszutragen, ist mir ein Rätsel. Ein Großer Preis von Deutschland ist genauso wichtig wie ein GP der USA.