Noch sind Max Verstappen und Charles Leclerc Freunde. Ob das allerdings auch im weiteren Saisonverlauf so bleibt, daran muss gezweifelt werden. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Formel 1)
Formel1: Zerbricht an diesem Duell eine Freundschaft? Verstappen vs. Leclerc
Beendet dieses Duell eine Freundschaft?
Grund: Im zweiten Saisonrennen kämpften die beiden Jungstars zum zweiten Mal in Folge mit dem Messer zwischen den Zähnen um den Sieg. Diesmal mit dem besseren Ende für den Red-Bull-Piloten.
Und noch kann sich WM-Spitzenreiter Charles Leclerc darüber freuen. „So sollte jedes Rennen sein“, jubelt der Monegasse fast schon enthusiastisch. „Es war hart aber fair. Ich habe es sehr genossen, dieses Hin und her.“
Dabei war das Duell fast genauso am Limit wie der erbittert geführte Zweikampf zwischen Verstappen und Lewis Hamilton im Vorjahr, als das Rad-an-Rad-Gerangel beim Saudi-Arabien GP in einem Bremstest inklusive Auffahrunfall mündete.
Duell Verstappen vs. Leclerc elektrisiert
Verstappens neuer Gegner fährt zwar Rot statt Schwarz, aber er agiert schon jetzt mindestens genauso taktisch wie der siebenmalige Champion. In Jeddah kam es in den letzten sieben Runden so zum Schachspiel im Rennwagen.
Oder anders formuliert: Die Kontrahenten zeigten die hohe Kunst des strategisch geführten Zweikampfs. Gegenseitig versuchten sie sich auszutricksen, um den DRS-Vorteil auf der langen Start-Ziel-Geraden zu holen. (DATEN: Der Rennkalender der Formel 1)
„Ich wusste, dass der Topspeed dieses Wochenende Red Bulls Stärke ist“, verrät Leclerc. „Es war also klar, dass Max mich auf Start-Ziel leicht überholen würde, wenn er DRS hat. In der ersten Runde (des Zweikampfes; d. Red.) habe ich deshalb sehr früh gebremst, mir selbst das DRS geholt und ihn damit vor Kurve eins zurücküberholt.“
Verstappen hört aufmerksam zu, grinst und räumt anerkennend ein: „Da hat Charles smarte Tricks angewendet. Als ich endlich vor ihm war, konnte ich ihn so natürlich nicht abschütteln.“
Kommt es bald zur ersten Kollision?
Leclerc überrumpelte Verstappen so schon in Bahrain. Allein: Das Streckenlayout in Jeddah mit dem DRS-Messpunkt kurz vor der Zielhaarnadel fördert das Verhalten noch mehr: „Letztes Jahr haben wir das zwischen Max und Lewis (Hamilton; d. Red.) hier auch schon gesehen“, erinnert Sky-Experte Anthony Davidson an das Rennen vorm großen Finale in Abu Dhabi. „Damals ist es damit geendet, dass Lewis ihm reingefahren ist.“
Geht es nach Ex-Formel-1-Pilot Paul di Resta, sollte auch die erste Kollision zwischen Verstappen und Leclerc nicht mehr lange auf sich warten lassen. „Wenn sie so eng weitermachen, bin ich mir sicher, dass sie an irgendeinem Punkt crashen werden“, glaubt der Schotte.
Zumindest am Sonntag geht das Duell der neuen Generation aber sauber zu Ende: „Beim zweiten Mal wusste Max natürlich, dass ich das mache. Deshalb haben wir beide sehr früh gebremst, aber ich konnte die Nase vorne behalten“, sagt Leclerc über das Schachspiel und daraus folgende Stehversuche jenseits von 300 km/h.
Marko lobt Verstappen für Überholmanöver
Am Ende setzt Weltmeister Verstappen seinen Herausforderer Schachmatt, legt sich Leclerc doch noch zurecht und vermeidet ein verfrühtes Überholmanöver vorm DRS-Messpunkt. Der Schlüssel zum Sieg.
Leclerc räumt ein: „Beim dritten Mal hat es dann nicht mehr für mich gereicht. Da hat Max einen guten Job gemacht.“ Ergebnis: Der erste Sieg als Weltmeister und nur noch 20 Punkte Rückstand auf Leclerc in der WM.
Von Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko bekommt der Niederländer dafür ein Extralob: „Dank des höheren Topspeeds konnten wir Ferrari überholen, es war aber ein unglaubliches Manöver von Max. Der ist sein Geld also wert.“ (DATEN: Die Teamwertung der Formel 1)
Hintergrund: Red Bull hat seinen Champion erst kurz vor Saisonbeginn mit einem neuen Vertrag bis 2028 ausgestattet, zu deutlich verbesserten Bezügen. Auch Ferrari hat Leclerc vor gut einem Jahr langfristig bis 2025 an sich gebunden.
Groundeffect macht neue Duelle möglich
Fest steht: Die Formel 1 erlebt ein neues Mega-Duell, das die nächsten Jahre prägen dürfte. Mit Leclerc und Verstappen kämpfen nun wieder zwei Fahrer der gleichen Generation um den Titel - mit allem, was auf der Strecke dazugehört.
Möglich machen es neuen Groundeffect-Autos. Mit ihnen kann der Jäger seinem Vordermann deutlich besser folgen. (DATEN: Die Fahrerwertung der Formel 1)
„Die Verantwortlichen haben erreicht, was sie wollten“, sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. „Spektakuläres Racing, tolle Überholmanöver und viel Entertainment. Man kann nur applaudieren, welchen Hype um die F1 das kreiert.“
Marko schreibt Mercedes ab
Das Problem für den Wiener: Mercedes und sein Superstar Lewis Hamilton wurden so - zumindest vorerst - in die Beobachterrolle gedrängt. „Das Duell des Jahres wird Leclerc-Verstappen heißen“, prognostiziert Red-Bull-Berater Helmut Marko. „Ich glaube nicht, dass Mercedes dieses Tempo über eine Renndistanz gehen kann.“
Wie lange die beiden Protagonisten der Saison 2022 allerdings noch von einem fairen Duell sprechen, bleibt abzuwarten. Die neuen Rennwagen dürften jedenfalls für jede Menge weiterer Schachspiele bei Höchstgeschwindigkeit sorgen.
Und die Erfahrung lehrt: Zum Speed-Schach gehören immer auch Psychospielchen auf aller höchstem Niveau.