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Nur noch Show statt Sport! Die Vorwürfe gegen die Formel 1 werde lauter

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Nur noch Show statt Sport! Die Vorwürfe gegen die Formel 1 werde lauter

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Die große Formel-1-Wut

Das chaotische Ende des Australien-GP sorgt noch immer für heftige Kritik. Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen den Promoter und den Rennleiter des Melbourne-Rennens.
Auch Sieger Verstappen übte Kritik an der Formel 1
Auch Sieger Verstappen übte Kritik an der Formel 1
© SPORT1-Grafik/Imago
Ralf Bach
Ralf Bach
Bianca Garloff
Bianca Garloff

Die Herald Sun legte den Finger am Morgen nach dem Grand Prix von Australien verbal in die Wunde: „Formel 1, das kann nicht dein Ernst sein!“, titelte die große Tageszeitung Melbournes im Sport-Ressort.

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Die Unterzeile nimmt die Macher der Königsklasse ins Visier: „Ist das noch echter Sport oder nur noch ein Produzent für Netflix Fantasie-Futter?“

Hintergrund: Der US-Streaming-Sender Netflix sorgt schon seit vier Jahren bei Formel-1-Promoter Liberty Media für Begeisterung, weil er mit seiner reißerischen F1-Doku besonders dem vorher schwer zu erobernden Markt in den USA einen großen Schub verpasst hat. Die Kritik: Der Sport geht in der Doku-Serie zu Lasten der Show.

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Anlass der aktuell so bissigen Bewertung in Australien war die Entscheidung des deutschen Rennleiters Niels Wittich, zwei Runden vor Schluss einen stehenden Start durchzuführen und die dadurch schon vorher abzusehenden Unfälle des Spektakels wegen in Kauf genommen zu haben.

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Allein: Die Berichterstatter aus Down Under stehen nicht alleine da mit ihrer Meinung. So sagt Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer zu SPORT1: „Alles hat mich an die US-Serien NASCAR oder Indycar erinnert. Dort wird auch nur wegen der Show ein Rennen neu gestartet, um auf Teufel komm raus Action zu haben.“

Ralf Schumacher: „Unfälle waren programmiert“

Erschwerend kommt hinzu: Diesmal waren die meisten Experten schon vorher klüger, nicht erst danach. So betont etwa F1-Sky-Experte Ralf Schumacher (46) bei SPORT1: „Es war logisch, dass es krachen würde. Die Unfälle waren aufgrund der Umstände programmiert.“ Schumacher meint die tiefstehende Sonne, die gefährliche Streckenführung und 20 zwei Runden vor Schluss übermotivierte F1-Stars.

Der sechsmalige GP-Sieger geht noch weiter: „Der ganze Käse führte dazu, dass Alpine zwei Autos verschrotten kann. Es war reines Glück, dass alle Fahrer auf der gerade bei einem Zwei-Runden-Rennen extrem gefährlichen Strecke von Melbourne unverletzt blieben.“

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Auch aktuelle Piloten geben ihm recht. So sagt etwa Rennsieger und der amtierende Weltmeister Max Verstappen: „Ich verstehe einfach nicht, warum es eine Rotphase gebraucht hat. Wenn es eine Safety-Car-Phase gegeben hätte und danach einen fliegenden Start, dann hätte es all diese Unfälle nicht gegeben und wir wären normal ins Ziel gefahren. Diese Probleme waren unterm Strich hausgemacht.“

McLaren-Fahrer Lando Norris bläst ins gleiche Horn: „Ich weiß nicht, was im Rennen alles passiert ist, aber ich hatte den Eindruck, es gab genug Action. Dass dann rote Flaggen gezeigt wurden, fühlt sich so an, als habe man eine Show machen wollen. Und ich im Auto hätte ohne Grund wirklich Pech haben und zum Beispiel am Ende mit Hülkenberg kollidieren können. Die Leute sind überall abgeflogen, man musste plötzlich ausweichen.“

Was dem Briten besonders sauer aufstößt: „Wir sind um die halbe Welt gereist und haben 55 oder 56 Runden lang hart gearbeitet und perfekt unser Pensum abgespult. Und dann, nur weil man denkt, eine Show bieten zu müssen, kannst du Pech haben und dir wird alles weggenommen.“

Fest steht: Das Chaos der letzten zwei Runden und damit auch die Unfälle hätten verhindert werden können. So glaubt Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost (67) bei SPORT1: „Die letzte rote Flagge war unnötig. Eine Virtual-Safety-Car-Phase nach Magnussens Unfall hätte gereicht. An der Unfallstelle wäre die Geschwindigkeit ausreichend genug gedrosselt worden. Dazu kommt: Es waren ja nur noch zwei Runden zu fahren. Dadurch hätte man sich den stehenden Start erspart und so auch die Unfälle.“

Berger und Surer vermissen Whiting

Ein weiteres Problem zeigt Formel-1-Legende Gerhard Berger auf. „Die Schere der weltbesten Autofahrer und deren Techniker zu den FIA-Funktionären, die als Schiedsrichter und Rennleiter wichtige Entscheidungen treffen müssen, wird immer größer“, sagte die Ferrari-Legende zu SPORT1.

Was der ehemalige DTM-Boss meint: „Die Rennstewards sehen sich Ingenieuren gegenüber, die hinsichtlich ihrer Ausbildung und ihres Talents jede Rakete zum Mars fernsteuern könnten. Sie sehen sich Sportlern gegenüber, die wegen ihrer Klasse Millionen verdienen und Sportmanagern sowie Automobilkonzernen, die Milliarden umsetzen. Die Maßnahmen der teils ehrenamtlichen Funktionäre aber entscheiden über Schicksale in diesem Sport. In Australien wurde wieder allzu deutlich, warum es auch auf ihrer Seite Vollprofis bedarf, die entweder Fahrer waren oder in anderer Funktion schon mal im rollenden Zirkus tätig waren.“

Zur Erinnerung: Auch beim zweiten Rennen in Saudi-Arabien kam es nach dem GP zum Pokal-wechsel-dich-Spielchen zwischen Fernando Alonso und George Russell, als Aston Martin Rennkommissaren und Rennleitung ein falsches Urteil nachweisen konnte.

Surer bestätigt auch deshalb Bergers These: „Es muss ein Insider an die Stelle des Rennleiters gesetzt werden. Einer wie es der vor vier Jahren verstorbene Charlie Whiting war. Der wusste genau, wie die Piloten und Entscheidungsträger auf der anderen Seite ticken, weil er jahrelang bei Brabham gearbeitet hatte. Er hielt auch jedes Mal dem Druck von allen Seiten stand und entschied am Ende immer für die Sicherheit. Das jedenfalls ist in Melbourne nicht geschehen. Es ist immer möglich, aus Sicherheitsgründen einen Start hinter dem Safety-Car durchführen zu lassen.“

Fest steht: Die FIA und die Formel-1-Macher sind jetzt mehr gefordert als je zuvor. Die Kritik von Fahrern, Teams und Experten wird solange nicht verstummen, bis der Sport wieder die Hauptrolle spielt.