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Formel 1: Der Beste aller Zeiten? "Verstappen prägt eine eigene Epoche für die Ewigkeit"

Der Beste aller Zeiten?

Beim Großen Preis von Kanada holt Max Verstappen seinen sechsten Saisonsieg. Damit kommt er seinem dritten Weltmeistertitel immer näher. Mit dem Gesamtsieg kann er mit einer Formel-1-Legende gleichziehen.
Max Verstappen ist in seinem Red Bull diese Saison unantastbar
Max Verstappen ist in seinem Red Bull diese Saison unantastbar
© IMAGO/Eibner
Beim Großen Preis von Kanada holt Max Verstappen seinen sechsten Saisonsieg. Damit kommt er seinem dritten Weltmeistertitel immer näher. Mit dem Gesamtsieg kann er mit einer Formel-1-Legende gleichziehen.

Nach seinem sechsten Saisonsieg beim Großen Preis von Kanada, der gleichzeitig der 100. Erfolg von Red Bull in der automobilen Königsklasse bedeutete, zog Max Emilian Verstappen aus den Niederlanden mit dem vermeintlich Größten aller Zeiten gleich.

41 Siege wie der legendäre Ayrton Senna hat der 25-Jährige jetzt auf dem Konto. Es ist ein willkommener Anlass für Fans und Insider der Szene, sich mal wieder die Frage zu stellen: Wer ist der beste Pilot aller Zeiten? Und wo ist Verstappen jetzt schon einzuordnen?

Fest steht: Quervergleiche sind aktuell genauso populär wie unvermeidlich.

Senna der beste F1-Pilot aller Zeiten?

Allein: Um sich der Lösung des eigentlich nicht zu lösenden Rätsels wenigstens einigermaßen zu nähern, sollten nicht nur Zahlen als Zeugen gelten. Denn da wären Lewis Hamilton und Michael Schumacher mit jeweils sieben WM-Titeln einsam an der Spitze des imaginären Rankings, gefolgt von Juan-Manuel Fangio mit fünf und Alain Prost und Sebastian Vettel mit vier.

Senna kam auf drei und steht damit auf einer Stufe mit einem Niki Lauda, Jackie Stewart, Jack Brabham oder Nelson Piquet. Verstappen ist jetzt schon der erfolgreichste 25-Jährige der Formel-1-Geschichte, kommt bisher auf zwei Titel. Auf dem Weg zum dritten ist er kaum noch aufzuhalten.

Ex-Schumacher-Teamchef Eddie Jordan gibt bei SPORT1 aber zu bedenken: „Man muss auch auf die Fahrer selbst hören: Acht von zehn Piloten aus der Generation von Ayrton und auch danach würden Senna als Besten aller Zeiten nennen. Er ist der Unvollendete, den sein Unfalltod in Imola 1994 unsterblich machte. Er hätte sicher noch drei oder vier weitere Titel gewonnen, hätte das tragische Rennen ihn uns nicht genommen.“

Schumacher: „Ich widme den Titel Ayrton“

Auf Fahrer hören: Dieser Rat Jordans wird bestätigt, wenn es um Sennas Image und Aura geht. Lewis Hamilton macht kein Geheimnis daraus, „den magischen Senna“ als Vorbild zu haben. Dass er zu Beginn seiner Karriere mit gelbem Helm fuhr, war eine Hommage an den Brasilianer.

Noch extremer reagierte Michael Schumacher. Schon 1994 nach seinem ersten WM-Titel gab er im vertrauten Vier-Augen-Gespräch zu: „Ich widme den Titel Ayrton. Denn ich mache mir nichts vor: Wenn Damon Hill mit dem gleichen Auto wie Ayrton bis zum letzten Rennen das Titelrennen offen halten konnte, so ist klar: Ayrton wäre Kreise damit um mich gefahren.“

Noch deutlicher kam seine Verehrung für den Brasilianer in Monza 2000 zum Vorschein. Schumacher stand unter enormem Druck, hatte kurz vorher von einem Herzinfarkt eines engen Freundes erfahren und davon, dass ein Streckenposten im Rennen von herumfliegenden Teilen tödlich getroffen wurde.

„Für mich war er immer der Beste“

Als er nach seinem Sieg beim Heimrennen von Ferrari in der Pressekonferenz erinnert wurde, dass er gerade mit Senna gleichgezogen war, brachen aller Schutzmauern, die er sich bewusst in den Jahren zuvor aufgebaut hatte, um in der Öffentlichkeit keine Emotionen zeigen zu wollen.

Schumacher später dazu: „Die Nachricht, dass ich Ayrtons Anzahl an Siegen egalisiert hatte, brachte das Fass zum Überlaufen. Für mich war er immer der Beste. Ich habe mich nie auf eine Stufe mit ihm gestellt. Und auf einmal war da dieser Beleg.“

Verstappen brach beim gleichen Hinweis am Sonntagabend in Montreal zwar nicht in Tränen aus, zeigte aber trotzdem für seine Verhältnisse große Emotionen: „Ich hasse es, verschiedene Generationen zu vergleichen, aber natürlich ist es etwas Unglaubliches, mit Ayrton gleichzuziehen. Darauf bin ich stolz.“

Verstappen auf einer Stufe mit Senna?

Ein wichtiger Zeuge bei der nicht objektiv bewertbaren Frage nach dem besten Fahrer aller Zeiten ist Österreichs Formel-1-Legende Gerhard Berger. Der Tiroler war Sennas Teamkollege bei McLaren und erlebte als Aktiver auch die Anfänge von Michael Schumacher.

Berger zu SPORT1: „Ich kam zu McLaren und dachte mit vollem Selbstverständnis: Ich bin der Schnellste von allen. Doch dann kam Ayrton. Schnell merkte ich: Gegen den ist kein Kraut gewachsen. Er hatte nicht nur einen irren Grundspeed, sondern auch die totale Bereitschaft, alles für den Erfolg zu tun. Irgendwann habe ich mich damit abgefunden, ihn nicht mehr als Gegner zu sehen.“

Berger weiter: „Du merkst sofort, wenn da jemand Besonderes vor dir steht. Als Michael Schumacher aus dem Nichts plötzlich in der Formel auftauchte, erinnere ich mich an einen Blick von Ayrton, der nichts anderes sagte als: ‚Dieser Typ ist speziell, auf den müssen wir achten, der kann uns gefährlich werden.‘ Das wurde ja auch bestätigt. Michael Schumacher und Lewis Hamilton haben zumindest die Vergleiche verdient. Über Max kann ich jetzt aber sagen: Sportlich steht er auf einer Stufe mit Ayrton.“

„Senna war der Muhammad Ali der Formel 1″

Auch Ex-Formel-Pilot Marc Surer kann eine Geschichte zum Mythos Senna beisteuern. Surer: „1990 ermöglichte mir die ‚Auto Zeitung‘, bei einem offiziellen Formel-1-Test in Hockenheim teilzunehmen. Ich konnte den aktuellen Arrows fahren und war von den Zeiten her auch gar nicht schlecht dabei, obwohl ich vier Jahre lang kein Formel-1-Auto mehr fahren konnte.“

Surer ergänzte: „Meine prägnanteste Erinnerung daran aber ist heute noch: Plötzlich tauchte auf einer der langen Geraden der gelbe Helm von Senna hinter mir auf. Mein Puls schlug sofort höher und ich konzentrierte mich darauf, Ayrton nicht zu behindern, geschweige denn, eine Kollision mit ihm zu haben. Das zeigt doch, welche Ausstrahlung Senna und sein gelber Helm auch auf Kollegen hatte.“

Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone erklärt die besondere Senna-Aura im Gespräch mit SPORT1 so: „Senna war der Muhammad Ali der Formel 1. Er steht für jemanden, der den Unterschied machen konnte und auch von seiner Persönlichkeit her deshalb weit über allen stand. Diese besondere Magie hatte in den Fünfzigern ein Juan-Manuel Fangio, in den Sechzigern ein Jim Clark und auch ein Jochen Rindt. Später ein Michael Schumacher.“

Kühne Prognose von Marko erfüllt sich

„Ich will auch einen Alain Prost nicht vergessen, der die optimale Mischung aus Speed und Rennintelligenz hatte. Ich denke, wir sollten jetzt alle froh sein, mit Max Verstappen gerade jemand beobachten zu können, der in eine eigene Epoche für die Ewigkeit prägt“, betonte Ecclestone.

Das Schlusswort gehört Verstappen-Mentor und Förderer Helmut Marko. Der Red-Bull-Chefberater gab dem „Mozart aus Holland“ schon 2015 ein Formel-1-Cockpit beim Red-Bull-Juniorteam Toro Rosso. Er bezeichnete ihn damals als „neuen Ayrton Senna“ und musste für den kühnen Vergleich heftige Kritik ertragen.

Marko: „Senna hatte die besonderen Momente, die Max jetzt auch zeigt. Aber ich weiß, dass nur Max die Vergleiche mit Senna auch wirklich verdient hat.“