Erst der Olympiasieg, dann ein scharfer verbaler Seitenhieb auf den schillernden 100-Meter-König: Letsile Tebogo hat seinen von einer nachträglich enthüllten Corona-Infektion geschwächten Kontrahenten Noah Lyles nach seinem Gold-Triumph über 200 Meter attackiert.
Olympia: "Arrogant und laut" - Scharfe Attacke nach Drama um 100-Meter-König
Scharfe Attacke auf 100-Meter-König
Es ging dabei nicht um das Corona-Thema, das ebenfalls für Wirbel sorgte, sondern um Lyles‘ Charakter: Der aus Botswana stammende Tebogo wurde bei der Pressekonferenz nach dem Rennen gefragt, ob er nach dem ehemaligen Dominator Usain Bolt gerne das neue Gesicht der Leichtathletik wäre.
Seine Antwort sprach Bände über seine Sicht auf den als ähnlich extrovertiert wie Bolt bekannten Lyles: „Ich kann nicht das Gesicht der Leichtathletik sein, weil ich keine arrogante oder laute Person wie Noah bin.“ Auf der Bahn hatten sich die Gegner noch abgeklatscht.
Olympiasieger erlebt Schicksalsschlag
Tebogo hatte sich Gold am Donnerstagabend vor den beiden US-Läufern Kenneth Bednarek und eben Lyles gesichert. Er war dabei mit einer Zeit von 19,46 Sekunden deutlich schneller unterwegs als der Favorit, dem mit 19,70 Sekunden nur Bronze blieb. Nach seinem Triumph hielt er seinen Schuh in die Kamera, auf welchem das Geburtsdatum von seiner vor zwei Monaten verstorbenen Mutter stand.
Der 21-Jährige konnte einen Monat nach dem Schicksalsschlag nicht trainieren und musste erstmal mit dem Verlust klarkommen. „Im Grunde bin ich es, der sie bei jedem Schritt trägt, den ich mache. Sie dabei zu haben, gibt mir Motivation“, verriet der Tebogo. Er führte weiter aus: „Wenn sie hier wäre, glaube ich, dass sie einer der glücklichsten Menschen auf dem Planeten wäre, weil sie immer an mich geglaubt hat, als ich an mir gezweifelt habe.“
Sportlich fair gratulierte Lyles dem überlegenen Tebogo bei X und erinnerte dabei auch an dessen tragische Umstände: „Ich weiß, dass du abseits der Bahn ein sehr hartes Jahr hattes und du hast trotzdem alles überwunden!“
Nach dem 200-Meter-Rennen wurde aber bekannt, dass Lyles wegen einer Corona-Infektion geschwächt war. Er sagte anschließend seine weiteren Rennen bei den Spielen von Paris ab.
Tebogo verteidigt Lyles‘ Verhalten
Der 200-Meter-Sieger reagierte nach seinem Erfolg darauf und verteidigte Lyles bei dem Thema gegen kritische Fragen, ob er seine Erkrankung nicht vorher hätte offenlegen müssen: „Ich persönlich würde nicht sagen, dass wir in Gefahr waren, weil es kein Kontaktsport ist.“ Der 21-Jährige verwies zugleich darauf, dass der US-Star während des Aufwärmens und im Callroom ganz alleine war. Auf Bildern war zu sehen, wie Lyles dort auch eine Maske trug.
„Ich persönlich habe mich gefragt, warum er alleine war. Ich wollte keine Vermutungen darüber anstellen, was er durchgemacht haben könnte“, habe Tebogo kurzzeitig gedacht, dass Lyles einfach einen schlechten Tag gehabt hätte, nachdem er bereits über die 100 Meter den Sieg geholt hatte. „Aber ich habe nicht an Covid oder etwas anderes gedacht“, meinte der 21-Jährige.
DLV-Boss: „Für uns nicht möglich“
Lyles‘ Corona-Infektion sorgte bei anderen derweil für größeren Gesprächsstoff - auch aus dem deutschen Olympia-Team kamen hierzu deutliche Worte.
„Für uns wäre das nicht möglich gewesen, weil für uns die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler an erster Stelle steht und wir nicht in Kauf nehmen wollen, dass durch diese Infektionen andere in Mitleidenschaft gezogen werden“, sagte DLV-Sportvorstand Jörg Bügner am Freitag auf einer Pressekonferenz im Deutschen Haus in Paris.
Während Weitspringerin Malaika Mihambo am Donnerstag wegen Spätfolgen ein Corona-Drama erlebte, war 100-m-Olympiasieger Lyles erst am Dienstag positiv auf das Virus getestet worden - und zwei Tage später offenbar eigenverantwortlich über 200 m an den Start gegangen. Nach seinem Lauf zu Bronze rang der dreimalige Weltmeister nach Luft und musste wenig später auf einem Rollstuhl aus dem Stade de France gebracht werden.
Der DLV, erklärte Bügner, verfolge eine „sehr viel striktere Policy, als es beispielsweise die momentane gesetzliche Grundlage ist, das muss man sagen“, führte der Sportchef aus und ergänzte: „Wer Corona hat, reist nicht an. Das betrifft Athletinnen und Athleten wie Betreuer gleichermaßen. Wie das in anderen Nationen geregelt wird, das beschäftigt uns nicht. Wir sind da glasklar.“
US-Verband verteidigt Lyles
Der US-Verband verteidigte Lyles derweil: „Nach einer gründlichen medizinischen Untersuchung hat sich Noah entschieden, heute Abend zu starten. Wir respektieren seine Entscheidung und werden seinen Zustand weiterhin genau beobachten“, teilte er am Donnerstagabend mit, nachdem die Infektion bekannt geworden war.
Nach seinem Sieg über die 100 Meter hatte Lyles noch große Töne gespuckt. Seinen Gegnern sagte er eine vernichtende Niederlage voraus: „Keiner von ihnen gewinnt. Wenn ich aus meiner Kurve komme, werden sie deprimiert sein.“
Selbstvertrauen hat Lyles, der gerne in die Fußstapfen von Michael Jordan schlüpfen würde, bei seiner Niederlage nicht eingebüßt. Wegen Corona habe er nicht die Spiele absolvieren können, die er sich vorgestellt hatte (angepeilt waren neben dem 200-m-Sieg auch noch zwei Staffelerfolge), er verabschiedete sich dennoch mit: „Man sieht sich beim nächsten Mal, euer schnellster Mann der Welt für die nächsten vier Jahre!“
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)