Für Tour-Dominator Tadej Pogacar ist er der wichtigste Helfer und ein echter Held, für die Konkurrenz dagegen eher unglaublich nervig. Kaum ein Fahrer polarisiert bei der Tour de France so sehr wie Nils Politt.
Der umstrittene Held der Tour de France
Der umstrittene Held der Tour de France
Eins ist klar: Der Deutsche aus dem Team UAE Emirates-XRG steht bei nahezu jeder Etappe bei der Tour im Fokus und das, obwohl er bei weitem nicht um den Gesamtsieg mitfährt.
Prominent zu sehen ist Politt dagegen nahezu bei jeder Etappe, da er bei dieser Tour der Edelhelfer von Tadej Pogacar ist. Seine Hauptaufgabe besteht dabei unter anderem darin, das Tempo des Hauptfeldes hochzuhalten, weshalb er oft Kilometer um Kilometer das Feld von vorne anführt.
In dieser Rolle sorgte der Deutsche auf der 16. Etappe für große Aufregung, weil er mehrere Male neben die Fahrer fuhr, die einen Ausreißversuch starteten, und diese sogar ermahnte, im Peloton zu bleiben.
Politt? „Hasse Fahrer, die ihr eigenes Gesetz durchsetzen wollen“
Politt wollte damit deutlich machen, dass diese Etappe eben nicht für Ausreißer gedacht sei, sondern für die Klassementfahrer rund um seinen Teamkollegen Pogacar. Dabei schreckte er auch nicht davor zurück, anderen den Weg zu versperren, wie mehrere französische Medien berichteten.
Dieses Manöver kam im Feld überhaupt nicht gut an. Der ehemalige Tour-Star Thomas Voeckler schoss im französischen Fernsehen France Télévision heftig gegen Politt: „Es gibt kein schlimmeres Verhalten. Das ist ein abscheuliches Verhalten, wenn man Fahrer herablassend behandelt.“
Damit aber nicht genug. Voeckler holte noch weiter aus: „Ich hasse Fahrer, die unter dem Vorwand, dass sie stärker sind oder in großen Teams fahren, ihr eigenes Gesetz durchsetzen wollen.“
Politt wies die Kritik zurück. „Ich habe nur reagiert, weil Attacken zu einem Zeitpunkt kamen, als das halbe Feld in der Pinkelpause war – inklusive Tadej Pogacar”, verteidigte er sich.
Dabei haben der Franzose und der Deutsche mehr gemeinsam als man zunächst annehmen könnte. Denn Voeckler zu seiner aktiven Karriere und Politt vor ein paar Jahren noch waren ebenfalls häufig in Ausreißergruppen dabei.
„Nils Politt war vor nicht allzu langer Zeit in den Bergen selbst in den Gruppettos unterwegs und wäre froh gewesen, wenn er sich den Ausreißern hätte anschließen können. Das sollte er nicht vergessen. Im Radsport kann es sehr schnell gehen. Das ist eine abscheuliche Einstellung, wenn man andere Fahrer von oben herab behandelt“, polterte Voeckler.
Politt feierte als Ausreißer Etappensieg bei Tour de France
Was der Franzose damit meint: Bevor Politt 2024 zum Team von Pogacar wechselte, war er selbst als Fahrer bekannt, der versuchte, Etappen aus Ausreißergruppen heraus zu gewinnen.
In eben jener Rolle gelang ihm bei der Tour 2021 sein wohl größter Karriere-Erfolg, als er die 12. Etappe der Frankreich-Rundfahrt gewann. Damals enteilte er mit einer Fluchtgruppe dem Hauptfeld und konnte sich zwölf Kilometer vor dem Ziel wiederum entscheidend aus dieser absetzen.
Auch seine Siege bei seinem Heimrennen Rund um Köln und bei der deutschen Straßenmeisterschaft 2022 holte sich Politt im Alleingang als Ausreißer.
Politt gilt als Beschützer von Pogacar
Doch spätestens seit 2024 ist Schluss damit. Seitdem er zum Team UAE Emirates-XRG und eben zu Tadej Pogacar wechselte, ist seine Rolle klar definiert. Er ist einer der Edelhelfer des Slowenen.
Und gleich bei seiner ersten Tour lieferte Politt in dieser Rolle ab. Mit seinen Zeitfahr-Fähigkeiten, er gewann im selben Jahr auch den deutschen Meistertitel im Kampf gegen die Uhr, machte er regelmäßig das Tempo für seinen Kapitän. Mit seiner extremen Tempoverschärfung half er mit, dass Pogacars Rivale Jonas Vingegaard vor der Attacke des Slowenen am Col de la Bonnette isoliert war.
Genau dieselbe Rolle nimmt Politt auch bei der laufenden Tour ein. In diesem Jahr ist er für Pogacar sogar noch etwas wichtiger. Denn mit Joao Almeida schied einer der wichtigsten Berghelfer des Slowenen schon aus. Zudem plagt sich Pavel Sivakov, ebenfalls ein Kletterer, mit einem Infekt herum.
Auch deshalb muss Politt noch mehr Verantwortung übernehmen und eben auch noch mehr Kilometer im Wind abspulen. Zudem ist er der Beschützer seines Chefs und fährt, wenn nicht an der Spitze des Feldes, dann stets an dessen Seite oder vor ihm.
Pogacar voll des Lobes für Politt
Genau diesen Dienst weiß auch sein Kapitän selbst sehr zu schätzen. „Wenn es wichtig ist, beweist Nils, dass er einer der besten Helfer der Welt ist, wenn nicht sogar der beste für diesen Job. Das zeigt er auch bei dieser Tour wieder“, sagte Pogacar über Politt.
Der Slowene schätzt seinen Edelhelfer auch wegen dessen ganz spezieller Eigenschaften. Er ist mit 1,92 Metern sehr groß und verfügt damit über einen guten Überblick über das Feld.
Zudem extrem hilfreich: Durch seinen Körperbau, seine Kraft in den Beinen und sein Zeitfahr-Talent kann er sehr lange im Wind fahren und seinem Kapitän den wertvollen Windschatten spenden. Auch deshalb sagte er über ihn liebevoll: „Nils ist unsere Giraffe.“
Und als eine Art Giraffe strampelt sich Politt Tag um Tag für Pogacar ab und dies mit einem guten Gefühl, wie er selbst sagte: „Tadej zahlt meinen Aufwand ja auch mit Siegen zurück. Die geben auch mir ein super Gefühl.“
Wird Politt bester Helfer der Tour?
Für diese anspruchsvolle Aufgabe muss Politt auch auf eigene Ambitionen verzichten. Ausreißversuche, wie in der Vergangenheit, gibt es für ihn bei der Tour de France nicht mehr. Das stellt für ihn aber kein Problem dar. Er stellt sich voll in den Dienst des Teams.
„Das ist nun mein Job. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, als ich zu Tadej Pogacar gewechselt bin“, sagte Politt, der keine eigenen Ambitionen auf individuelle Triumphe mehr hat.
Eine individuelle Auszeichnung könnte sich Politt trotzdem noch sichern, er könnte als bester Helfer der Tour ausgezeichnet werden. Der 31 Jahre alte Kölner wurde schon nach der 14. Etappe von der Jury zum besten Teamkollegen der zweiten Woche gekürt.
In Woche eins wurde noch sein Teamkollege Joao Almeida ausgezeichnet, der in der Zwischenzeit aber nach einem Sturz aussteigen musste. Auch wegen der fehlenden Konkurrenz könnte er sogar zum wertvollsten Helfer der gesamten Rundfahrt gewählt werden. Das soll seine Leistung aber nicht schmälern.
Viel wichtiger wird Politt dennoch der Gesamtsieg seines Kapitäns sein. Dafür wird er in den kommenden Etappen weiter fleißig Kilometer im Wind fressen und notfalls auch den Zorn der Konkurrenz und der Experten auf sich ziehen.