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Eine vergessene Sternstunde Deutschlands

Eine vergessene Sternstunde

Am 26. Juli 1987 sorgte Boris Becker für eines der berühmtesten Fotos der Tennis-Geschichte. Vorausgegangen war ein Davis-Cup-Duell, das seinesgleichen sucht.
Boris Becker gibt Einblicke in die Einschränkungen seines Privatlebens durch seine Berühmtheit.
Am 26. Juli 1987 sorgte Boris Becker für eines der berühmtesten Fotos der Tennis-Geschichte. Vorausgegangen war ein Davis-Cup-Duell, das seinesgleichen sucht.

Boris Becker hüpfte vor Freude, warf seinen Schläger in die Luft und fiel Davis-Cup-Kapitän Niki Pilic jubelnd in die Arme.

Nachdem Tim Mayotte einen Volley ins Netz geschlagen hatte, stand fest: Deutschland hat im Duell zweier Tennis-Nationen gegen die USA den Abstieg aus der Weltgruppe vermieden.

Heute vor 38 Jahren hatte am Ende nicht nur Becker das Match gegen Mayotte mit 3:2 nach Sätzen gewonnen, sondern auch das DTB-Team mit 3:2-Siegen gegen die gastgebenden US-Amerikaner.

Doch bevor es so weit war, mussten Becker, das deutsche Team und die Fans zu Hause an den Bildschirmen eine nervenaufreibende Achterbahnfahrt durchleiden.

Dabei startete der Leimener stark ins Spiel, gewann sowohl den ersten als auch den zweiten Satz (6:2 und 6:3). Dann aber kam Mayotte, angefeuert von 16.000 Zuschauern im Hexenkessel Civic Center in Hartford, zurück und holte sich die beiden folgenden Sätze (7:5 und 6:4).

Im fünften Satz liegen die Nerven blank

Im fünften und entscheidenden Satz lagen dann bei allen Beteiligten die Nerven blank, was eine Szene besonders unterstreicht: Als Becker einen Ball offensichtlich achtlos über seine Schulter warf, der im Schoß von Mayottes Teamkollegen John McEnroe landete, versuchte der, Becker abzuwerfen. Der Deutsche wiederum geriet anschließend mit US-Kapitän Tom Gorman aneinander.

Becker behielt aber letztendlich die Nerven, gewann den fünften Satz mit 6:2 und sorgte nach seinen spontanen Freudensprüngen für ein Foto, das um die Welt gehen sollte.

Er schnappte sich von einem Mann im Publikum eine riesige Deutschland-Fahne und lief mit ihr eine Ehrenrunde um den Court im Civic Center. Dass er sich für diese symbolträchtige Geste entschieden hatte, lag sicherlich an der Vorgeschichte dieses Duells.

Es war schließlich keine zwei Tage her, da lieferte sich Becker bereits gegen McEnroe ein Match für die Ewigkeit, das als „Schlacht von Hartford“ in die Tennis-Geschichte einging.

McEnroe wird für Kracher extra reaktiviert

McEnroe, der knapp drei Jahre nicht mehr für sein Land angetreten war, wurde für das Duell extra reaktiviert. Auf der anderen Seite stand mit Becker ein Spieler, der nach seinem kometenhaften Aufstieg zwei Jahre zuvor seine erste sportliche Krise erlebte.

Als Titelverteidiger schied der damals 19-Jährige in Wimbledon völlig überraschend in Runde zwei gegen den australischen Nobody Peter Doohan aus - jetzt sollte er sein Team praktisch im Alleingang in der Weltgruppe halten.

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Dabei war es natürlich von Vorteil, dass Eric Jelen im ersten Spiel des Tages schon überraschend den weitaus höher eingeschätzten Tim Mayotte in fünf Sätzen besiegen konnte und Deutschland damit mit 1:0 in Führung brachte.

Partie wird zur Nervenschlacht

Was sich danach aber abspielte, war mehr, viel mehr als nur ein Tennis-Match. Vor 16.000 elektrisierten Zuschauern, die McEnroe frenetisch anfeuerten, entwickelte sich ein unerbittlicher Fight um jeden Punkt.

Garniert mit Feindseligkeiten, die hauptsächlich vom US-Amerikaner ausgingen. McEnroe beschimpfte nicht nur seinen deutschen Gegner, sondern legte sich auch mit dem französischen Stuhlschiedsrichter Claude Richard und den Linienrichtern an.

Es entwickelte sich ein Kampf, der zur Schlacht wurde. Becker, der die verbalen Attacken seines Gegners immer häufiger auch konterte, sprach nach dem Match von „Krieg“.

Ein „Krieg”, den der Deutsche nach 6:21 Stunden mit 4:6, 15:13, 8:10, 6:2, 6:2 gewann. Es war das bis dato zweitlängste Match der Davis-Cup-Geschichte - mit einem Ergebnis, das nach der Einführung des Tiebreaks in dem traditionsreichen Wettbewerb heute gar nicht mehr möglich wäre.

Fünf Stunden für drei Sätze

Die Kurzversion des Dramas: Nachdem McEnroe den ersten Satz gewinnen konnte, konterte Becker im zweiten Durchgang, ehe McEnroe erneut in Führung ging. Die ersten drei Sätze dauerten länger als fünf Stunden!

Anschließend war McEnroes Widerstand aber gebrochen, die letzten beiden Sätze gingen klar an Becker. Der wandte sich nach dem verwandelten Matchball - ein Rückhand-Volley - noch am Netz an seinen Gegner: „Ganz gleich, was auf dem Platz passiert ist, es hat Spaß gemacht, gegen dich zu spielen.“

McEnroe erwiderte später bei der Pressekonferenz: „Ich hatte nicht mehr viel übrig. Ich habe alles gegeben, was ich konnte. Es war schön, Teil eines großen Matches gewesen zu sein. Ich wünschte nur, das Ergebnis wäre anders.“

Becker sprach indes vom „größten Match, das ich je gespielt habe“ - und stichelte noch ein letztes Mal in Richtung seines Gegners: „Ich bewundere ihn als Tennisspieler, aber er tut mir als Mensch leid. Er wird genau wissen, warum.“

Der Sieg bedeutete das 2:0 für Deutschland. Der Rest ist Tennis-Geschichte.