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Tod einer schillernden Tennis-Ikone

Tod einer schillernden Tennis-Ikone

Nicola Pietrangeli verstirbt im Alter von 92 Jahren und hinterlässt die Tennis-Welt in tiefer Trauer. Italiens erster Grand-Slam-Sieger führte ein wildes Leben zwischen sportlichen Erfolgen und streitbaren Eskapaden.
Welche Tennis-Stars haben die meisten Grand-Slam-Titel in der Geschichte ihres Sports gesammelt? SPORT1 zeigt die erfolgreichsten Tennis-Spieler bei den großen Turnieren.
Nicola Pietrangeli verstirbt im Alter von 92 Jahren und hinterlässt die Tennis-Welt in tiefer Trauer. Italiens erster Grand-Slam-Sieger führte ein wildes Leben zwischen sportlichen Erfolgen und streitbaren Eskapaden.

Die Tennis-Welt trauert um eine der größten und zugleich streitbarsten Ikonen der Historie des Sports. Im Alter von 92 Jahren ist der erste italienische Grand-Slam-Sieger Nicola Pietrangeli in Rom verstorben. Das gab der Verband am Montag bekannt.

Der Sport verliert damit eine Legende mit einer äußerst bewegten Vita.

Pietrangeli: Die Erfolge von Italiens Vater der Tennisbewegung

Als Sohn eines italienischen Vaters und einer russischen Mutter wurde Pietrangeli am 11. September 1933 in Tunesien geboren und wuchs in Rom auf. Dort hatte er zunächst eine enge Bindung zum Fußball und spielte in der Jugendmannschaft von Lazio Rom.

Geprägt von Krieg und Vertreibung erinnerte sich der Italiener in seiner 2023 erschienenen Autobiografie „Se piove rimandiamo“ („Wenn es regnet, verschieben wir es“) an seine Kindheit und erklärte: „Ich war noch nicht einmal zehn Jahre alt. Ich war großartig darin, Kampfflugzeuge allein anhand ihres Geräusches zu zählen.“

Schon im Alter von 18 Jahren gelang Pietrangeli der Durchbruch im Tennis. Er gewann die italienische Jugendmeisterschaft und blieb für mehr als 20 Jahre die Nummer eins in seiner Heimat. Er galt als der beste Tennisspieler in der Geschichte seines Landes - vor dem Aufstieg von Jannik Sinner.

Doch es war Pietrangeli, der Italien durch sein unglaubliches Können überhaupt erst auf der Landkarte des Tennis etablierte. Er verdiente sich vom Verband den Titel „Vater unserer Tennisbewegung“.

Zunächst ohne professionelles Coaching erlernte Pietrangeli vor allem eine gefürchtete Rückhand, die als eine der besten seiner Zeit beschrieben wurde und ihm Vergleiche mit Größen wie Rod Laver oder Roy Emerson einbrachten. Die italienische Presse nannte das legendäre Rückhandspiel zudem „Il rovescio di Dio“ (Deutsch: Die Rückhand Gottes).

Aufgrund dieser Fähigkeiten gewann Pietrangeli 1959 und 1960 zweimal die French Open und erreichte dort zwei weitere Male das Finale. 1960 erreichte er auch das Halbfinale von Wimbledon.

Nachdem Pietrangeli 1986 in die Tennis Hall of Fame aufgenommen wurde, erhielt er im Jahr 2006 eine weitere besondere Ehre. Das Italienische Olympische Komitee entschied auf Antrag des italienischen Tennisverbands (FIT), das alte Tennisstadion im Foro Italico in Rom zu seinen Ehren umbenennen zu lassen. Er ist einer der wenigen Tennisspieler, denen diese Ehre noch zu Lebzeiten zuteilwurde.

Tennis-Ikone spielt sich für 150 Dollar die Füße wund

Ein Spiel bleibt vielen Tennis-Fans jedoch besonders im Gedächtnis, wenn man auf die Karriere des Italieners zurückblickt. Bei seinem zweiten French-Open-Sieg 1960 drängte der Chilene Luis Ayala seinen Kontrahenten bis an dessen körperliches Limit.

Nach zahlreichen Sprints in den ersten drei Sätzen des Finals zog sich Pietrangeli in einer Spielpause in die Kabine zurück und blickte auf seine blutroten Socken. Die Haut an seinen Füßen war stark abgeblättert und aufgerieben, trotzdem quälte sich der Italiener zum erneuten Turniersieg.

Sein Preisgeld: 150 Dollar, wie er sich später an die Zeit vor der Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports erinnerte.

Neben seinen Grand-Slam-Erfolgen verewigte sich Pietrangeli außerdem in den Geschichtsbüchern des Davis Cups. Mit 120 Siegen im Einzel und Doppel und 66 Teilnahmen ist er Rekordspieler seines Landes. 1960 und 1961 führte er Italien ins Endspiel, dort unterlag man jedoch zweimal der damaligen Großmacht Australien.

Erst 1976 konnte Pietrangeli den Davis Cup als Teamchef gewinnen. Wie die Dokuserie „Una Squadra” (Ein Team) auf Netflix offenbarte, brodelte es jedoch hinter den Kulissen.

Pietrangeli geriet mit Adriano Panatta, dem damaligen besten Spieler Italiens, wegen Führungs- und Strategiefragen aneinander. Zwei Jahre später wurde er als Kapitän abgesetzt, ein bitteres Ende seiner Beteiligung am Davis Cup.

Fehlte Pietrangeli die Professionalität? „Ich hätte viel weniger Spaß gehabt“

Es war jedoch nur ein Kapitel im Leben von Pietrangeli, das seine teils streitbare Persönlichkeit andeutete. Der Tennis-Star verkehrte in seinem Privatleben mit zahlreichen Prominenten und wurde oft als Frauenheld bezeichnet. Ein Etikett, das Pietrangeli stets zurückwies. „Das wurde mir angehängt“, sagte er einmal.

15 Jahre lang war Pietrangeli mit dem Model Susanna Artero verheiratet, aus der Ehe gingen drei Söhne hervor. Danach hatte er eine siebenjährige Beziehung mit Licia Colò, einer bekannten Fernsehmoderatorin. Über sie und zwei weitere wichtige Frauen in seinem Leben sagte er: „Ich habe sie alle geliebt. Und alle vier haben mich verlassen (...) Ich nehme an, ich habe es verdient.“

In seiner Karriere wurde dem Tennis-Ass immer wieder nachgesagt, er habe das Vergnügen über die Disziplin gestellt und somit sein volles Talent nie ausgeschöpft.

So sagte der italienische Sportkommentator Rino Tommasi dem Magazin A Million Steps: „Obwohl ich Nicola Pietrangeli schon immer gekannt habe, habe ich ihn nie gefragt, ob er es irgendwann bereut hat, nicht seine ganze Aufmerksamkeit und Energie dem Tennis gewidmet zu haben. Ich habe nie gefragt, weil ich die Antwort kannte: Nicola konnte nicht anders leben, er hätte niemals zu einer Party, einem Abendessen oder einer Frau Nein gesagt, um ein besseres Spiel zu spielen.“

Auch Pietrangeli bestätigte dies laut der Zeitung Corriere della Sera und erklärte während der Präsentation der Dokumentation Nicola vs Pietrangeli im Jahr 2024: „Ich höre oft Leute sagen: ‚Wenn du mehr trainiert hättest, hättest du mehr gewonnen.‘ Das stimmt, aber ich hätte viel weniger Spaß gehabt.“

Pietrangeli nimmt Sinner ins Kreuzfeuer

In den vergangenen Jahren fiel Pietrangeli öffentlich vermehrt durch die Kritik an der neuen Generation im Tennis und speziell an Superstar Sinner auf. So kritisierte er nach der Absage von Sinner für den Davis Cup bei der Nachrichtenagentur Ansa: „Das ist ein riesiger Schlag ins Gesicht für den italienischen Sport. Ich verstehe nicht, wenn er von schwierigen Entscheidungen spricht. Er muss Tennis spielen, nicht Krieg führen.“

Während Pietrangeli oft Eifersucht unterstellt wurde, wehrte er sich öffentlich und sagte: „Ich bin nicht neidisch auf Jannik, wie jemand geschrieben hat, ich wünsche ihm, dass er alle meine Rekorde bricht, und ich bin sicher, dass er das schaffen wird. Er muss auf Verletzungen achten, aber wenn er gesund bleibt, wird er noch mehr große Erfolge erzielen. Der einzige Rekord, den er mir nicht abnehmen kann, ist der der Teilnahmen und Siege im Davis Cup, auch weil heute viel weniger Spiele in diesem Wettbewerb ausgetragen werden.“

Bis zu seinem Tod war Pietrangeli stets eine beliebte, wenn auch nicht unumstrittene Persönlichkeit, deren Wort in Italien stets Gewicht hatte. Über die genaue Todesursache gibt es keine Auskünfte, allerdings litt er seit einem Hüftbruch im Dezember 2024 an gesundheitlichen Problemen. Innerhalb von einem Jahr musste Pietrangeli auch den Tod seiner Ex-Frau Susanna und dem seines Sohns Giorgio verkraften. Der ehemalige Spitzen-Surfer verstarb im Sommer 2025 im Alter von 59 Jahren an einem Hirntumor - ungefähr ein halbes Jahr vor seinem berühmten Papa.