Es ist schon eine Weile her, dass der junge Ben Shelton seinen bislang größten Auftritt hatte - und nicht nur sportlich in Erinnerung blieb.
Rächt er sich für Djokovic' Häme?
Mit einem Sieg über seinen US-Landsmann Frances Tiafoe war Shelton 2023 ins Halbfinale der US Open eingezogen und präsentierte der (Tennis-)Welt dann eine einfallsreiche Jubelgeste: Er imitierte mit seiner Hand einen Telefonhörer, in den er erst sprach und dann auf eine imaginäre Station knallen ließ.

Ich bin jetzt eingewählt - im Turnier, in der Tennis-Weltspitze - sollte die Geste ausdrücken, wie Shelton später erklärte. Sie blieb auch deshalb in Erinnerung, weil Branchenprimus Novak Djokovic sie aufgriff, nachdem er Shelton in Flushing Meadows die Grenzen aufzeigte: Mit einem ungefährdeten Dreisatz-Erfolg über Shelton zog Djokovic ins Finale ein, kopierte hämisch die Jubelgeste des jungen US-Amerikaners, bevor er zwei Tage später gegen Daniil Medvedev seinen 24. - und bis dato letzten Grand-Slam-Titel - einfuhr.
Nun steht der mittlerweile 22 Jahre alte Shelton bei den Australian Open wieder in einem Major-Halbfinale - und kann sich dort womöglich die Gelegenheit zur Revanche erspielen.
Ben Shelton: Der lang ersehnte, neue US-Superstar?
Der 1,93 Meter große Shelton aus der US-Metropole Atlanta gilt schon seit Jahren als jemand, der den Tennissport über Jahrzehnte hinweg prägen kann, wenn nicht muss.
Seit 2022 dauerhaft auf der ATP-Tour dabei, hat „Big Ben“ schon einige Ausrufezeichen gesetzt: Im Oktober 2023 gelang ihm der Durchbruch und er feierte in Tokio seinen ersten größeren Titel, beim Sandplatz-Turnier in Houston ließ er im April des darauffolgenden Jahres einen weiteren folgen und stieg zum jüngsten Champion der Geschichte des Turniers nach Andy Roddick auf.
Shelton ist die große Zukunftshoffnung der USA, die einst über Jahrzehnte das Maß der Dinge im Herren-Tennis war: Jimmy Connors, John McEnroe, Jim Courier, Pete Sampras, Andre Agassi, Andy Roddick - die Liste ist lang.
Seit 2003 - dem letzten großen Jahr von Agassi und Roddick und dem Jahr nach Sheltons Geburt - wartet die einstige Großmacht nun allerdings auf eine Nummer 1 und/oder einen Grand-Slam-Triumph. Mehr noch als der fünf Jahre ältere Taylor Fritz verkörpert inzwischen Jungstar Shelton den 22 Jahre alten Erlösungswunsch.
2024 stockte die Entwicklung etwas
Seit dem doppelten Telefonhörer in New York 2023 stockte Shelton etwas, er wurde der enormen Erwartungshaltung um seine Person nicht immer gerecht. In jedem Major-Turnier 2024 war spätestens nach dem Achtelfinale Schluss.
In Melbourne präsentiert Shelton sich nun wieder in der Form, in der er bei seinem Heim-Grand-Slam 2023 für Furore sorgte - und facht damit die nicht nur in den USA gehegte Hoffnung nach einem neuen Superstar „made in America“ nochmal neu an.
Shelton bringt so gut wie alles mit, was das Fanherz begehrt: Er hat Aufschlagstärke, Vielseitigkeit und Spielwitz - und ein Showman mit Unterhaltungstalent und Humor.
Gelingt gegen Sinner der nächste Schritt?
Sheltons sportliche Qualitäten sind nun allerdings mehr denn je gefragt, denn er trifft im Halbfinale nun auf die Nummer eins der Welt: keinen Geringeren als Jannik Sinner. Der Italiener konnte das Turnier bereits im Vorjahr gewinnen und gilt auch dieses Jahr wieder als der große Favorit.
Nur eines von fünf Matches konnte Shelton bisher gegen Sinner gewinnen. Sollte der Hüne aber das Unmögliche möglich machen, zieht er in sein erstes Major-Finale ein.

Dort könnte er auf Alexander Zverev treffen, der sich ebenfalls seinen ersten Grand-Slam-Titel herbeisehnt. Dafür müsste Zverev allerdings Djokovic schlagen, was dem Deutschen auf Major-Ebene noch nie gelang.
Sollte es tatsächlich zum Duell mit Djokovic kommen, steht dem nächsten Kapitel der Telefonjubel-Saga nichts mehr im Wege. Und wer im Jahr 2025 wem den Hörer auflegt, wird sich zeigen.