Es wirft einmal mehr ein beschämendes Schlaglicht auf die NFL und deren Protagonisten in herausragender Position - und auch auf die Realität im Umgang mit Rassismus und Diskriminierung jedweder Art.
Dieses Problem macht die NFL hilflos
Auch wenn Jon Gruden nun wegen übler Beleidigungen als Headcoach der Las Vegas Raiders zurückgetreten ist und neue Enthüllungen frauen- und schwulenfeindlicher E-Mails durch die New York Times zu seinem Aus geführt haben, nachdem dem Head Coach bereits rassistische Äußerungen vorgeworfen worden waren.
Die Aufarbeitung des kaum zu glaubenden E-Mail-Skandals dürfte sich nachhaltig und schwierig gestalten, was weitere Verantwortlichkeiten wie Rechenschaften angeht.
Vor allem, dass Gruden über einen derart langen Zeitraum, der vor zehn Jahren seinen Anfang nahm, vermeintlich unentdeckt, vor allem aber unbelangt seine kruden Ansichten verbreiten konnte, lässt Fragen aufkommen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NFL)
Raiders: Gruden fällt seit Jahren unangenehm auf
Warum hat niemand früher Alarm geschlagen, wie konnte der 58-Jährige in einem mannigfaltig kommunizierten Geflecht aus sexistisch und rassistisch verunglimpfender Sprache folgenlos so viele Menschen herabwürdigen?
Wie aus dem am Montagabend veröffentlichten Bericht der New York Times hervorgeht, war Gruden zwischen 2011 bis 2018 immer wieder auffällig geworden, hatte dabei unter anderem NFL-Commissioner Roger Goodell als „Schwuchtel“ und „Pussy“ bezeichnet. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der NFL)
Entsprechend reagierte Emmanuel Acho nun auf das Aus des Coachs: „Jon Gruden musste sofort gehen. In unserer Gesellschaft ist kein Raum für Hass und Sprache dieser Art. Und nicht eine Person sollte dieses überfällige Vorgehen nun in Zweifel ziehen - das nennt man Rechenschaftspflicht.“
Der frühere Linebackers der Cleveland Browns und Philadelphia Eagles fügte auf Twitter an, es sei „zwingend notwendig, Minderheiten als Stimmen und Gesichter in Machtpositionen in der Gesellschaft zu haben, damit keine so wuchernde Ignoranz herumläuft.“
Raiders-Besitzer mit knapper Stellungnahme
Achos Worte wirken umso mehr, da die Raiders auf Instagram in Person von Franchise-Besitzer Mark Davies nur knapp Stellung bezogen („Ich akzeptiere Jon Grudens Rücktritt als Head Coach der Las Vegas Raiders.“).
Wirkliche Worte des Bedauerns beziehungsweise eine Verurteilung von Grudens Verhalten blieb der Team-Owner dabei schuldig .
Auch Shannon Sharpe äußerte sein Unverständnis darüber, dass dem Treiben von Gruden, der vor seiner zweiten Zeit bei den Raiders ab Sommer 2018 bei den Tampa Bay Buccaneers (2002–2008) gewirkt hatte, nicht schon längst Einhalt geboten wurde.
Gruden habe „nicht einen schlechten Moment“ allein gehabt, schrieb der ehemalige Tight End der Denver Broncos und Baltimore Ravens, sondern eine mehrjährige „Geschichte mit schlechten Momenten. Besitzer Marc Davis hat das Richtige getan (...). Welche ehemaligen und aktuellen Spieler, Trainer und Kollegen werden sich für die verunglimpften Gruppen einsetzen?!“
Gruden hat Spitznamen „Chucky“
Viele Fans sehen die NFL einmal mehr hochgradig beschädigt. Die Rede ist oftmals von einer toxischen Kultur, welches Bild das veröffentliche State Grudens ihrer Meinung nach nur bestätigt.
Dieser hatte dabei relativiert: „Ich liebe die Raiders. Ich will keine Belastung für das Team darstellen. Ich danke allen Spielern, Trainern und den Fans der Raiders. Ich wollte nie jemanden verletzten.“ (DATEN: Alle Tabellen der NFL)
Floskeln, die schon Standard geworden sind für Skandale wie diesen und wenig aufrichtig klingen - insbesondere bei dem wortgewaltigen Gruden, der in Anlehnung an die gleichnamige Film-Mörderpuppe den Spitznamen „Chucky“ trägt.
- Entdecke die Welt der SPORT1-Podcasts auf podcast.sport1.de, in der SPORT1 App sowie auf den gängigen Streaming-Plattformen Spotify, Apple Podcasts, Google Podcast, Amazon Music, Deezer und Podigee abrufbar
Gruden: Immer wieder homophobe Äußerungen
Dabei hatte Gruden in seinen Äußerungen immer wieder durchblicken lassen, welch Geistes Kind er doch ist.
In einer E-Mail an den Präsidenten des Washington Football Teams, die aus dem Juli 2011 datiert, beschrieb er beispielsweise DeMaruc Smith, Executive Director der Spielergewerkschaft NFLPA, mit „Lippen von der Größe von Michelin-Reifen“.
Darüber hinaus hatte er NFL-Commissioner Roger Goodell als „Schwuchtel“ und „Pussy“ bezeichnet, hatte Nackt-Bilder von Frauen verschickt, darunter auch zwei Cheerleader des Football-Teams Washingtons.
Die NFL verurteilte diese und andere Äußerungen zwar als „entsetzlich, abscheulich und komplett im Widerspruch zu den eigenen Werten“.
Allein: In welcher Form nun Konsequenzen einen Wertewandel zu forcieren vermögen, bleibt nebulös.
Welche Schritte unternimmt die NFL nun?
Zumal Gruden rein fachlich als Institution galt, an der zu kratzen sich offenbar auch die Medien lange nicht trauten.
Für den TV-Sender ESPN hatte der Coach unter anderem das „Monday Night Football“-Spiel kommentiert (2009 bis 2018), die Buccaneers 2003 zum Sieg im Super Bowl geführt - gegen die Raiders.
Und auch noch am vergangenen Wochenende hatte Gruden sich zunächst rausreden können und betont, dass er selbstverständlich keinerlei „Züge von Rassismus“ in sich trage.
Dass sein jetziger Rücktritt - wohlgemerkt kein Rauswurf - ernsthafte Folgen im Kampf gegen Diskriminierung bedingt, ist illusorisch.
Dieses Problem macht die NFL hilflos
Rod Graves erklärte unlängst indes, dass Grudens Äußerungen bezeichnend für den immer noch vorhandenen Rassismus im Profisport seien und Minderheiten bis heute gegen Vorurteile ankämpfen müssen.
„Wann wird das enden?“, fragte der Geschäftsführer der Fritz Pollard Alliance, eine Initiative, die sich für die Einstellung von Minderheiten in der NFL einsetzt.
Eine Antwort darauf wirkt meilenweit entfernt, die Liga hilfloser denn je - auch wenn mit dem Ex-Coach der Raiders einer der größten Rassisten zunächst von der Bildfläche verschwunden ist.
Das Grundübel bleibt.