David Bada erfüllte sich seinen großen Traum. Der Defensive Liner schaffte den Sprung in die NFL und stand sogar in der regulären Saison auf dem Spielfeld. Allerdings wurde der gebürtige Münchner immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen.
David Bada im Interview: "Ich war geschockt und ging sprachlos aus dem Büro"
„Das war ein unglaublicher Moment“
Im November gab Bada sein Karriereende bekannt. „Ich werde mit meiner aktiven Football-Karriere aufhören“, sagte Bada in seinem Abschiedsvideo und fügte hinzu: „Im Herzen ist es nie vorbei. Football ist und bleibt mein Lebensmittelpunkt.“
Als Experte bei DAZN verfolgt er jedoch weiterhin die NFL. Im exklusiven Interview mit SPORT1 gewährt er Einblicke in das Leben eines NFL-Profis.
„Das lässt sich kaum in Worte fassen“
SPORT1: Herr Bada, Sie haben im November Ihren Rücktritt bekanntgegeben. Fiel Ihnen diese Entscheidung schwer?
David Bada: Natürlich war das nicht leicht. Football war über zehn Jahre lang ein großer Teil meines Lebens und hat es komplett verändert. Der Sport hat mir so viel gegeben – das lässt sich kaum in Worte fassen. Es fällt mir also schon ein bisschen schwer, loszulassen. Gleichzeitig war es aber wohl der richtige Zeitpunkt: Ich hatte viele Verletzungen, und jedes Training hat gezeigt, dass ich nicht mehr ganz der Alte bin. Ich bin jetzt 30 Jahre alt – irgendwann zwingt dich der Körper zum Aufhören.
SPORT1: Im ersten Preseason-Spiel der Saison 2025, als Sie bei den Detroit Lions unter Vertrag standen, haben Sie sich die Achillessehne gerissen. War diese Verletzung ausschlaggebend für Ihr Karriereende?
Bada: Nicht direkt. Natürlich dachte ich nach der Verletzung sofort: „Ich habe keine Lust mehr, ich will nur noch nach Hause.“ Nach der Operation habe ich mir aber gesagt: Ich probiere es noch einmal, trainiere, und im schlimmsten Fall werde ich „nur“ gesund genug für ein normales Leben. Wenn sich dann ein Team meldet, könnte ich es noch einmal versuchen.
Letzte NFL-Chance für Bada? „Gab Kontakt zu Bears und Bills“
SPORT1: Haben sich denn noch Teams bei Ihnen gemeldet?
Bada: Ja. Mein Agent stand mit einigen Teams in Kontakt – unter anderem mit den Chicago Bears und den Buffalo Bills. Es gab ernsthafte Überlegungen, mich zu einem Probetraining einzuladen. Aber es ergab sich nichts Konkretes mehr, und als die Saison begann, verlief das Ganze im Sande.
SPORT1: Wie gut ist ein NFL-Spieler sozial abgesichert, wenn er mehrere Jahre aktiv war und dann verletzt ist bzw. aufhört?
Bada: In der NFL gilt: Man braucht mindestens drei Jahre und drei Spiele, bei denen man entweder im aktiven Kader steht oder auf der Verletztenliste ist. Ich war zweimal verletzt, einmal aktiv im Kader und zusätzlich Trainingsspieler – das ergab bei mir vier Seasons. Damit bekomme ich ab 55 eine NFL-Rente. Die Summe kenne ich nicht genau, aber sie ist durchaus solide. In Deutschland wäre das deutlich geringer. Deshalb ist es für jeden NFL-Spieler das Ziel, diese drei Jahre und drei Spiele zu schaffen, um eine Grundsicherung zu haben. Ich war außerdem immer sparsam, wusste, dass ich keine 20 Jahre spielen werde, und habe mein Geld klug angelegt. Ich brauche keine Luxusautos oder Schmuck – wir haben ein Familienauto, das reicht.
Bada: „Ich habe mich in den Sport verliebt“
SPORT1: Lassen Sie uns über Ihre Karriere sprechen: Wie entstand Ihr Interesse am American Football?
Bada: Das kam durch den Super Bowl. Ich habe den oft mit Freunden geschaut – Chicken Wings, Popcorn, alles, was dazugehört. Wir haben das richtig amerikanisch gefeiert. Ein Kumpel hat dann angefangen zu spielen und meinte: „Komm mit!“ Wir sind gemeinsam hin, er verletzte sich früh, aber ich blieb dabei und habe mich in den Sport verliebt. Schon beim ersten Training war mir klar: Das ist meins. Körperlich, intensiv, Teamgeist – du kämpfst füreinander. Das hat mich bis heute geprägt.
SPORT1: Wann wurde die NFL zu einem konkreten Ziel für Sie?
Bada: Das wurde konkreter, als ich in Ingolstadt spielte und vom NFL International Pathway Program kontaktiert wurde. Anfangs hielt ich das für einen Scherz – eine britische Nummer, ich dachte, Spam! Doch dann wurde es ernst: Ich durfte ein Jahr später nach Florida, um mit NFL-Coaches zu trainieren. Da wurde mir klar: Ich habe wirklich eine Chance.
SPORT1: Sie gelangten über das International Player Pathway Program in die NFL. Können Sie einmal beschreiben, wie genau dieses Programm funktioniert?
Bada: Das Programm richtet sich an Spieler, die außerhalb der USA geboren oder aufgewachsen sind. Etwa 10 bis 15 Teilnehmer werden ausgewählt und mehrere Monate in den USA von NFL-Coaches trainiert. Ziel ist es, das Spielverständnis auf NFL-Niveau zu bringen. Danach werden einige dieser Spieler festen Teams zugeteilt.
„Das war ein unglaublicher Moment“
SPORT1: Im April 2020 nahmen die damaligen Washington Redskins, die heute Washington Commanders heißen, Sie unter Vertrag.
Bada: Das war mitten in der Corona-Zeit, während des NFL Drafts. Ich bekam einen Anruf: „Herzlichen Glückwunsch, du hast es geschafft.“ Kurz darauf ein Zoom-Call mit dem damaligen Head Coach Ron Rivera. Er sagte: „Hey David, how are you doing?“ Das war surreal. Ein Coach, der den Super Bowl gewonnen hat, redet mit dir, ganz normal. Das war ein unglaublicher Moment.
SPORT1: Wie schwierig war es, sich im Trainingslager an das hohe Niveau in der NFL anzupassen?
Bada: Sehr schwer. Ich musste viel nachlernen – nicht, weil Deutsche schlechter sind, sondern weil Football in den USA so eine krasse Bedeutung hat. Das Spieltempo ist enorm, das Training brutal intensiv. Anfangs hörst du nur Schreie und siehst Chaos, bis du irgendwann begreifst, was passiert. Nach etwa einem Jahr hatte ich das Gefühl, wirklich angekommen zu sein.
SPORT1: Hatten Sie das Gefühl, als Europäer von den anderen NFL-Spielern ernst genommen zu werden?
Bada: Ja, absolut. Meine Mitspieler haben das respektiert, mich eher bewundert, dass ich ohne College-Erfahrung mithalten konnte. Ich bekam viel Unterstützung, egal von Coaches oder Teamkollegen.
„Der Cut-Tag ist brutal“
SPORT1: Jedes Jahr beginnen die NFL-Teams die Saisonvorbereitung mit etwa 90 Spielern. Der aktive Kader besteht schlussendlich nur aus 53 Profis. Wie hart wird der Konkurrenzkampf um die Kaderplätze geführt?
Bada: Extrem hart. Jeder kämpft ums Überleben. Viele kommen aus schwierigen Verhältnissen, müssen ihre Familien unterstützen. Bei manchen ist die Mutter krank, die keine Krankenversicherung hat. Die kämpfen darum, dass sie die Krankenhausrechnungen bezahlen können. Bei anderen Spielern wurde vielleicht der Bruder verhaftet und die müssen die Kaution zusammenbekommen. Da steckt viel Druck dahinter. Natürlich wollte auch ich zeigen, dass ich den Platz verdient habe. Der Cut-Tag, an dem Spieler entlassen werden, ist brutal.
SPORT1: Wird mit unfairen Mitteln gearbeitet?
Bada: Ja, klar. Veteranen sagen dir manchmal absichtlich „mach langsamer“ – und im nächsten Moment nehmen sie dich voll mit, sodass du schlecht aussiehst. So läuft das Geschäft. Da fliegen manchmal auch Fäuste. Der Konkurrenzkampf in der NFL ist ein hartes Pflaster.
SPORT1: Sie verbrachten fast drei komplette Spielzeiten im Practice Squad. Bedeutet: Sie haben mit der Mannschaft trainiert, durften aber nicht spielen. Wie schwierig ist es unter diesen Voraussetzungen, sich immer wieder zu motivieren?
Bada: Für mich war das kein Problem. Ich durfte ab dem zweiten Jahr bei allen Spielen dabei sein, bin mitgereist, hatte mein Hotelzimmer, saß im Bus. Mein Helm und mein Pad hatte ich immer dabei – nur das Jersey mit meinem Namen fehlte. Mich motivierte der Gedanke, dass eines Tages mein Trikot bereitliegen wird.
SPORT1: Welche Mitspieler bei den Washington Commanders haben Sie besonders beeindruckt?
Bada: Viele. Brandon Scherff zum Beispiel – ein unglaublich starker O-Liner. Oder Chase Young, der Nummer-2-Draftpick – was der körperlich kann, ist Wahnsinn. Auch schnelle Receiver, die fast olympische Sprintzeiten laufen. Und Efe Obada, ein Londoner, der ebenfalls über das Pathway-Programm kam – er ist ein Vorbild für mich geworden, inzwischen ein enger Freund.
SPORT1: Zum Ende der Spielzeit 2022 haben Sie Ihre beiden einzigen regulären Saisonspiele in der NFL absolviert – gegen die Cleveland Browns und die Dallas Cowboys. Wie hat sich das angefühlt?
Bada: Am Tag vor dem Spiel hieß es: „Der Coach möchte dich sehen“. Das ist meistens eher ein schlechtes Zeichen – dass man zum Beispiel entlassen wird. Aber der Coach sagte zu mir: „Du spielst morgen.“ Ich war geschockt, habe kein Wort gesagt und ging sprachlos aus dem Büro. Und dann durfte ich wirklich spielen. Das erste Spiel hätte besser laufen können. Wir verloren das Spiel und hatten keine Chance mehr auf die Playoffs. Im zweiten Spiel war weniger Druck, man konnte freier aufspielen. Das Spiel lief gut und wir gewannen gegen die Cowboys.
Ankunft in Lederhose? „Das war meine Idee“
SPORT1: Bei Ihrem ersten NFL-Spiel erschienen Sie in Tracht und Lederhosen zum Spiel. Wie kam es zu diesem besonderen Outfit?
Bada: Das war meine Idee. Ich hatte mir geschworen: Wenn ich je in der NFL spiele, reise ich in Lederhose an – als Zeichen meiner Herkunft. Man kann den Jungen aus München holen, aber München nicht aus dem Jungen.
SPORT1: Im Zuge der Trennung von Head Coach Ron Rivera im Frühjahr 2024 wurden auch Sie von den Commanders entlassen. Gab es da einen Zusammenhang?
Bada: Ja, ich glaube, wäre er geblieben, wäre ich auch geblieben. Aber nach drei schwachen Jahren war klar, dass ein Trainerwechsel kommt. Ein neuer Coach bringt sein eigenes Personal mit. Wir haben uns im Guten verabschiedet. Es war eine schöne Zeit.
SPORT1: Wie schwierig war es, ein neues Team zu finden?
Bada: Schwierig. Ich hatte eine Trizepsverletzung, Teams wollten wissen, ob der Arm wieder okay ist. Ich war ehrlich und habe geantwortet: „Nicht zu 100 Prozent.“ Es hätte keinen Sinn ergeben, zu lügen. Das hat viele abgeschreckt.
SPORT1: Ihre Dienstzeit bei den Detroit Lions war kurz. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Bada: Sehr intensiv, auch wenn es nur rund einen Monat war. Das Trainingslager war hart – von morgens um 6 Uhr bis abends um 21 Uhr war Programm. Im ersten Preseason-Spiel habe ich mich dann leider wieder verletzt.
„Das war richtig cool“
SPORT1: Sie waren in Detroit Mannschaftskamerad von dem deutsch-amerikanischen Wide Receiver Amon-Ra St. Brown. Wie war Ihr Kontakt?
Bada: Super. Wir haben schnell Freundschaft geschlossen, viel Deutsch gesprochen – das fand er klasse. Er hat sogar Teamkollegen ein paar deutsche Wörter beigebracht. Irgendwann sagte auch Quarterback Jared Goff „Guten Morgen“, wenn er in die Facility kam. Das war richtig cool.
SPORT1: Gab es Unterschiede zwischen Washington und Detroit?
Bada: Im Großen und Ganzen läuft vieles ähnlich. Die Facility von den Lions ist etwas besser. Die Lions hatten vielleicht auch mehr dieses Sieger-Mindset, weil sie bereits im Vorjahr erfolgreich waren. Man hat gemerkt, dass sie den nächsten Schritt machen und den Super Bowl erreichen wollten.