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Das schlimmstmögliche Szenario - SPORT1

Das schlimmstmögliche Szenario

Playoff-Aus und Kreuzband-Schock - die Kansas City Chiefs sind am Boden. Nach dem Super-GAU stellt sich die Frage: War es das mit der Chiefs-Dynastie?
Nach der Niederlage gegen die Chargers verpassen die Kansas City Chiefs erstmals seit 2014 die Playoffs. Während Coach Andy Reid um den verletzten Patrick Mahomes bangt, erfährt Chris Jones erst in der PK vom endgültigen Aus.
Playoff-Aus und Kreuzband-Schock - die Kansas City Chiefs sind am Boden. Nach dem Super-GAU stellt sich die Frage: War es das mit der Chiefs-Dynastie?

Schlimmer hätte es nicht laufen können. Was sich am Sonntag vor 73.000 eingefleischten Fans im Arrowhead Stadium bei den Kansas City Chiefs abspielte, war nichts weniger als das schlimmstmögliche Szenario. Mit dem Verpassen der Playoffs war im Vorhinein zu rechnen gewesen. Darauf waren alle vorbereitet, wenngleich es nach den letzten Jahren schwer zu glauben war.

Dass sich in Quarterback Patrick Mahomes allerdings dann auch noch der wichtigste Spieler, das Gesicht der Franchise – wenn nicht sogar der gesamten Liga – folgenschwer verletzen würde, damit war nicht zu rechnen.

Seit Mahomes bei den Chiefs als Starting Quarterback angetreten war, waren nicht nur die Playoffs ein Selbstläufer. In den letzten sieben Jahren schaffte es Kansas City auch jedes Mal bis ins AFC Championship Game, das Endspiel ihrer Conference und die letzte Hürde vor dem Super Bowl. Fünfmal gewann Mahomes und führte die Chiefs in den Super Bowl, stolze dreimal streckte er danach die Vince-Lombardi-Trophäe für den Gewinner des Endspiels in die Höhe.

NFL: Eigentlich sollte es die Chiefs nicht geben

Mahomes hat gemeinsam mit Headcoach Andy Reid eine Dynastie erschaffen, wie es sie im amerikanischen Sport-System eigentlich nicht geben sollte. Schließlich zielt das ganze Franchise-Konstrukt der NFL mit ihrem Draft-System sowie dem Salary Cap darauf ab, Übermächte wie die Chiefs zu verhindern. Umso beeindruckender ist der Lauf, den Reid und Mahomes in den letzten sieben Jahren gemeinsam hingelegt haben – und der nun vorbei ist. Zumindest fürs Erste.

Bereits letzte Saison wirkten die Chiefs phasenweise anfällig und legten dennoch einen Super-Bowl-Run hin – wenngleich sie dort vollkommen unter die Räder gerieten. Was den Chiefs vor allem im Hinblick auf letzte Saison abhandenkam, ist ihre Qualität, in engen Spielen zu bestehen.

Wer knapp gewinnt, ist nicht so gut wie gedacht

Mit 17 saisonübergreifenden Siegen in Serie bei Spielen, die mit weniger als einem Touchdown Differenz entschieden werden (sog. One-Score-Games), stellten Mahomes damals sogar noch einen Rekord auf. In dieser Saison hat sich das ins komplette Gegenteil umgewandelt. In One-Score-Games hat Kansas City mit einem Sieg und sieben Niederlagen die schlechteste Bilanz aller NFL-Teams.

„Wir bringen es einfach nicht zu Ende“, zeigte sich Cornerback Jaylen Watson nach der Niederlage gegen die Chargers (13:16) deswegen niedergeschlagen. „Es sind nur ein oder zwei – oder drei – Spielzüge. Wir bringen es einfach nicht zu Ende. Das ist frustrierend.“ Was im Ergebnissport oft vergessen wird: Wer knapp verliert, ist nicht so schlecht wie es scheint – und wer knapp gewinnt, ist nicht so gut wie es scheint.

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Was allerdings auch zur Wahrheit gehört: Der gesamte Kader ist über Positionsgruppen hinweg schlichtweg nicht mehr zwingend auf dem Niveau eines unüberwindbaren Champions. Wie auch, wenn jedes Jahr 30 Teams ihren Wunschspieler im Draft vor den Chiefs auswählen dürfen? Um auf dem Level der letzten Jahre zu bleiben, hätten die Chiefs jedes Jahr perfekt draften müssen – und selbst dann wäre es aufgrund der schlechteren Draft-Position kein Selbstläufer gewesen.

NFL: Das sind die wahren Probleme der Chiefs

Hervor stechen zum einen der fehlende Pass-Rush der Defense sowie das kaum existente Rushing Game der Offense, die immerzu von Mahomes abhängig war. Zuletzt ließen in entscheidenden Situationen dann auch noch Receiver fangbare Pässe von Mahomes fallen.

Selbst der sonst so verlässliche Travis Kelce leistete sich gegen die Houston Texans folgenschwere Fehler. Zudem steuert der wohl erfolgreichste Tight End aller Zeiten und Superstar-Boyfriend von Pop-Ikone Taylor Swift auf sein Karriereende zu, ohne dass die Chiefs vielversprechenden Ersatz für den 36-Jährigen parat hätten.

Nach der schmerzhaften Niederlage gegen die Chargers wollte Kelce nicht mit den Reportern sprechen. „Tut mir leid, Leute, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt“, sagte er im Vorbeigehen. Eine Entscheidung darüber, ob diese Saison seine letzte sein werde, wolle er im März des kommenden Jahres getroffen haben.

Und erstmals seit langer Zeit müssen sich die Chiefs auch ernsthaft über die Quarterback-Position Gedanken machen. Ein Mahomes-Comeback zum Saisonstart ist zwar durchaus realistisch, allerdings kein Selbstläufer. Die Chiefs steuern auf eine Offseason mit einer Fülle an Fragezeichen und Baustellen zu, die die Franchise so nicht gewohnt ist.

„Die Chiefs müssen ihren Kader aggressiv aufwerten. Diese verlorene Saison verschafft ihnen durch eine höhere Draft-Position bessere Chancen“, schreibt The Athletic, Ableger der New York Times, in einer Analyse über die Zukunft des Teams.

Macht die Chiefs-Dynastie nur eine Pause?

„Die Chiefs müssen mutigere Schritte unternehmen“, heißt es, „um ihre derzeit unterbrochene Dynastie zumindest wieder in Gang zu bringen.“ Denn eins ist auch gewiss: Mit Spielmacher Mahomes auf Top-Level und Headcoach Reid weiterhin an der Seitenlinie sind die zwei wichtigsten Positionen innerhalb eines NFL-Teams mit einem legendären Niveau besetzt.

Die Chiefs stehen vor einer großen Aufgabe, aber keiner unmöglichen. Fürs Erste sieht es so aus, als wäre die Chiefs-Dynastie beendet – aber vielleicht macht sie auch nur eine Pause.