Über Therese Johaug gibt es den schönen Vergleich mit diesem rosa Hasen eines Batterien-Herstellers, der einfach nicht müde werden mag und immer weiter trommelt, während allen um ihn herum sich ebenso abrackernden Plüschtierchen so allmählich die Energie ausgeht.
Was will Johaug wirklich?
„Duracell-Haserl“, hatte ihre frühere Konkurrentin Teresa Stadlober aus Österreich Johaug deshalb einst treffenderweise genannt. Weil die 33-Jährige über so viele Profi-Jahre immer am längsten durchhielt, in ihrer Dominanz als Skilangläuferin nahezu nie Schwächen zeigte.
Doch nun soll es sich ausgetrommelt haben und der unnachahmliche Triumphzug der viermaligen Olympia-Siegerin, die unter anderem noch 14-mal Weltmeisterin wurde, Geschichte sein.
Als Schlussläuferin der norwegischen Mixed-Staffel fiel am vergangenen Sonntag offiziell der Vorhang im schwedischen Falun.
Wenn auch ein bisschen untypisch, denn Johaug verpasste im letzten Weltcup-Rennen ihrer Karriere als Dritte den erhofften finalen Sieg - nach dem 100. Erfolg inklusive Emotionen und Tränen tags zuvor noch im Einzel über zehn Kilometer.
„Ich glaube, die Zeit ist gekommen, dass ich jetzt andere Dinge mache, als Vollzeit auf das Langlaufen zu setzen“, sagte die Ausnahmeathletin.
Therese Johaug: „Die Zeit ist gekommen“
Angesichts ihrer mehr als eine Dekade währenden Dominanz glaubte mancher da, Erleichterung und Dankbarkeit „für alles, was der Sport mir gegeben hat“ (Johaug) herausgehört haben.
Andere auch Melancholie und das Erkennen von Irrelevanz des Sportes in diesen wirren Zeiten, nachdem Johaug anfügt hatte: „Alles fühlt sich wegen des Krieges bedeutungslos an. Ich bin mit dem Herzen beim ukrainischen Volk, das für seine Freiheit kämpft.“
Doch wie es um die Gedankenwelt der nur 1,62 Meter großen und 46 Kilogramm leichten Sportlerin wirklich bestellt ist, weiß womöglich nicht einmal sie selbst.
„Eigentlich möchte ich nicht, dass die Reise ein Ende nimmt“, hatte sie am vergangenen Freitag via Instagram ihr Karriereende angekündigt.
„Ich bin einfach so glücklich und zugleich auch so traurig, dass die Karriere jetzt beendet ist“, fügte Johaug wehmütig am Wochenende hinzu.
Die Skandinavierin klang dabei nicht völlig überzeugt wie jemand, für den sich nun ein Kreis schließt - ungeachtet der widersprechend wirkenden Aussagen zuvor im staatlichen norwegischen Fernsehen (NRK).
Was will Johaug wirklich?
Da hatte die erfolgreichste Skilangläuferin der Sportgeschichte noch erklärt: „Es ist endgültig Schluss. Es ist nun an der Zeit, sich auf ein Leben nach dem Sport zu konzentrieren.“
Womöglich wird es aber auch nur ein neues Leben im aktiven Sport - und damit mehr als das, was Johaug andeutete, als sie unlängst sagte: „Ich könnte mir durchaus eine Art Mentorenrolle vorstellen.“
Selbst Marit Bjoergen rätselt, ob Johaug nicht sogleich wieder neu durchstartet im Ausdauersport: „Sie hat mir nur verraten, dass irgendwie Schluss für sie sein wird“, erklärte die Olympiasiegerin und eine ihrer engsten Freundinnen.
Doch mitnichten legt Johaug nun die Hände in den Schoß. „Ich bin es nicht leid, an Wettkämpfen teilzunehmen, ich bin es nicht leid, zu trainieren“, sagte sie dem norwegischen Dagbladet.
Viel Skifahren - und dann die Liebe zur Leichtathletik?
Vor allem das Skifahren hat es ihr angetan, noch im März will Johaug bei einem Wettbewerb im heimatlichen Harstad starten.
Und dann wäre ja noch die große Liebe zur Leichtathletik. So hatte Johaug im Sommer 2019 unter anderem bei den nationalen Titelkämpfen spielerisch leicht die 10.000 Meter gewonnen. In 32:20,86 Minuten.
Auch mit der Teilnahme an Marathonrennen hatte sie bereits geliebäugelt.
„Nur wenige auf der Welt haben die Lungen- und Herzkapazität, die Johaug besitzt“, urteilte einst Schwedens Hochsprung-Weltrekordhalterin Kajsa Bergqvist.
Störfeuer wie die von Bundestrainer Peter Schlickenrieder aufgeworfene BMI-Debatte wegen ihres Leichtgewichts sowie der einzig dunkle Fleck in ihrem Lebenslauf schadeten dem Ansehen des Ausdauerwunders auch im Nachhinein kaum.
BMI-Debatte und Doping-Episode
Zur Erinnerung: 2017 war Johaug gesperrt worden und hatte dadurch auch Olympia in Pyeongchang verpasst, nachdem sie eine Lippencreme mit einem Inhaltsstoff benutzt hatte, der auf der Dopingliste steht. (HINTERGRUND: Größtes Wunder - oder alles Betrug?)
Der zeit ihrer Karriere immer wieder mal im Raum stehende Vorwurf, womöglich eine Betrügerin zu sein, wischte Johaug dadurch beiseite, tatsächlich eine sehr stringente Entwicklung an den Tag gelegt zu haben.
Ohne besondere Leistungsexplosionen oder Schwächephasen - und damit eben nicht wie Doping-Sünder gemeinhin.
Eine biologische Disposition, der Johaug auch Rechnung trug, indem sie stets das gesamte Rennen über volle Energie verfügte, während der Rest des Feldes sich seine Körner einteilen musste.
Dass damit nun wirklich Schluss ist, mag man in Norwegen noch immer nicht ganz glauben - und akzeptieren. Hinter den Kulissen, so heißt es, wird bereits eifrig daran gewerkelt, Johaug vom Gegenteil zu überzeugen.
Comeback-Vergleich mit NFL-Megastar Tom Brady
Zumal Johaug nun eben offenbar nicht, wie in den Medien spekuliert worden war, eine Babypause einzulegen gedenkt, sondern weiterhin sportlich bleiben möchte.
So sehr, dass am Ende gar ein Rücktritt vom Rücktritt erfolgt, mit der WM 2025 in Trondheim als größter Lockstoff für ein fulminantes Comeback? (NFL-Hammer! Brady kehrt zurück)
Der Bogen zu NFL-Megastar Tom Brady, der nur 40 Tage nach seiner Rücktritts-Ankündigung seine unvergleichliche Karriere nun doch noch einmal fortsetzt, ist schnell geschlagen.
- Entdecke die Welt der SPORT1-Podcasts auf podcast.sport1.de, in der SPORT1 App sowie auf den gängigen Streaming-Plattformen Spotify, Apple Podcasts, Google Podcast, Amazon Music, Deezer und Podigee abrufbar
Im Dagbladet reagierte Johaug auf derlei Spekulationen so: „Natürlich ist es ein Traum, aber mein Gott. Es sind noch drei Jahre. In drei Jahren kann viel passieren. Ich werde keinen Weltcup bestreiten, ohne in Form zu sein, und ich habe nicht vor, in den nächsten Jahren 1200 Stunden zu trainieren.“
Trommelt das Duracell-Häschen doch noch weiter?
Die 33-Jährige meinte aber auch: „Du solltest niemals nie sagen, wenn ich weiß und spüre, dass ich etwas will. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird.“
Das Duracell-Häschen könnte im Vollgastempo also noch eine Weile weitertrommeln.
Selbst wenn die deutsche Olympiasiegerin Katharina Hennig mit Blick auf Johaug zuletzt gehofft hatte: „Ich glaube, dass es dem Sport generell guttun wird, wenn die Rennen wieder ein wenig offener werden. Ich glaube, dass es dann spannender wird.“