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Biathlon-WM: Das bemerkenswerte Comeback von Dmytro Pidruchnyi

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Biathlon-WM: Das bemerkenswerte Comeback von Dmytro Pidruchnyi

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Ein bemerkenswertes Comeback

Bei der Biathlon-Weltmeisterschaft kehrt ein Athlet plötzlich zurück ins Rampenlicht. Zwei Top-Ten-Ergebnisse bedeuten für ihn aber weit mehr als nur sportliche Spitzenleistungen.
Dmytro Pidruchnyi glänzt bei der Biathlon-WM in Oberhof
Dmytro Pidruchnyi glänzt bei der Biathlon-WM in Oberhof
© Imago
ntrettin
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Als ein Großteil der Biathlon-Stars die Rennsteig-Arena am Sonntag längst verlassen hatte, befand sich ein auf den ersten Blick eher schüchtern wirkender Mann noch inmitten eines Interview-Marathons.

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Aus gutem Grund. Schließlich brachte dieser Athlet am ersten Wochenende der Weltmeisterschaft in Oberhof etwas Außergewöhnliches zustande. Im Sprint konnte er auf Rang fünf als Einziger in die Phalanx der Norweger um Überflieger Johannes Thingnes Bö eindringen, in der Verfolgung bestätigte er seine Form als Achter.

Und sowieso: Die bewegende Geschichte des auftrumpfenden Sportlers geht weit über die sportlichen Aspekte hinaus.

Die Rede ist von Dmytro Pidruchnyi. Seit den Olympischen Spielen in Peking hatte der Ukrainer kein Einzelrennen mehr auf höchstem Niveau bestritten. Nun war sein Name beim Sprint und der Verfolgung von Oberhof erstmals wieder auf den Startlisten zu finden. „Ich bin sehr glücklich, dass ich hier sein kann. Ist es Wahnsinn“, sagte der 31-Jährige gegenüber SPORT1 zu seinem Comeback.

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Pidruchnyi: „Ich denke jeden Tag an den Krieg“

Wahnsinn – das ist wohl die ideale Beschreibung. Denn im Prinzip grenzt es an ein Wunder auf mehreren Ebenen, dass sich Pidruchnyi in dieser Verfassung zurückgemeldet hat.

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Fast ein Jahr ist es her, dass der Beginn des russischen Angriffskrieges das Leben von Pidruchnyi und seinen Landsleuten schlagartig auf den Kopf stellte. Nach der Rückkehr aus Peking tauschte der Verfolgungs-Weltmeister von 2019 die Rennanzug gegen die Militäruniform.

Zwei Wochen nach seinem letzten Olympia-Start postete Pidruchnyi ein Bild auf Instagram, das ihn mit einem Stahlhelm während eines Luftangriffs zeigte. Gleichzeitig kämpften seine Biathlon-Kollegen im letzten Trimester der Saison 2021/22 noch um Weltcup-Punkte.

In Ternopil, der Heimatstadt des 31-Jährigen, diente er der Nationalgarde. Seine eigentlichen Konkurrenten bewegten die Geschehnisse sehr. Unzählige Sportler sind dem Krieg mittlerweile zum Opfer gefallen, darunter der Nachwuchsbiathlet Yevhen Malyshev.

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Einige Monate patrouillierte der Biathlet. Erst im Juni waren Pidruchnyi und viele andere Athleten vom Kriegsdienst befreit worden, um den Fokus wieder auf den Sport legen zu können.

Eine Verbesserung der politischen und humanitären Lage in der Ukraine ist aber nach wie vor nicht in Sicht. Und damit bleiben die Sorgen ein ständiger Begleiter im Biathlon-Alltag. „Ich denke jeden Tag an den Krieg. Einer meiner Freunde ist gerade an der Front. Jeden Tag lese ich Nachrichten über diesen Krieg. Es ist sehr hart und eine sehr schwierige Zeit für mich“, erklärte Pidruchnyi.

Pidruchnyi erhält Unterstützung aus Norwegen

Seit Kriegsbeginn sind russische und belarussische Athleten größtenteils vom Weltsport ausgeschlossen. Diskussionen über eine mögliche Rückkehr wurden allerdings zuletzt lauter. So hat sich beispielsweise Biathlon-Ikone Martin Fourcade für diesen Schritt ausgesprochen.

Pidruchnyi pocht dagegen - wenig verwunderlich - auf Konsequenz: „Der Krieg ist nicht zu Ende. Es wäre ein großer Fehler, die russischen Athleten wieder im Biathlon oder anderen Sportarten zuzulassen.“

Speziell die Norweger stehen Pidruchnyi bei, auch Seriensieger Johannes Thingnes Bö positionierte sich gegen die Aufhebung des Russland-Ausschlusses. „Sie unterstützen mich, das ist sehr wichtig“, erklärte der Ukrainer.

Ein Beweis: Die Skandinavier nahmen Pidruchnyi bei der Flower-Ceremony nach dem Sprint demonstrativ mit auf das Siegerfoto – unter all den norwegischen Athleten, Trainern und Technikern.

Dmytro Pidruchnyi feiert nach dem Sprintrennen zusammen mit den Nowegern
Dmytro Pidruchnyi feiert nach dem Sprintrennen zusammen mit den Nowegern

„Das ist ein besonderer Tag. Wir haben fünf Norweger unter den besten sechs, dazu ein Ukrainer. Wenn ich mir sechs Athleten hätte aussuchen können, wäre das die perfekte Geschichte, um der Welt zu erzählen, dass wir zusammen halten. Er ist Teil unseres Teams und wir unterstützen ihn auch“, sagte der zweitplatzierte Tarjei Bö.

Knieverletzung bremste Pidruchyni aus

Mental bleibt die Situation für Pidruchnyi nichtsdestotrotz schwierig. Und auch auf der gesundheitlichen Ebene verlief seine Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt alles andere als optimal.

Zu Saisonbeginn kehrte der Ukrainer schon einmal kurzzeitig in den Weltcup zurück. Zwar nahm er dort an keinem Einzelrennen teil, doch in der Staffel von Kontiolahti kam er zu einem Einsatz. Im Anschluss an den Finnland-Trip stoppte ihn aber eine Knieverletzung.

Aufgrund dieser musste sich der 31-Jährige noch am 8. Dezember einer Operation unterziehen. Eine WM-Teilnahme in Oberhof? Zu diesem Zeitpunkt undenkbar. (NEWS: Alles zur Biathlon-WM 2023)

Aber: Pidruchnyi ließ sich selbst von diesem Rückschlag nicht unterkriegen. Anfang Februar tauchte er aus dem Nichts beim zweitklassigen IBU-Cup in Obertilliach auf und sorgte mit Rang drei im Sprint prompt für einen Glanzmoment.

Den Podestplatz widmete er später „einem Freund, der vor ein paar Wochen gestorben ist, als er die Ukraine verteidigte“, schrieb Pidruchnyi in einem emotionalen Beitrag auf seinem Instagram-Kanal.

Lesser zollt Pidruchnyi „absoluten Respekt“

Wie Pidruchnyi mit dieser Vorgeschichte nun beim Saisonhöhepunkt in Oberhof an sein Leistungslimit gelangen kann und im Konzert der Allerbesten mitmischt, verblüfft auch Erik Lesser.

„Mir ist es persönlich unerklärlich, wie man infolge einer Knie-OP nach so kurzer Zeit wieder konkurrenzfähig sein kann. Ich finde es absolut bemerkenswert, wie er seinen Kopf zusammen hat – mit der OP und der Problematik um den Krieg zuhause. Davor habe ich einen absoluten Respekt“, erzählte der Ex-Biathlet im Gespräch mit SPORT1.

Lesser hat eine besondere Beziehung zu Pidruchnyi. Als die ukrainischen Biathleten im vergangenen Sommer ein Trainingslager in Oberhof absolvierten, kümmerte er sich um das Wohlbefinden der Gäste. Seit Kriegsbeginn ist dem 34-Jährigen die Unterstützung von Ukrainerinnen und Ukrainer ein wichtiges Anliegen. Beide trafen sich nach dem Sprintrennen am Samstag und tauschten sich kurz aus.

„Er ist natürlich extrem zufrieden und extrem glücklich, dass es so gelaufen ist“, berichtete Lesser und fügte hinzu: „Anton Dudchenko ist auch in die Top-20 gelaufen. Für das gesamte Team ist es sehr gut zu sehen, dass sich der gesamte Aufwand lohnt und man zuhause positive Nachrichten kreieren kann.“

Vor allem bei Pidruchnyi bleibe noch ein „bisschen Preisgeld hängen“, was die Ukrainer an die Familien schicken können. Am Dienstag bietet sich ihnen beim Einzelwettkampf die nächste Gelegenheit, um diese Erfolgsstory fortzuführen.

Zeitplan und Sieger der Biathlon-WM in Oberhof

Datum
Wettbewerb
Startzeiten
Mittwoch, 8. Februar
Mixed-Staffel (4x6 km) - Sieger: Norwegen
14.45 Uhr
Freitag, 10. Februar
Sprint der Frauen (7,5 km) - Siegerin: Denise Herrmann-Wick
14.30 Uhr
Samstag, 11. Februar
Sprint der Männer (10 km) - Sieger: Johannes Thingnes Bö
14.30 Uhr
Sonntag, 12. Februar
Verfolgung der Frauen (10 km) & Verfolgung der Männer (12,5 km) - Sieger: Julia Simon & Johannes Thingnes Bö
13.25 Uhr & 15.30 Uhr
Dienstag, 14. Februar
Einzel der Männer (20 km)
14.30 Uhr
Mittwoch, 15. Februar
Einzel der Frauen (15 km)
14.30 Uhr
Donnerstag, 16. Februar
Single-Mixed-Staffel (4x3 + 1,5 km)
15.10 Uhr
Samstag, 18. Februar
Staffel der Männer (4x7,5 km) & Staffel der Frauen (4x6 km)
11.45 Uhr & 15.00 Uhr
Sonntag, 29. Februar
Massenstart der Männer (15 km) & Massenstart der Frauen (12,5 km)
12.30 Uhr & 15.15 Uhr

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