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Deutschlands überraschende Biathlon-Hoffnung

Jetzt schlägt ihre Stunde

Anna Weidel ist die positive Überraschung im deutschen Biathlon-Team. Der DSV-Star hat eine schwierige Zeit hinter sich, die fast zum Rücktritt führte. Vor Olympia ist sie nun stärker denn je.
Biathletin Anna Weidel spricht am Rande des Loop One Festivals in München über ihre Saisonziele und die Tatsache, dass sie ohne Olympia vor Augen ihre Karriere vermutlich schon beendet hätte.
Anna Weidel ist die positive Überraschung im deutschen Biathlon-Team. Der DSV-Star hat eine schwierige Zeit hinter sich, die fast zum Rücktritt führte. Vor Olympia ist sie nun stärker denn je.

Kann sie im Schatten der großen Namen in diesem Winter zur großen deutschen Überraschung werden? Bei der Frage nach deutschen Medaillen-Hoffnungen im Biathlon für die Olympischen Spiele sprechen meist alle von Franziska Preuß, Selina Grotian oder Vanessa Voigt.

Doch Anna Weidel hat sich in diesem Winter still und heimlich zu einer verlässlichen Größe im deutschen Team entwickelt. Für das Podium reichte es zwar noch nicht, aber bereits dreimal schaffte die 29-Jährige den Sprung unter die Top 10 - nur Voigt schaffte das im deutschen Team ebenfalls.

Allgemein zeichnet sich Weidel in dieser Saison durch ihre Konstanz und Zuverlässigkeit aus. Das macht sie für Olympia, speziell für die deutsche Damenstaffel, zu einer extrem wichtigen Athletin. Galt sie vor der Saison eher als Außenseiterkandidatin, scheint sie inzwischen für die Spiele in Italien fast gesetzt.

Speziell die Ausrutscher nach unten hat sie in den Griff bekommen. Im Gesamtweltcup ist sie mit 167 Punkten und Rang 17 nur ganz knapp hinter Voigt die zweitbeste Deutsche. Ihren Bestwert von 224 Zählern aus der Saison 2022/23 dürfte sie in dieser Saison locker knacken, wenn es so weitergeht.

Biathlon: Weidel dachte schon ans Aufhören

Der genaue Blick auf diese Statistik zeigt, dass Weidel in den vergangenen Jahren wenig zu lachen hatte. In der Saison 2023/24 kam sie nur zweimal im Weltcup zum Einsatz und konnte nicht einen Punkte holen, in der vergangenen Saison lief es mit insgesamt 38 Punkten nur marginal besser.

Verletzungen und Krankheiten setzten Weidel immer wieder außer Gefecht. Ein Umstand, der sogar dazu führte, dass sie ernsthaft darüber nachdachte, ihre Karriere zu beenden.

„Wenn nicht jetzt Olympia anstehen würde, hätte ich relativ sicher schon aufgehört. Deshalb habe ich noch einmal alles reingelegt“, erklärte Weidel am Rande des Loop One Festivals in München vor dem Saisonstart auf SPORT1-Nachfrage.

Aktuell sieht das nach der goldrichtigen Entscheidung aus. Weidel präsentiert sich stärker denn je und kann so wohl auch eine offene Rechnung mit den Olympischen Spielen begleichen.

Weidel kämpfte mit Hass im Internet

Denn 2022 war Weidel vom DSV zwar für Olympia nominiert worden, kam aber in keinem Rennen zum Einsatz. Aber nicht nur sportlich waren die Spiele eine Enttäuschung, auch mental machte ihr das Event zu schaffen.

Rund um ihre Nominierung gab es große Diskussionen und eine anschließende Hass-Kampagne im Internet. „Ich habe viele böse Nachrichten von manchen Leuten bekommen. Das war mental eine brutale Herausforderung“, verriet Weidel vor knapp zwei Jahren im Biathlon-Podcast „Extrarunde“.

Der Wirbel um die Athletin vom WSV Kiefersfelden war entstanden, weil sie den Vorzug vor Franziska Hildebrand erhalten hatte. Während Weidel die halbe Olympia-Norm (einen Platz unter den Top 15) geschafft hatte, war Hildebrand zum Zeitpunkt der Nominierung besser in Form gewesen.

„Habe überlegt, ob ich überhaupt mitfahren soll“

Den Ärger über die umstrittene Entscheidung ließen viele an Weidel aus.

„Das Meiste habe ich ignoriert, ich musste mich da nicht rechtfertigen. Die Entscheidung wurde vom DOSB getroffen, nicht von mir. Ich habe zwischendurch sogar überlegt, ob ich überhaupt mitfahren soll. Aber es ist Olympia und ich wusste nicht, ob ich das nochmal erleben werde“, gewährte Weidel Einblick in ihre damalige Gefühlslage.

Sie habe viele Stunden mit ihrer Mutter telefoniert und viel geweint. „Dann ist bei den Rennen in Antholz (Weltcup-Station vor Olympia 2022, Anm. d. Red.) nichts gegangen und ich musste mich vor der Kamera rechtfertigen. Ich war froh, als es vorbei war“, fuhr Weidel fort.

Mit Schnellfeuer zur Olympia-Medaille?

Danach fiel sie auch sportlich lange in ein Loch, aus dem sie jetzt ausgerechnet im so besonderen Olympia-Winter wieder herausgekommen ist.

Jetzt will die gebürtige Österreicherin, die beide Staatsbürgerschaften besitzt, aber schon immer im Weltcup für Deutschland an den Start geht, bei Olympia um Medaillen laufen.

Dabei wird Weidel besonders auf ihr schnelles und erfolgreiches Schießen setzen. Die 29-Jährige gehört zu den absoluten Schnell-Schützinnen im Weltcup und braucht vom ersten bis zum letzten Schuss oft nur zwischen 20 und 25 Sekunden.

Diese Fähigkeit bringt ihr auf der Homepage des Biathlon-Weltverbandes (IBU) eine besondere Ehre ein. Sie erhielt sogenannte Badges in der Kategorie „Schnellschützin“ allgemein und speziell im Stehendschießen.

Nur zwei weitere Athletinnen können diese Auszeichnung ebenfalls in beiden Kategorien vorweisen - die Gesamtweltcupzweite Maren Kirkeeide sowie die Ex-Gesamtweltcupsiegerin Lisa Vittozzi.

Weidel steigert sich auch im Laufen

Weidel hat sich in dieser Saison zudem vor allem bei der Trefferquote im Liegendschießen gesteigert - doch auch wenn das Schießen bei ihr mehr ins Auge sticht, ist die Entwicklung im Laufen wohl der größte Grund für ihre Steigerung.

Bisher galt sie auf Weltcup-Ebene immer als eher schwache Läuferin, die viel Zeit in der Loipe verliert. In dieser Saison hat sich Weidel in dieser Teildisziplin jedoch ins Mittelfeld verbessert, was ihr mit ihrem schnellen Schießen die Möglichkeit eröffnet, um vordere Platzierungen zu kämpfen.

Das Gesamtpaket stimmt also endlich und sollte sie diese Form beibehalten, kann ein Olympia-Ticket für Weidel diesmal kaum kontrovers diskutiert werden.