Der Druck war von Anfang an voll da. Als Sohn der Ski-Legenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther sollte Felix Neureuther in große Fußstapfen treten und der Hoffnungsträger in einer so lang anhaltenden Krise des deutschen Herren-Teams werden.
Als sein Stern in Kitzbühel aufging
Zumal er bereits als 18-Jähriger sein Weltcup-Debüt feierte - am 4. Januar 2003 im Riesenslalom von Kranjska Gora.
Neureuthers Karriere stockt zunächst
Und schon bald zeigte sich: Die Vorschusslorbeeren waren alles andere als unberechtigt. Bei der Weltmeisterschaft 2003 startete der Neuling erstmals bei einem Großereignis im Slalom und verbesserte sich mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang von Rang 29 auf den 15. Platz.
Eine beachtliche Ansage von Neureuther, der damals nicht einmal sein Abitur in der Tasche hatte. Doch statt des steilen Aufstiegs nach oben stockte seine Karriere in der Folge immer wieder.
Regelmäßige Ausfälle und schwere Fahrfehler ließen viele Experten daran zweifeln, ob Neureuther jemals in der Weltspitze ankommen würde - bis zu jenem Tag, der den Knoten endgültig lösen und die Kritiker für alle Zeiten verstummen lassen sollte: Der 24. Januar 2010, heute vor 15 Jahren, als der gebürtige Pasinger den Slalom in Kitzbühel gewann.
Ausgerechnet das Rennen im Ski-Mekka schlechthin. Natürlich ein ganz besonderer Sieg, nicht nur aus familiärer Sicht.

Neureuther: „Das ist wirklich unbeschreiblich“
Neureuther lag am Ende 39 Hundertstel vor dem zweitplatzierten Franzosen Julien Lizeroux und fast eine Sekunde vor dem Italiener Giuliano Razzoli, der Dritter wurde.
“Ich bin selber fertig. Ich habe so gekämpft und war kurz vorm Aufhören. Das ist wirklich unbeschreiblich. Wenn man denkt, vor drei Wochen hieß es noch, der Junge muss um die Quali für Olympia kämpfen, und jetzt gewinne ich Kitzbühel. Was Schöneres gibt es eigentlich gar nicht“, erklärte der strahlende Sieger im anschließenden Interview.
Hochemotional wurde es auch, weil Neureuther seinen großen Moment vor den Augen seiner Eltern erlebte. Felix und Christian lagen sich bereits im Zielraum in den Armen, während Mutter Rosi, die zweimalige Olympiasiegerin von 1976, am Pistenrand beim Fan-Club ihres Sohns stand und jubelte.
„Ich habe gewusst, dass er hier gut sein wird“, erzählte Christian Neureuther, der selbst sechs Weltcup-Slalomrennen gewonnen hatte. „Der Hang hier liegt dem Felix.“
Er sollte recht behalten - vielleicht auch wegen der eigenen Vorgeschichte, die als besondere Note hinzukam: Vater Christian hatte genau 31 Jahre zuvor an gleicher Stelle in Kitzbühel gewonnen: „Dass ich das ausgerechnet in Kitzbühel schaffe, ist unfassbar. Das macht so stolz, das kann man sich nicht vorstellen“, sagte Felix deswegen mit Tränen in den Augen.
„Die Saison hatte für mich ja ganz schlecht begonnen. Ich war mental schon am Boden, habe mich aber wieder aus diesem Tief herausgekämpft.“
Neureuther setzte sich in der Weltspitze fest
„Es war ja auch höchste Zeit, dass die Deutschen mal wieder in Kitzbühel etwas gewinnen“, ergänzte Neureuther grinsend. Zuvor hatte es eine 21-jährige Durststrecke gegeben und Armin Bittner als letzter DSV-Läufer vor ihm beim Slalom in Kitzbühel ganz oben auf dem Treppchen gestanden.
Bei den folgenden Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver überraschte Neureuther dann mit Platz acht im Riesenslalom. In seiner Paradedisziplin, dem Slalom, schied er als Mitfavorit auf eine Medaille allerdings bereits im ersten Lauf aus.
Dennoch hielt ihn das nicht davon ab, sich endgültig in der Weltspitze zu etablieren. Bis zu seinem Karriereende im März 2019 erreichte Neureuther 47 Podestplätze in Einzelrennen, darunter 13 Siege - einen weiteren davon in Kitzbühel.
Nicht weniger erfolgreich schnitt er bei Weltmeisterschaften ab: 2013 holte der heutige TV-Experte Silber aus Schladming, Bronze gab es bei den Großereignissen in Beaver Creek 2015 und St. Moritz 2017.