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Umgang mit DFB-Stars bei WM: "Da bekomme ich echt Bauchschmerzen"

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Umgang mit DFB-Stars bei WM: "Da bekomme ich echt Bauchschmerzen"

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„Bekomme da echt Bauchschmerzen“

Skisprung-Olympiasieger Severin Freund spricht im SPORT1-Interview über seinen Rücktritt, die Vierschanzentournee - und darüber, was ihn am Umgang mit den Fußballern bei der WM stört.
Im „SKI & BERGE: Das DSV Magazin“ bemängelt DSV-Sportvorstand Wolfgang Maier die damaligen scharfen Maßnahmen der deutschen Corona-Politik im Hinblick auf Wintersport und Nachwuchsarbeit.
Bjarne Lassen
Bjarne Lassen

Er war jahrelang der beste deutsche Skispringer.

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Olympiasieg, WM-Gold, Gesamtweltcupsieg: Severin Freund hat zahlreiche Titel in seiner Karriere gewonnen. Nach mehreren Verletzungen beendete er nach der vergangenen Saison seine Karriere - verfolgt das sportliche Geschehen aber weiter genau.

Bei SPORT1 spricht der 33-Jährige über den Weltcup-Winter, die nahende Vierschanzentournee und die umstrittene Vision, das Skispringen vom Winter- zu einer Ganzjahres-Sportart zu machen.

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Zudem hat Freund eine klare Meinung zu der Fußball-WM in Katar, den politischen Diskussionen um sie herum und warum er sie den Spielern gegenüber unfair findet. (Skisprung-Weltcup: Alle Wettbewerbe im LIVETICKER)

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Freund nimmt Geiger und Co. in Schutz

SPORT1: Herr Freund, vor ungefähr acht Monaten haben Sie Ihre aktive Karriere beendet. Was hat sich seitdem in Ihrem Alltag verändert?

Severin Freund: Vor allem das Training, das ja vorher den Alltag wirklich bestimmt hat, also den ganzen Lebensrhythmus und Tagesablauf. Das fällt halt wirklich weg. Das ist tatsächlich eine relativ spektakuläre Veränderung. Weil man das so lange gemacht hat und da so lange drin war. Das war schon so ein normaler Teil deines Lebens, dass man danach dann wirklich denkt: Jetzt hat man so wahnsinnig viel Zeit - was fängt man damit an? Aber das ändert sich relativ schnell, wird auch wieder zur Normalität und dann denkt man: Ach, Sachen zu tun hat man ja genug.

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SPORT1: Bezogen auf den Sport: Wie sehr fehlt er Ihnen und wie ungewohnt ist die Zuschauerrolle für Sie?

Freund: Natürlich ist es so, dass wenn man so etwas wie Kuusamo sieht, wo es richtig, richtig Winter Wonderland war. Dann denkt man sich schon: das sieht wirklich mega aus! Aber andererseits kann ich es mir trotzdem nicht vorstellen, da jetzt noch dabei zu sein. Es fehlt mir nicht. Dazu war die Karriere in den letzten Jahren mit zu vielen Höhen und Tiefen verbunden. Man weiß zu schätzen, was man erleben durfte, aber weiß auch gleichzeitig, dass das Kapitel endgültig beendet ist.

SPORT1: Ganz aktuell, mit Blick auf die deutschen Skispringer: Wie schätzen Sie die Athleten ein und was trauen Sie Ihnen für die kommenden Wettkämpfe zu?

Freund: Viel. Auf jeden Fall! Man muss dazu sagen: Es ist beim Start nicht alles nach dem Plan A verlaufen. Man muss aber auch sagen, dass es heuer ein anderer Wettkampfeinstieg war. Mit frühem Start, dann einer Pause, dann ein zweites Wettkampfwochenende in Kuusamo, dann wieder Pause. Das ist schon ein anderer Rhythmus. Früher war man zu der Zeit noch in der Vorbereitungsphase. Deshalb kann man das alles nicht zu genau bewerten. Das beste Zeichen ist, dass die Leistungen von Wettkampf zu Wettkampf nach oben gingen. Klar ist mal ein Tag dabei, an dem der Karl das Finale nicht sieht. Aber in der Quali davor war er bei 148 Metern - selbst für die Schanze in Kuusamo eine sehr, sehr respektable Weite. Das zeigt, dass das Niveau da ist. Allerdings ist dieses Niveau bei keinem der Springer jetzt schon so stabil, dass sie es permanent abrufen können - aber ich glaube, das muss zu diesem Zeitpunkt auch nicht so sein. Sie sind alle relaxed genug, dass sie wissen, dass sie gut genug gearbeitet haben. (DATEN: Weltcup-Kalender im Skispringen)

Severin Freund hat seine Skisprung-Karriere nach der vergangenen Saison beendet
Severin Freund hat seine Skisprung-Karriere nach der vergangenen Saison beendet

Freund kritisiert FIS-Plan

SPORT1: Sie haben es angesprochen: Es gibt dieses Jahr einen Super-Winter. Die Saison beginnt so früh wie noch nie, sie endet so spät wie noch nie. In Wisla ist der Weltcup auf Matten gestartet. Wie bewerten Sie das Vorgehen mit Blick auf die Zukunft?

Freund: Ich betrachte das differenziert. Ich weiß, dass es für mich nichts gewesen wäre, weil mir der Wettkampf zu früh gekommen wäre. Ich habe im Sommer regelmäßig relativ viele Baustellen aufgemacht, an denen ich gearbeitet habe. Da geht der ganze Fluss ein bisschen verloren und man arbeitet viel im Detail. Gerade die Wochen vor dem ersten Weltcup waren für mich extrem wichtig, weil man dann erst kurz vor dem Wettkampf gemerkt hat: Jetzt kommt das Ganze ins Rollen, jetzt setzen sich die Puzzleteile zu einem Großen und Ganzen zusammen. Deshalb: Bei mir hätte so ein Wettkampf ein Stolperstein sein können.

SPORT1: Aber?

Freund: Aber trotzdem ist es hinsichtlich des Klimawandels und all den daraus resultierenden Konsequenzen, ein Zeichen, das man setzen muss, und eine Sache, die man ausprobieren muss. Wenn man das weiterdenkt, sind wir beim Skispringen in der Lage, den Sport relativ einfach und ohne Schnee auszuüben. Wir trainieren im Sommer auf Matten, springen im Endeffekt mehr auf Matten als auf Schnee. Die Farbe der Matten ist auch austauschbar. Wir hätten es da deutlich leichter als andere Sportarten, unseren Sport auch ohne Schnee umzusetzen. Auch die Kunsteisspuren sind mittlerweile so weit, dass sie unkompliziert eine Eisspur gewährleisten. Und wenn man es irgendwann schafft, die gesamte Energie regenerativ zu erzeugen - im besten Falle direkt an der Schanze - dann steht man da schon mal nicht so schlecht da. Dass die Saison heuer so lange ist, sehe ich kritisch. Unsere Saison ist ohnehin nicht die kürzeste. Jetzt wird sie nochmal ein bisschen länger. Wegen der Fußball-WM fallen Wettkämpfe weg. Ich glaube nicht, dass es das Ziel sein sollte, dass man immer eine Saison von Ende November bis Anfang April hat. Aber ich glaube, das ist jetzt schon eine Sondersituation.

SPORT1: FIS-Renndirektor Sandro Pertile hat gesagt, das Skispringen solle sich zu einer „Ganzjahressportart“ entwickeln, die auf der ganzen Welt ausgetragen werden kann. Er hat Tennis als Vorbild genannt. Wie stehen Sie zu solchen Aussagen?

Freund: Auch das sehe ich differenziert, weil es wirklich ein extremer Eingriff wäre. Das muss man sagen. Bisher hatte man eine Vorbereitungs- und eine Wettkampfphase. Wenn man jetzt analog zum Tennis das Modell komplett umstellen würde, müsste man das in viele kleine Vorbereitungsphasen einteilen. Und das ist schon eine ganz andere Herangehensweise. Im Sommer bereitet man sich normalerweise so vor, dass man im Winter bestmöglich wettkämpfen kann. Da spielen verschiedene Sachen beispielsweise das Gewichtsmanagement eine Rolle. Wenn man das über das gesamte Jahr managen soll, ist das nochmal eine andere Herausforderung. Jetzt kann man im Sommer auch mal mit zwei bis drei Kilo mehr trainieren, was dem Körper auch mehr Widerstandsfähigkeit gibt. Und sonst müsste man analog zum Tennis sagen: Man hat die Grand Slams und die Finals oder wie auch immer. Wenn man dann auch noch bei den Olympischen Sommerspielen dabei ist, dann wird‘s viel. Man sollte so eine Entscheidung auf jeden Fall nicht über das Knie brechen.

Severin Freund mit "SKI & BERGE - Das DSV Magazin"-Moderatorin Ruth Hofmann
Severin Freund mit "SKI & BERGE - Das DSV Magazin"-Moderatorin Ruth Hofmann

SPORT1: Der Grund für die Verlegung der Wettkämpfe war eben auch die Fußball-WM. Kurzer Sportarten-Wechsel: Verfolgen Sie das Turnier und wie stehen Sie zu den damit verbundenen Kontroversen?

Freund: Ich verfolge es semi-aktiv. Ich bin zu sportbegeistert, als dass ich es ganz boykottieren könnte. Gleichzeitig ist die Diskussion, auch weil ich es selbst mit Großereignissen wie Sotschi erlebt habe, auch ein bisschen eine Schein-Diskussion. Von den Sportlern erwartet man zum Zeitpunkt des Sportereignisses ein Zeichen, gleichzeitig wurde es von den für die Entscheidung verantwortlichen Funktionären jahrelang versäumt, aktiv zu werden. Kurz vor und während der Veranstaltung fordert man dann aber, dass die Sportler ein Zeichen setzen sollen, berichtet aber gleichzeitig kritisch darüber, wenn die Leistung nicht stimmt - da bekomme ich als Ex-Sportler echt Bauchschmerzen. Generell finde ich aber, dass es kein schönes Großsport-Ereignis ist. Da kann bei mir derzeit keine WM-Stimmung aufkommen. Es passt für mich nicht in die Jahreszeit. Es ist dazu auch zu negativ beladen. Deswegen kann ich nicht freudestrahlend und mit großer Begeisterung vor dem Fernseher sitzen. (DATEN: Stand im Skisprung-Gesamtweltcup)

Das hält Freund von Wettkämpfen in Saudi-Arabien

SPORT1: Im Wintersport gibt es jetzt auch ähnliche Entwicklungen. Saudi-Arabien durfte sich über den Zuschlag für die Asien-Winterspiele 2029 freuen…

Freund: Ja, das finde ich komplett abgefahren. Mal schauen, was daraus wird. Aber das ist wirklich eine sehr, sehr abgefahrene Entwicklung. In meiner Zeit habe ich es ja miterlebt, wenn man Großereignisse innerhalb der FIS, in Oslo, Predazzo oder in Oberstdorf hat. Und dagegen sind auf IOC-Ebene Spiele in Sotschi, in Pjöngjang und in Peking. Dann ist da schon eine Diskrepanz da zu traditionellen Austragungsorten. Natürlich ist es gut, den Wintersport so vielen Menschen wie möglich nahezubringen. Aber es fällt schwer zu glauben, dass das die Hauptmotivation ist.

SPORT1: Auch hinsichtlich der Wettkampfformate gibt es eine Entwicklung. Erstmals findet das Format „Super-Team“ statt, bei dem zwei Athleten aus einer Nation eine Mannschaft bilden. Sehen Sie darin Potenzial, insbesondere für kleinere Nationen?

Freund: Jein. Es kann natürlich sein, dass eine Nation zwei Springer hat, die vorne mitspringen können und ihnen Springer Nummer drei und vier fehlen. Dann kann das neue Format eine Chance sein. Ich glaube aber, dass man sich ein bisschen viel davon erhofft. Denn von Teams, die sich in dieser Situation befinden, gibt es nämlich nicht viele. Auf der anderen Seite nimmt man relativ vielen Sportlern die Chance auf einen Tag, wo sie Skispringen könnten. Ja, es ist generell in unserer Sportart so, dass man aufpassen muss, dass die Wettkämpfe nicht zu sehr von wenigen Nationen dominiert werden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das Super-Team-Format das Format ist, das dem entgegenwirken kann.

Die asiatischen Winterspiele 2029 sollen in Saudi-Arabien ausgetragen werden. Das Unverständnis über den Austragungsort ist in der Sportwelt grenzenlos – so auch bei dem früheren Top-Skispringer Sven Hannawald.
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Asiatische Winterspiele in Saudi-Arabien: Ex-Skispringer Sven Hannawald tobt

Deutscher Tournee-Sieg? Frage der Zeit

SPORT1: Zurück zu Ihrer eigenen Karriere: Sie haben eine Vielzahl an großen Siegen geholt, waren auch über lange Zeit das prägende Gesicht im deutschen Skispringen. Was war für Sie der schönste Moment Ihrer Karriere?

Freund: Viele Momente waren besonders. Für mich persönlich ist es einfach der Gewinn des Gesamtweltcups. Das war das große Ziel, das ich immer hatte. Das macht es für mich auch sportlich aus: Dass jemand über den gesamten Winter der Beste war. Als ich gewonnen habe, war es sehr, sehr knapp, weil Peter Prevc punktgleich war. Dass man für so einen Fall doch bitte zwei Kugeln vergibt, wie ich damals formuliert hatte, ist leider noch nicht passiert. Die Olympia-Medaille, als erstes großes Ding, das wir dann als Mannschaft geholt haben, war natürlich extrem besonders. Und auch ein Einzelweltmeister-Titel war natürlich eine riesengroße Auszeichnung. Aber der Gesamtweltcup war das, worauf man am längsten hingeträumt hat.

SPORT1: Was hat Sie am meisten geärgert?

Freund: Ja, was mich ärgerte, war die zweite Kreuzbandverletzung. Das war im Endeffekt Ungeduld. Die erste Kreuzbandverletzung ist blöd beim Sprung passiert. Mit dem Risiko lebst du als Leistungssportler. Bei der zweiten hatte ich den Gedanken: Die Olympia-Saison steht vor der Tür, du willst nicht zu spät auf der Schanze sein. Da habe ich mir zu wenig Zeit gegeben und das hat im Nachhinein krasse Auswirkungen gehabt. Wenn du dir das Kreuzband einmal reißt und danach deine Ruhe hast, ist das eine Sache. Wenn du es dir gleich ein zweites Mal reißt, dann bedeutet es einen viel größeren Rattenschwanz, den du hinter dir herziehst. Das war der Moment, den ich im Nachhinein definitiv ändern würde. Aber in dem Moment bist du gefangen. In dem Moment habe ich daran geglaubt, dass es was wird, aber es wurde anders ...

SPORT1: In Ihrer langen Karriere ist Ihnen der Sieg der Vierschanzentournee verwehrt geblieben. 21 Jahre wartet der DSV nun insgesamt darauf. Wie sehen Sie die diesjährigen Tournee-Chancen für das deutsche Team?

Freund: Ja, so gut wie die ganzen letzten Jahre auch schon. Sicher gab es eine Zeit, wo wir bei der Tournee gar nicht gut aussahen. Da war ich auch schon dabei und hatte lange genug damit zu kämpfen, dass ich in guter Form zur Tournee kam, aber dort die Leistung nicht bringen konnte. Für mich persönlich habe ich es dann mit meinem zweiten Platz geschafft. Die Situation hatten wir leider schon ein paar Mal, dass wir zweite und dritte Plätze erreichten. Leute waren in der Form da, dass sie die Tournee gewinnen hätten können.

SPORT1: Und was lief schief?

Freund: Die Tournee ist speziell: ein einzelner Sprung kann darüber entscheiden, ob du in der Gesamtwertung eine Chance auf den Sieg hast oder nicht. Ich glaube, dass das Potenzial, die Tournee heuer zu gewinnen, definitiv da ist. Es muss irgendwann einmal alles zusammenlaufen. Wenn du, so wie Karl, viermal die schlechteren Bedingungen gegenüber deinem Konkurrenten hast, kannst du das eine Zeit lang mit guten Sprüngen ausbügeln. Aber irgendwann geht das nicht mehr - so gut ist keiner. Ich bin mir relativ sicher, dass es irgendwann zusammenpassen wird. Die Frage ist, wie lange wir noch warten müssen.

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