In der Spielerbox des Centre Court, einige Meter über dem heiligsten aller Rasenplätze in Wimbledon, sprang Boris Becker so schnell auf, wie es sein geschundener Körper ihm erlaubte. Auf dem Platz brüllte Novak Djokovic die unbändige Freude über seinen dritten Titel beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt in den wolkenverhangenen Himmel über dem Londoner
Südwesten.
Djokovic zieht mit Becker gleich
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Mit Boris Becker gleichgezogen
Mit 7:6 (7:1), 6:7 (10:12), 6:4 und 6:3 wiederholte der seit Monaten dominierende Tennisspieler seinen Triumph aus dem Vorjahr gegen Rasenkönig Roger Federer. 30 Jahre nach seiner Sternstunde im All England Club muss der dreimalige Wimbledonchampion Becker seinem serbischen Schützling ein wenig Platz im selbsternannten Wohnzimmer freiräumen. "Er darf jetzt keine Sprüche mehr klopfen", scherzte Djokovic mit dem Goldpokal in der Hand.
Federer verneigte sich vor dem Weltranglistenersten, der ihm erneut die Chance raubte, sich mit dem achten Titel im englischen Rasenmekka zum alleinigen Rekordhalter zu krönen.
"Novak hat nicht nur heute, sondern zwei Wochen lang und das ganze Jahr und das letzte Jahr und das Jahr zuvor überragend gespielt", sagte der 17-malige Grand-Slam-Champion: "Er hat sich diesen Sieg verdient, weil er bei den wichtigen Punkten unheimlich stark war."
"Ende des zweiten, Anfang des dritten Satzes hatte das Match ein unheimliches Niveau, das habe ich noch nie erlebt", schwärmte Boris Becker bei Sky, "dieses Hin und Her war packend." Anschließend ging es zum Champions Dinner, für Becker eine schwierige Aufgabe. "Da muss ich in den schwarzen Anzug, das wird eng. Aber wir haben ja gewonnen", sagte er mit einem strahlenden Lächeln.
Der Maestro aus der Schweiz haderte dagegen mit seiner Chancenauswertung und der Aufschlagquote, zu selten knüpfte er an die Tennis-Gala im Halbfinale gegen Andy Murray an.
Bestes Tennis im Tunierverlauf
Djokovic rief derweil vor den Augen des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach das beste Tennis im Turnierverlauf ab. "Für diese Matches arbeitest du dein Leben lang. Das ist ein unglaubliches Gefühl", meinte der 28-Jährige.
Zwei Satzbälle wehrte Djokovic im ersten Satz ab, ehe er mit einem der Perfektion nahen Tiebreak Federer den ersten Stich versetzte. "Zeig ihm, wer der Boss ist", rief einer der zahlreichen Federer-Fans unter den 15.000 Zuschauern dem Publikumsliebling aus Basel zu, der Chef der Arena war jedoch stets Djokovic.
Nur im zweiten Durchgang belohnte sich Federer, es war der nervenaufreibende Höhepunkt einer Partie, die nur selten an die Dramatik vergangener Endspiele heranreichte.
Federer wehrt sieben Satzbälle ab
Sieben Satzbälle wehrte Federer mit all seiner Klasse ab und glich mit Kampfgeist aus. Bei seiner zweiten Chance stürmte der 33-Jährige nach dem zweiten Aufschlag mutig ans Netz und vollendete mit einem Rückhandvolley, zur Freude seines Trainers und zweimaligen Wimbledonchampions Stefan Edberg, der diese Kombination wie kaum ein Zweiter beherrschte.
Gegen jeden anderen Spieler auf der Welt zahlt sich Federers offensive Strategie auf Rasen aus, nur Djokovic, der Bewegungskünstler aus Belgrad, schafft es immer wieder, sich aus der Defensive zu befreien.
Sein zweites Break im Match transportierte der 28-Jährige auch über die kurze Regenpause und war nach mehr als zwei Stunden nur noch einen Satz von seinem neunten Grand-Slam-Titel entfernt.
Es war kühl geworden im wolkenverhangenen Wimbledon, Becker hatte sich seine leuchtend rote Trainingsjacke übergeworfen - für Djokovic das Zeichen zum Angriff.
In der Mitte des dritten Durchgangs nahm er Federer erneut den Aufschlag ab und ließ sich seinen Vorsprung nicht mehr nehmen. Im 40. Duell der Dauerrivalen feierte Djokovic seinen 20. Sieg.