Nach sechs Jahren Aufbauarbeit ("The Process") sind die Philadelphia 76ers zum Meisterkandidaten in der NBA aufgestiegen.
Der neue X-Faktor der NBA
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Das entscheidende neue Puzzleteil im Team von Trainer Brett Brown: Jimmy Butler. Im Trade mit den Minnesota Timberwolves kam einer der offensiv und defensiv besten Spieler der Liga zu den 76ers und hebt das Team um die beiden bisherigen Superstars Joel Embiid und Ben Simmons auf ein neues Level.
Das Debüt gegen die Orlando Magic misslang zwar, doch im Gastspiel bei den Utah Jazz zeigte Butler erstmals sein Können. Beim 113:107-Sieg glänzte er mit 28 Punkten als Topscorer bei den 76ers und sorgte in der Schlussphase für die Vorentscheidung.
Ein Vorgeschmack auf weitere Großtaten? SPORT1 beleuchtet Chancen und Risiken des Trades.
Jimmy Butler - ein zweischneidiges Schwert
Was Butler auf dem Feld ausmacht: Neben seiner guten Verteidigung kann er vor allem auch seinen eigenen Wurf kreieren. Obendrein ist Butler auch abseits des Courts als Antreiber und Motivator bekannt, der aus seinen Mitspielern das Beste herausholen will.
"Ich denke, dass er defensiv und mit der Physis, mit der er spielt, die Mentalität von Philadelphia widerspiegelt", adelte Coach Brown seinen Neuzugang.
Doch manchmal schießt der 29-Jährige mit seinem Ehrgeiz über das Ziel hinaus. Bei den Timberwolves hat er seine jüngeren Teamkollegen Andrew Wiggins und Karl-Anthony Towns mit seinem Ehrgeiz genervt und sogar teilweise gegen sich aufgebracht.
In Philadelphia trifft er zumindest bei Embiid auf einen Gleichgesinnten in Sachen Motivation und Ehrgeiz.
Mega-Vertrag im Sommer?
Für Butler steht bei den 76ers aber auch etwas anderes auf dem Spiel. So kann er sich mit überzeugenden Leistungen für einen Maximum Contract empfehlen und damit auch finanziell in die Riege der NBA-Topstars aufsteigen. Die 76ers können ihrem neuen Star im anstehenden Sommer einen Fünfjahresvertrag über 190 Millionen Dollar vorlegen, während andere Teams ihm nur etwa 140 Millionen für vier Jahre anbieten können.
Dafür muss er aber abliefern und seinen Ruf, der unter seiner Trade-Forderung gelitten hat, wiederherstellen. Er wolle "nur gewinnen", erklärte Butler sein Pochen auf einen Trade. Die Voraussetzungen sind nun mit dem Wechsel zu den 76ers wohl so gut wie nie in seiner Laufbahn - auch wenn er dort wohl hinter Star-Center Embiid öfter nur die "zweite Geige" spielen wird.
Doch neben den charakterlichen Eigenschaften bleiben auch sportlich einige Fragezeichen nach dem Butler-Trade offen.
Philadelphia bekommt Probleme durch Butler
Klar, der 29-Jährige kann sich offensiv eigen Würfe kreieren und ist auch ein starker Verteidiger. Aber auch ihm fehlt ein konstant guter Wurf von jenseits der 6,75-Meter Linie. Durch die Abgänge von Robert Covington und Dario Saric, die für Butler zu den Timberwolves gingen, verlor Philadelphia zwei solide Dreier-Schützen. Im aktuellen Kader strahlt mit J.J. Reddick nur noch ein Profi dauerhafte Gefahr von der Dreier-Linie aus, während der Rest des Kaders vor allem mit dem Zug zum Korb oder Mitteldistanzwürfen zum Erfolg kommt.
Wohl auch deswegen blieb Redick nach Butlers Ankunft zunächst in der Starting Five, während der wurfschwache Markelle Fultz von der Bank kommt.
Tiefe fehlt durch Abgänge
Durch die Abgänge von Covington und Saric hat der letztjährige Conference-Finalist aber auch einiges an Tiefe im Kader eingebüßt. Gleich zwei potenzielle Starter wurden abgegeben, aktuell stehen nur noch 14 Spieler beim Team aus "Philly" unter Vertrag. Darunter auch Profis mit einer gewissen Verletzungshistorie (Embiid, Fultz, Wilson Chandler).
Doch nach einer langen Durststrecke ist Philadelphia aber bereit, dieses Risiko zu tragen. Denn trotz aller Fragezeichen könnte Butler der entscheidende Faktor sein, um die 76ers zum neuen Top-Team, das zumindest im Osten mit Boston, Toronto und Milwaukee um die Krone kämpft, zu machen.
Der Aufbau eines Teams über Jahre hat sich zu einer "Win-now"-Mentalität entwickelt. In der Stadt an der Ostküste sehnt man sich nach Erfolg.
Eine Garantie dafür gibt aber auch Butler nicht. Bessere Chancen aber definitiv.