Vor einem Jahr sorgte Dirk Nowitzki für ein Basketball-Beben.
Nowitzkis Jahr nach seinem Rücktritt
Es hatte sich angedeutet, es war der richtige Moment - und doch wollte man es nicht wirklich wahrhaben. Dirk Nowitzki hört auf.
Nach einer letzten Gala für die Dallas Mavericks verkündete der deutsche Superstar seine Entscheidung, ehe er seine verdiente - und Gänsehaut bescherende - Abschiedsfeier genoss. Zu seinen Ehren waren die Legenden Larry Bird, Shawn Kemp, Scottie Pippen, Charles Barkley und Nowitzkis Landsmann Detlef Schrempf extra nach Dallas gereist.
Seitdem ist es stiller geworden um Europas besten Basketballer aller Zeiten - und Nowitzki selbst blickt am Jahrestag wehmütig zurück: "Ich kann nicht glauben, dass es schon ein Jahr her ist", schrieb der 41-Jährige bei Twitter: "Tage wie heute sorgen dafür, dass ich es mehr vermisse. Danke für die Liebe."
Nowitzki in Dallas immer noch präsent
Aber auch wenn bei den Mavericks dank Luka Doncic eine neue Zeitrechnung begonnen hat, bleibt Nowitzki weiterhin der Held der Stadt, der ihr 2011 die Meisterschaft gebracht hat.
"Dirks Präsenz in Dallas ist weiterhin deutlich", sagte Saad Yousuf im Gespräch mit SPORT1.
Der Journalist begleitet die Mavericks für TheAthletic und erlebt sowohl die vergangenen Jahre mit Nowitzki als auch die neue Ära hautnah mit.
Zwar tragen inzwischen viele Fans Doncic auf dem Rücken, doch die Nowitzki-Trikots sind nach seiner 21-jährigen Mavs-Karriere weiterhin sehr verbreitet.
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"Wenn er bei den Spielen ist und auf dem Videowürfel gezeigt wird, bekommt er den lautesten Applaus, als würde er immer noch spielen", ergänzte Yousuf.
Langweilig, so viel ist klar, ist Nowitzki in den vergangenen zwölf Monaten nicht geworden. Dafür sorgten alleine die verdienten Ehrungen.
Nowitzki Way, Bundesverdienstkreuz, Laureus
Seit der feierlichen Einweihung im Oktober 2019 führt der "Nowitzki Way" zum American Airlines Center, der Heimspielstätte der Mavericks.
"Ich fühle mich wirklich geehrt. Im ersten Jahr hätte die Stadt noch nicht einmal eine Müllhalde nach mir benannt", sagte Nowitzki anschließend.
"Wenn ich meine Kinder in zehn Jahren zum Spiel nehme und den Nowitzki-Way fahre - besser geht es nicht."
Im Dezember zeichnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Würzburger mit dem Bundesverdienstkreuz aus. Im Februar folgte die Ehrung für das Lebenswerk beim Laureus.
Folgen sollen unter anderem noch seine Trikot-Zeremonie und eine Statue vor dem AAC, deren Fertigstellung sich aber auch aufgrund des Coronavirus verzögert.
Neben den Ehrungen hielten zahlreiche weitere Termine Nowitzki auf Trab.
Rückkehr zu den Mavs steht an
Im Juli stieg beispielsweise der von SPORT1 übertragene Benefizkick "Champions for Charity". Bei der Basketball-WM zeigte sich Nowitzki anschließend als Botschafter. Mit seinem Sitz im Vorstand der FIBA, "einer Möglichkeit, die man nicht sehr oft bekommt", nahm er früher als selbst erwartet eine Aufgabe an.
Gemeinsam mit Autor Thomas Pletzinger stellte er in Frankfurt das Buch "The Great Nowitzki" vor, zuletzt durfte er gemeinsam mit seiner Familie Bundespräsident Steinmeier bei einem Staatsbesuch in Kenia zu begleiten.
Zukünftig stehen für Nowitzki neben seiner Rolle bei der FIBA neue Herausforderungen an. Bei den Mavs hat er ohnehin "einen Job auf Lebenszeit", wie Mark Cuban nach Nowitzkis Rücktritt meinte: "Mir ist völlig egal, was du machst."
Geht es nach dem Mavs-Boss, wird sein deutscher Ex-Schützling, der bei seinen Besuchen in der Arena neben ihm sitzt, zukünftig Teilhaber des Teams.
Eine Rückkehr zu seiner Franchise ist auch in Nowitzkis Sinn. "Ich habe über 20 Jahre bei den Mavericks gespielt. Dort möchte ich irgendwann schon wieder eine Position bekleiden, in der ich ihnen helfen kann und die mich antreibt", erklärte er bei SPORT1.
Mentor Holger Geschwindner kann ihn sich auch in seiner eigenen Rolle gut vorstellen: als Talentförderer.
"Er hat sich vor Jahren bereits geäußert, dass er sich durchaus vorstellen kann, mal etwas Ähnliches zu machen, sich ein, zwei Talente zu greifen und denen sein Know-how weiterzugeben. Das wäre natürlich toll", sagte Geschwindner bei SPORT1.
Familienmensch und Vielfraß
Viel wichtiger: Nowitzki nimmt sich seit seinem Basketball-Ruhestand viel Zeit für die Familie, für Reisen und generell für Dinge, die er während seiner Karriere nicht machen konnte oder durfte.
So war der NBA-Champion von 2011, der in seiner Rolle als Familienvater von Malaika, Max und Morris an der Seite seiner Frau Jessica aufblüht, zu Weihnachten zum ersten Mal seit 30 Jahren Skifahren
Vor allem in den Anfangsmonaten genoss Nowitzki es, ohne Fitness- und Diätplan nach Lust und Laune zu essen. Er habe wochenlang "alles gegessen, was in Sichtweite war" - und nahm zehn Kilo zu.
Das sei "immer der Plan für den Sommer" gewesen, sagte Nowitzki: "Loslassen, keine Disziplin, genießen. Das habe ich definitiv gemacht."
Wer will es ihm nach seiner unglaublichen Karriere verdenken?
Inzwischen hat Nowitzki wieder zu einer gewissen Workout-Routine gefunden, zudem ernährte sich der Hüne zuletzt vegan. Abgesehen von seinen Fußproblemen erfreut sich der Basketball-Rentner also bester Gesundheit.
Dallas ohne Nowitzki erfolgreich
Und wie geht es den Mavericks ohne ihre über Jahrzehnte prägende Figur? Schließlich konnte man sich, wie Ex-Teamkollege Maxi Kleber im Gespräch mit SPORT1 schilderte, "Dallas ohne Dirk nie wirklich vorstellen."
Jahrelang war der Gedanke an ein Mavs-Team ohne Nowitzki gar eher angsteinflößend. Die Suche nach einem neuen Gesicht der Franchise, der das Zepter von Nowitzki übernimmt, scheiterte immer wieder. Akteure wie Monta Ellis oder Harrison Barnes nahmen Nowitzki zwar Last ab – mehr jedoch auch nicht.
Der 21. Juni 2018 veränderte in dieser Hinsicht aber alles. An diesem Tag schnappten sich die Texaner im NBA-Draft per Trade Luka Doncic - der neue Heilsbringer war geboren.
Nach einer bärenstarken Rookie-Saison inklusive Auszeichnung hob Doncic sein Spiel bis zur Corona-bedingten NBA-Pause auf ein neues Level. Dallas war auf Playoff-Kurs, Doncic ein legitimer MVP-Kandidat.
Der Slowene sorgt gemeinsam mit Kristaps Porzingis damit einerseits dafür, dass sich keine Nach-Nowitzki-Leere entwickelt hat. Gleichzeitig hält er Nowitzki mit seinen Leistungen aber in Gedanken.
Denn "jedes Mal, wenn man darüber spricht, wie gut Luka ist, kommt man im Gespräch auf das Thema Europäer - und damit sofort auch auf das Thema Dirk Nowitzki", erklärte Kleber.
Nowitzki mag nicht mehr täglich im Rampenlicht stehen, doch "er ist trotzdem noch sehr präsent und auf keinen Fall vergessen". Alles andere, das weiß auch Kleber, "wäre aber auch schlimm."