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2. Bundesliga: Als der FC Schalke 04 Erzgebirge Aue Erfolgstrainer Domenico Tedesco stahl

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2. Bundesliga: Als der FC Schalke 04 Erzgebirge Aue Erfolgstrainer Domenico Tedesco stahl

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Als Schalke Aue den Erfolgscoach stahl

Schalke und Aue sind sich bisher noch nicht häufig über den Weg gelaufen. Dennoch verbindet eine Personalie beide Klubs.
Dimitrios Grammozis äußert sich in der Pressekonferenz zur Leistung, Verein und Stadion des nächsten Gegners Erzgebirge Aue.
Udo Muras
Udo Muras

Im Topspiel der 2. Bundesliga treffen auch an diesem Samstag wieder zwei Traditionsklubs aufeinander - SPORT1 überträgt die Partie von Erzgebirge Aue und Schalke 04 ab 19.30 Uhr LIVE im TV und im Stream.

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Das Spiel selbst hat dennoch keine Tradition. Erzgebirge Aue, in der DDR unter dem Namen Wismut firmierend und bei den eingefleischten Fans heute noch so genannt, trifft auf Altmeister Schalke 04. Durch die deutsche Teilung 40 Jahre getrennt, ergaben sich folglich keinerlei Berührungspunkte. Auch nach der Wende waren sie nie Klassenkameraden, das Hinspiel auf Schalke (1:1) war das erste Pflichtspielduell dieser beiden Klubs, die ansonsten die Nähe zum Bergbau vereint.

Aber auch Kumpel treten heute längst nicht mehr gegen den Ball. Die bekannteste Geschichte, die beide Vereine verbindet, spielte daher neben dem Platz und rankte sich um einen Trainer: Domenico Tedesco. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)

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Leonhardt: „Hör auf mit deinem Professorengerede“

Der Retter kam von der Schulbank. Jahrgangsbester im Fußballlehrerlehrgang 2016 noch vor einem gewissen Julian Nagelsmann war er geworden und anschließend dessen Kollege in Hoffenheim, wo er die U 19 betreute. Bis März 2017, als Domenico Tedesco ein Hilferuf aus dem Erzgebirge erhielt. Zweitligist FC Erzgebirge Aue stand auf dem letzten Platz der 2. Liga und hatte sich nach 22 Spieltagen von Pavel Dotchev getrennt. Geld für den großen Wurf haben sie in Aue nie gehabt und so kamen sie bei der Kandidatenkür auf den Primus von der Schulbank: Tedesco, damals 31 Jahre jung.

Es war nicht gerade Liebe auf den ersten Blick, wie Präsident Helge Leonhardt Monate später der Zeit erzählte, als Tedesco plötzlich schon in aller Munde, aber nicht mehr in Aue war. Darf man Leonhardt Glauben schenken, habe er den Einser-Absolventen erst mal zusammengestaucht: „Hör auf mit Deinem Professorengerede, meine Kollegen schlafen ein, wenn Du anfängst, denen Fußball zu erklären und Vorträge zu halten wie ein DFB-Lehrer. Komm auf den Punkt!“

Ein Jungakademiker ohne nennenswerte praktische Erfahrung im Profifußball, gelernter Großhandelskaufmann, mit Trainerstationen ausschließlich im Juniorenbereich, der so schlau daher redet – passt der ins Erzgebirge und zum Abstiegskampf?

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Es gab mehr Zweifel als Zustimmung für die Entscheidung des Vorstands, es mit Tedesco zu versuchen. Alle 23 Mitbewerber, die ihr Interesse am Himmelfahrtsjob bekundeten, waren älter und erfahrener. Für Tedesco aber sprach, dass er auch bei Bayer Leverkusen und dem 1. FC Nürnberg gehandelt wurde. So schlecht konnte er also nicht sein, außerdem waren junge Trainer damals en vogue – es war der Nagelsmann-Effekt.

Tedesco rettet Aue

Man einigte sich auf einen Vertrag bis 30. Juni 2018, Tedesco sprach vom „Projekt Aue“ und vom „kurzfristigen Ziel Klassenerhalt!“ Das ging er an. Am 8. März 2017 wurde er vorgestellt, zwei Tage später fuhr er den ersten Sieg ein – 1:0 gegen den Karlsruher SC.

Am 21. Mai hatte er Erzgebirge Aue ans rettende Ufer geführt, das abschließende 0:1 bei Fortuna Düsseldorf änderte nichts mehr am Klassenerhalt – 14. Platz. Seine Bilanz aus elf Spielen war umwerfend: sechs Siege, zwei Remis und nur drei Niederlagen, der Schnitt von 1,82 Punkten pro Spiel machte ihn zu Aues bestem Zweitligatrainer. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)

Mit ihm wollte der FC Erzgebirge in eine bessere Zukunft gehen, selbst der Bundestrainer spendete ihm Lob. „Bei Aue hat er in der kurzen Arbeit sehr gute Arbeit geleistet. Sie waren stark im Abstiegskampf und haben sehr viele Punkte gemacht.“

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Zu diesem Statement wurde Joachim Löw nur deshalb gedrängt, weil er bereits mit einem künftigen Bundesligatrainer sprach. Denn im Oberhaus gab es nach der Saison 2016/17 einige Vakanzen und Tedesco drängte sich regelrecht auf. Jedenfalls wenn man so tickt wie Christian Heidel, damals Sportdirektor bei Schalke 04, das auf eine frustrierende Saison zurückblickte (10. Platz) und sich von Markus Weinzierl trennte.

Tedesco in „Heidels Beuteschema“

Heidel sah in Tedesco den jungen Klopp, vielleicht auch etwas von Thomas Tuchel, mit beiden hatte er in Mainz Wunderdinge vollbracht. Tedesco fiel in „Heidels Beuteschema“, wie der Kicker titelte. Während ganz Aue in der Sommerpause war und sich erste Spieler wegen Tedesco für den Klub entschieden hatten, streckte Heidel seine Fühler aus.

Am Mittwoch, den 7. Juni 2017, gab es den ersten Kontakt, zwei Tage später kam es zu ersten Verhandlungen, von denen Schalke die Auer nun in Kenntnis setzte. Auch die Öffentlichkeit erfuhr davon und im Auer Fan-Lager brach ein Sturm der Entrüstung los, mehr gegen den eigenen Verein als gegen den Trainer.

Leonhardt sah sich zu einer Stellungnahme veranlasst: „Eine offizielle Anfrage von Schalke 04 ging erst am Freitagnachmittag ein. Insofern habe ich als Präsident wie auch meine Vorstandskollegen in keiner Weise unsere Mitglieder und Anhänger für dumm verkauft oder Ähnliches. Wir alle sind von dieser Entwicklung ebenso überrascht worden.“

Schalkes Vorstoß war schon deshalb legitim, weil sich Tedesco eine Ausstiegsklausel in seinen ersten Cheftrainervertrag hatte schreiben lassen. Der Anfänger war schon ganz schön abgezockt, für 500.000 Euro war er zu haben. Schalke zahlte das ohne mit der Wimper zu zucken, schließlich hatte Weinzierl das Sechsfache gekostet. Trainerablösen kamen in jenen Jahren auch en vogue und die für Tedesco war vergleichsweise Peanuts.

Leonhardt: „Er war von der Herausforderung besessen“

Im Verein ärgerten sie sich dennoch mehr über den Verlust des Trainers als über den unverhofften Geldeingang. Dass Tedesco nicht zu halten war bei solch einem Angebot, verstand wiederum jeder.

Die Auer Spieler, die seine kommunikative Art lobten und ihn gern behalten hätten, äußerten Verständnis: „Wer lehnt schon ein Angebot von Schalke ab?“, fragte Clemens Fandrich und Martin Männel, der ewige Torhüter, gestand: „Klar hätten wir gern noch ein Jahr mit Tedesco gearbeitet, aber so ist das Fußballgeschäft. Ich habe Verständnis dafür.“

Präsident Leonhardt konnte ihn nicht halten. Er sagte der Zeit im August 2017: „Ich glaube, er hätte es auch für einen Euro gemacht, weil er von der Herausforderung besessen war.“ Dem war wohl so. Bei seiner Vorstellung auf Schalke sprach der fortan jüngste Bundesligatrainer in der Klubgeschichte, der einen gewissen Slobodan Cendic (32 Jahre in der Saison 1970/71) im Ranking ablöste: „Ich brenne darauf, Schalke ist sicher kein gewöhnlicher Klub. Ich hätte die Sache bei Erzgebirge Aue sicher nicht für jeden Verein aufgegeben.“ Komplimente für den alten und den neuen Arbeitgeber in einem knappen Statement – ganz schön clever, der Überflieger Tedesco.

Während er auf Schalke zunächst alle Erwartungen übertraf und auf Platz zwei hinter den Bayern in die Champions League einzog, geriet Aue ins Trudeln. Der nächste Trainerschnellschuss, den der FCE schon neun Tage später präsentierte, erwies sich als Flop. Der Österreicher Thomas Letsch war kein neuer Tedesco, man trennte sich schon nach drei Spielen.

Tedesco blieb immerhin noch bis März 2019 auf Schalke, dann flog er raus. Über Moskau führte sein Weg im Dezember zurück in die Bundesliga, wieder nach Sachsen. Aber RB Leipzig ist gewiss ein bisschen anders als Erzgebirge Aue, wo sie heute versuchen ihre Rechnung mit Schalke zu begleichen. Auf dem Platz. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)

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