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FC Bayern: Ex-Talent packt aus - "Er schrie: Wie konntest du nur Bayern verlassen?!"

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FC Bayern: Ex-Talent packt aus - "Er schrie: Wie konntest du nur Bayern verlassen?!"

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Scholl? Ex-Bayern-Spieler schwärmt

Der frühere Bayern-Spieler Tom Schütz spricht im SPORT1-Interview über seine Zeit bei den Münchnern und verrät Interessantes über David Alaba und Sandro Wagner.
Die neuen Marktwerte für die Bundesliga sind da. Gleich zwei Bayern-Profis sind die größten Marktwert-Verlierer.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Tom Schütz lebte zuletzt in zwei Gefühlswelten.

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Mit der U17 von Arminia Bielefeld wurde er in seiner Funktion als Co-Trainer Deutscher Meister, über den Abstieg der ersten Mannschaft war er wie alle Fans der Ostwestfalen sehr traurig. Elf Jahre spielte Schütz für die Arminia, bevor er 2020 seine Karriere beendete.

Von 2005 bis 2010 stand er für die Amateure des FC Bayern auf dem Platz. Im SPORT1-Interview spricht der 35-Jährige über die Zeit bei den Münchnern, Sandro Wagner und ein nächtliches Schlaf-Ritual eines ehemaligen Kollegen.

„Eine unglaubliche Geschichte“

SPORT1: Herr Schütz, lassen Sie uns zu Beginn des Interviews über eine Geschichte sprechen, die nur der Fußball schreibt. Vor einem Jahr kam ein Junge aus der Ukraine nach Bielefeld. Artem Zaloha sagte damals keinen Ton, verzog keine Miene, aber er hielt schließlich jeden Ball, der auf sein Tor kam.

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Tom Schütz: Es ist so eine unglaubliche Geschichte, die zeigt, dass es egal ist, wo man herkommt und wie alt man ist. Artem hatte diesen Traum und diesen Ehrgeiz, sich Stück für Stück weiterzuentwickeln. Am Anfang hatte er gewisse Defizite, aber nach einer Eingewöhnungszeit hat man gemerkt, dass unsere Spieler ihn anerkannt haben. Er hat relativ schnell Deutsch gelernt und wir konnten uns schon bald ganz gut mit ihm verständigen. Irgendwann meinten unsere Spieler ‚Wenn Artem im Tor steht, wird es eng gegen ihn zu treffen.‘ Ab dem Moment haben wir im Trainerteam gespürt, dass er angekommen ist.

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SPORT1: Erst gegen Ende der Saison stand Zaloha in den Spielen im Tor.

Schütz: Ganz genau. Unsere Nummer 1 hatte sich vier Spieltage vor Saisonende verletzt. Und Artem hat seine Chance genutzt und im Finale sein bestes Spiel gemacht. Ich freue mich extrem für den Jungen. Das ist eine einzigartige Fußballgeschichte.

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SPORT1: Wie war sein Weg nach Bielefeld?

Schütz: Artem kam im Winter 2022, hatte aber vorher schon bei einem ambitionierten Bielefelder Verein trainiert (VfL Theesen, d. Red.). In der Hinrunde der abgelaufenen Saison hat er bereits einmal pro Woche bei uns mittrainiert. Im Winter haben wir ihn dann fest zu uns geholt.

Tom Schütz lief auch für Arminia Bielefeld auf
Tom Schütz lief auch für Arminia Bielefeld auf

SPORT1: Sie wohnen in Bielefeld und haben lange für die erste Mannschaft der Arminia gespielt. Sind die Tränen nach dem bitteren Abstieg inzwischen getrocknet?

Schütz: Natürlich waren wir alle enttäuscht und lagen am Boden. Aber, wenn wir bei Arminia etwas können, dann wieder aufbauen. So habe ich die Leute in Bielefeld kennengelernt. Keine Frage, das war ein Tiefschlag, aber wir können uns im Selbstmitleid suhlen oder wieder aufstehen. Und den Eindruck habe ich von allen Beteiligten bei Arminia. Es gibt noch viel zu tun, aber wir schütteln uns gerade und stehen auf. Nur so kann eine neue Aufbruchstimmung entstehen.

„Ein außergewöhnlicher Abschnitt in meiner Karriere“

SPORT1: Sollten sich in der Bundesliga einige Spieler ein Beispiel an Fabian Klos nehmen? Viele weinen nach einem Abstieg und unterschreiben wenig später bei einem anderen Verein.

Schütz: Leider ist das so. Da wird Vereinstreue nur vorgegaukelt. Ich habe neun Jahre mit Fabian Klos zusammengespielt und wir haben viel erlebt unter anderem drei Aufstiege und 2014 einen dramatischen Relegations-Abstieg gegen Darmstadt in die 3. Liga. Damals sind wir auch geblieben. Fabian identifiziert sich mehr denn je mit Arminia. Es ist schon außergewöhnlich, dass man 13 Jahre bei einem Klub spielt und dass man nicht das erstbeste Angebot eines anderen Vereins annimmt und geht, sondern bedingungslos zum Verein steht. Fabian hat eine Ausnahmestellung im deutschen Profifußball.

SPORT1: Sie haben zwei Jahre in der Jugend beim FC Bayern gespielt und fünf Jahre dort in der zweiten Mannschaft. Wie denken Sie an diese Zeit zurück?

Schütz: Es war eine unfassbar schöne und prägende Zeit. Klar, das sagt man schnell, weil es bei Bayern war. Aber es war wirklich ein außergewöhnlicher Abschnitt in meiner Karriere. Fußballerisch und menschlich sehr lehrreich und intensiv.

SPORT1: Waren Sie überrascht, dass die Bayern in der abgelaufenen Saison mit Ach und Krach Meister wurden?

Schütz: Schon ein bisschen. Nach dem Trainerwechsel von Nagelsmann zu Tuchel hat es mit dem 4:2-Heimsieg gegen den BVB gut begonnen. Da dachten alle, dass es wie gewohnt laufen wird. Aber die Bayern hatten zu viele Baustellen, die zu beackern waren. Doch am Ende sind sie wieder Meister geworden. Unglaublich! Das macht den FC Bayern aus.

SPORT1: War es richtig, sich von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic zu trennen?

Schütz: Wenn gewisse Dinge vorgefallen sind, kann ein Cut sinnvoll sein. Man kann über den Zeitpunkt der Bekanntgabe mehr als streiten. Wenige Minuten nach dem Titelgewinn - das war schon sehr fragwürdig. Das hätte es früher bei Bayern nicht gegeben.

Die Bayern haben Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn rausgeworfen. Doch während der Ex-Sportvorstand Salihamidzic in Köln fröhlich den elften Meistertitel mitfeierte, kochte der bisherige Vorstandsvorsitzende Kahn zuhause vor Wut.
03:23
FC Bayern: Die schmutzige Trennung von Vorstandsboss Kahn

SPORT1: Können Sie sich an ein krasses Erlebnis zu Ihrer Bayern-Zeit erinnern?

Schütz: Oh ja. Wir hatten ein Spiel bei Kickers Emden. Freitag sind wir hingeflogen und am Samstag hat es dort geschneit, was eine Sensation war. In Emden schneit es alle 30 Jahre mal. Die Feuerwehr hatte noch versucht den Schnee abzupumpen. Doch das Spiel wurde abgesagt. Wir sind also unverrichteter Dinge wieder nach München geflogen, um zwei Tage später erneut nach Emden zu fliegen. Dieses Mal lag kein Schnee, aber es war so nebelig, dass man fast nichts sehen konnte. In der Luft war der Ball nicht zu erkennen. Es wurde dann aber doch angepfiffen. Wir haben noch eine Nacht im Hotel verbracht und haben den Sieg auch etwas ausgiebiger gefeiert als normalerweise. Es war echt verrückt. Das hat uns als Team zusammengeschweißt.

SPORT1: Trainer war damals Hermann Gerland. Ist er bei dieser Odyssee nicht ausgeflippt?

Schütz: Das nicht. Er hat uns beim zweiten Spiel zusammen gestaucht, weil wir den Ball nicht gesehen haben. Er hat ihn zwar auch nicht gesehen, aber er hat uns trotzdem angeschrien. Am Ende war er glücklich über den Sieg. Die Strapazen hatten sich also gelohnt.

SPORT1: Was war aufregender? Drei Jahre Gerland oder zwei Jahre unter Mehmet Scholl?

Schütz: Man kann beide nicht miteinander vergleichen. An welche körperlichen Grenzen wir beim Tiger (Spitzname von Gerland, Anm. d. Red.) gestoßen sind, ist kaum vorstellbar. Das war fast unmenschlich. Heute trainieren wir eine Stunde, da waren wir früher noch nicht mal richtig warm. Ich möchte ihn nicht missen, denn sein Training hat mich stärker gemacht. Viel intensiver konnte eine Vorbereitung nicht werden als beim Tiger.

SPORT1: Und wie war es bei Scholl?

Schütz: Scholl war viel näher an den Spielern dran. Das war eine ganz andere Bindung. Ich war damals sein Kapitän und verlängerter Arm auf dem Platz. Scholls Spielidee war mega spannend. Er hat im Training auch viel von Felix Magath eingebaut. Scholli hat uns ab und zu ganz schön lang gemacht.

SPORT1: Scholl durften die Spieler duzen und Gerland wollte sicher gesiezt werden, oder?

Schütz: Genau. Bei Gerland hat sich auch keiner getraut, ihn zu duzen. Außer Christian Saba.

„Wie konntest du nur den FC Bayern verlassen?!“

SPORT1: Können Sie eine Bayern-Anekdote zum Besten geben?

Schütz: Ja, das ist eine persönliche mit Gerland. Ich verließ die Bayern-Amateure und wechselte nach Babelsberg in die 3. Liga, weil ich den nächsten Schritt in einer ersten Mannschaft machen wollte. Gerland hätte mich gerne behalten und war nicht begeistert. Er kam zurück zu den Amateuren, nachdem er vorher mit Jupp Heynckes bei den Profis war. Und wie es der Zufall so wollte, war das erste Spiel Babelsberg gegen Bayern-Amateure. Vor dem Spiel hat er im Kabinen-Gang in seiner typischen Art in meine Richtung geschrien: „Wie konntest du nur den FC Bayern verlassen?!“ Gottseidank haben wir 1:0 gewonnen und hinterher haben wir uns umarmt. Es gab aber noch etwas Lustiges…

SPORT1: Nur zu…

Schütz: Ich hatte im Jugendhaus der Bayern mein Zimmer im Erdgeschoss. Es lag ganz gut mit Zugang zum Garten, wo keiner mitbekommen hat, wenn ein Spieler später kam. Mein Fenster war sehr begehrt, vor allem am Wochenende. Es gab einige von den erfahrenen Jungs, die das genutzt haben. Holger Badstuber hatte sich das zu der Zeit noch nicht getraut. (lacht) Es gibt eine andere witzige Geschichte von Sebastian Heidinger.

SPORT1: Was genau?

Schütz: Ich konnte mich jeden Abend darauf einstellen, dass er einen Fön eingeschaltet hat, denn nur so konnte er besser einschlafen. Wer das Teil nachts ausgeschaltet hat, weiß ich bis heute nicht. Ich denke mal er musste sich jede Woche einen Fön kaufen, weil das Ding durchgebrannt ist.

SPORT1: Wie war es mit David Alaba? Er spielte auch mit Ihnen bei den kleinen Bayern.

Schütz: Es war eine unfassbare Geschichte mit Alaba. Er hat erstmals als 15-Jähriger bei uns mittrainiert und man hat keinen Unterschied zu uns gesehen. Alaba war einfach krass. Er war unmenschlich gut. Ich dachte mir gleich: ‚Wenn David nichts passiert, wird er durch die Decke gehen.‘ Er war zudem ein geiler Typ, sehr angenehm und super bodenständig, zuvorkommend und ehrgeizig. Es hat irre Spaß gemacht mit ihm. Hinzu kam sein charmanter, österreichischer Dialekt. Alaba musste man einfach gern haben. Ich war erfahrener und habe versucht, ihn etwas an die Hand zu nehmen. Aber ich musste gar nicht viel machen. Wenn Du gut bist, spielst du gut und dann brauchst du keine Hilfe.

Tom Schütz spielte fünf Jahre für die zweite Mannschaft des FC Bayern
Tom Schütz spielte fünf Jahre für die zweite Mannschaft des FC Bayern

SPORT1: Gab es einen besonderen Moment mit Toni Kroos?

Schütz: Toni war nie der typische Weltstar, der sich auch so in der Öffentlichkeit gibt. Dabei hätte er aufgrund seiner Erfolge dazu absolut die Berechtigung. Er hat alles gewonnen, was glänzt. Er wusste schon in der Jugend, wie gut er ist und dass er besser ist als die anderen. Doch er hat das nie raushängen lassen. Toni war besonnen, ruhig und hat lieber auf seinem Zimmer Musik gehört. Er konnte immer etwas machen, damit das Spiel gewonnen wird. Mit Toni konnte uns nichts passieren.

„Sandro ist als Spieler oft angeeckt“

SPORT1: Auch Sandro Wagner war damals Ihr Mitspieler. Er feierte jetzt mit Hachings Aufstieg in die 3. Liga den größten Erfolg in seiner jungen Trainerkarriere. Wie haben Sie ihn damals gesehen und wie beurteilen Sie ihn jetzt?

Schütz: Sandro ist als Spieler oft angeeckt, weil er geradeaus war und immer seine Meinung gesagt hat. Er hat nichts darauf gegeben, wenn jemand gesagt hat ‚Du kannst keine weißen Schuhe im Training anziehen.‘ Dann hat er sie erst recht angezogen. So war Sandro halt. Wir saßen in der Kabine nebeneinander und er war ein super lustiger Typ. Bei Sandro Wagner bin ich ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass er mal ein erfolgreicher Trainer wird. Dazu war Sandro zu flapsig und zu wild. Ihm hat etwas die Ernsthaftigkeit gefehlt. Er hat in der Jugend oft auf den Deckel bekommen. Später bei Hertha BSC hatte er keine leichten Jahre. In Darmstadt hat er als Spieler super performt. Auch als Trainer hat er bei Haching einen unfassbar guten Job gemacht, auch als TV-Experte. Ich höre ihm gerne zu, weil er nicht das sagt, was alle sagen. Sandro spricht das an, was die Leute denken, deshalb kommt er so gut an. Und Sandro ist immer bei sich geblieben. Ich ziehe den Hut vor ihm. Ich freue mich sehr für ihn.

SPORT1: Wagner will erstmal ein Jahr lang kein Cheftrainer sein, geht einen Schritt zurück und will irgendwo hospitieren. Zeigt das genau, wie er tickt?

Schütz: Absolut. Das genau ist Sandro. Und ich finde das einen spannenden Ansatz. Er geht nicht den normalen Weg, sondern macht das, wovon er überzeugt ist. Und das vergangene Jahr war sicher nicht leicht für ihn.

SPORT1: Letzte Frage: Kann Sandro Wagner irgendwann Bayern-Trainer werden?

Schütz: Ich traue ihm zu mit dem Druck umgehen zu können. Sandro würde das Haifischbecken FC Bayern durchstehen. Da kann ihn nichts mehr erschüttern.