Beim FC Bayern gewann er zwischen 2009 und 2013 zwei Meisterschaften und schließlich unter Jupp Heynckes das Triple. Im ukrainischen Fußball war er Idol und Identifikationsfigur, Kapitän der Nationalelf, mit 144 Einsätzen Rekordnationalspieler.
Neuer Wirbel um Ex-Bayern-Star
Inzwischen hat sich der Blick auf Anatolij Tymoschtschuk in der Heimat von Grund auf gewandelt: Er ist seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges zur Persona non grata geworden, weil er im Land des Aggressors geblieben ist und seine Landsleute jegliche Solidarität in ihrer existenziellen Lage vermissen.
Der Fall Tymoschtschuk ist längst eine Staatsaffäre: Im März 2022 sperrte ihn der ukrainische Verband lebenslang und erkannte ihm alle Titel ab, im Jahr darauf verhängte die politische Führung des Landes Sanktionen gegen den 45-Jährigen, der seit 2016 als Co-Trainer von Zenit St. Petersburg arbeitet.
Inzwischen ist das frühere Defensiv-Ass wieder in den Schlagzeilen, weil er seine Landsleute jüngst auf Neue schockierte.
Tymoschtschuk hilft bei brisanter Aktion
Tymoschtschuk beteiligte sich Ende September öffentlichkeitswirksam an einer brisanten Spendenaktion: Er stiftete ein signiertes Zenit-Trikot mit der Aufschrift „Leningrad - Heldenstadt“. Die Erlöse gehen in die russische Region Kursk - genau dorthin, wo die Ukraine jüngst eine Gegenoffensive gegen den russischen Einmarsch gestartet hat.
Der Auftritt Tymoschtschuks wird in der Ukraine als neue Stufe der Solidarisierung mit dem Feindesland wahrgenommen, der Eindruck des Landesverrats verfestigte sich.
Auch frühere Vertraute der Fußball-Legende bekundeten Abscheu, unter ihnen auch seine in München lebende Ex-Ehefrau Nadjeschda Nawrozkaja, die 2016 die Scheidung eingereicht hat.
Was umtreibt den früheren FC-Bayern-Star?
„Anatoli ist sehr kreativ, wenn es darum geht, möglichst tief zu fallen. Er findet immer neue Abgründe. Mich kann das nicht mehr überraschen“, zitiert die Taz sie: „Anatoli tut, was ihm gesagt wird. Das ist doch offensichtlich, dass die Aktion vom Klub organisiert worden ist.“
Tymoschtschuks Klub ist indirekt mit dem autoritären Regime Wladimir Putins verflochten: Der Staatskonzern Gazprom ist Zenits Sponsor, der langjährige Gazprom-Manager Alexander Medwedew sein Präsident.
Was Tymoschtschuk persönlich umtreibt, ist vielen immer noch ein Rätsel: Zu UdSSR-Zeiten in Luzk in der Westukraine geboren (das ihm mittlerweile die Ehrenbürgerwürde aberkannt hat), präsentierte er sich zu aktiven Zeiten als Patriot, der sportliche Erfolge fröhlich mit der Landesfahne zelebrierte, auch bei Bayern.
Der Karriereweg Tymoschtschuks führte durch beide Länder: Viele Jahre lang war er Starspieler für Schachtjor in Donezk - inzwischen umkämpftes Gebiet, das Russland 2022 für annektiert erklärt hat. Vor und nach seiner Bayern-Zeit war er Spieler bei Zenit. Dass er es auch nach der Krim-Annexikon 2014 und der sich aufheizenden Konfrontation blieb, wurde ihm auch schon vorgehalten.
Auch Tymoschtschuks Sprache verstört ukrainische Landsleute
Nach der Invasion 2022 äußerte sich Tymoschtschuk trotz des Wirbels um seinen Verbleib in Russland lange gar nicht zum Krieg, als er dann sein Schweigen brach und sich rechtfertigte, dass er beiden Seiten gerecht werden wolle, wurde die Verstörung noch größer.
„Die Tatsache, dass ich über die SVO schweige, sagt nicht darüber aus, ob ich sie unterstütze oder nicht“, sagte er: „Jeder hat seine eigene Ansicht. Meine ist, dass nicht alles so einfach ist, deshalb versuche ich, nicht darüber zu reden.“
Mehr als der Inhalt seiner Worte blieb hängen, dass Tymoschtschuk das Wort „SVO“ verwendete - die russische Abkürzung für „militärische Spezialoperation“. Er vermied nicht nur - wie in Russland gesetzlich vorgeschrieben -, den Krieg gegen sein eigenes Heimatland beim Namen zu nennen. Er verwendete die russische Propaganda-Sprachregelung.
„Wo bist du nur gelandet?“
Wegen Tymoschtschuks Verhalten haben sich inzwischen auch viele frühere Fußball-Kollegen von ihm abgewandt.
„Wo bist du nur gelandet? Für wen sprichst du? Hast du die ukrainischen Farben damals einfach so auf deine Wangen gemalt?“, fragte ihn mit hörbarer Verzweiflung der frühere Nationalmannschaftskollege Alexander Alijew, der sich mittlerweile den ukrainischen Streitkräften angeschlossen hat.
Der frühere BVB-Stürmer Andrij Jarmolenko berichtete von vergeblichen Versuchen, Tymoschtschuks Haltung auf persönlichem Wege zu ergründen: „Ich habe ihm geschrieben und gefragt: Wie schläfst du? Seine Antwort: Ich kann genauso wenig schlafen wie du. Dann habe ich ihn angerufen und gefragt: Warum sagst du nichts über den Krieg? Du warst ein Vorbild für mich, ich habe zu dir aufgeschaut. Jetzt existierst du nicht mehr in meinem Leben.“
Medienberichten zufolge bemüht sich Tymoschtschuk mittlerweile um einen rumänischen EU-Pass, um sich trotz der Sanktionen gegen ihn wieder außerhalb seiner Wahlheimat bewegen zu können.