Home>Fußball>3. Liga>

3. Liga: Jens Keller exklusiv - "Natürlich habe ich es noch drauf"

3. Liga>

3. Liga: Jens Keller exklusiv - "Natürlich habe ich es noch drauf"

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

„Natürlich habe ich es noch drauf“

Jens Keller wird nach drei Jahren Abstand vom Fußball Trainer des SV Sandhausen. Im Interview spricht er über seine Ambitionen, die Situation seiner Ex-Vereine und den Umgang mit Trainern.
SV Sandhausen - 1. FC Saarbrücken: Tore und Highlights | 3. Liga
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Drei Jahre lang war Jens Keller nicht im Fußballgeschäft tätig. Jetzt ist der 52-Jährige zurück. Ende Oktober verkündete der Drittligist SV Sandhausen die Verpflichtung von Keller. Sein Ziel ist klar: die sofortige Rückkehr in die Zweite Liga.

{ "placeholderType": "MREC" }

Keller hat bereits Schalke 04 trainiert und war mit den Königlichen in der Champions League vertreten. Dennoch stört es ihn nicht, dass er nun wieder kleinere Brötchen backen muss. In seinem ersten Interview als Trainer des SVS spricht er bei SPORT1 über die neue Aufgabe und Kollegen wie Thomas Tuchel, Urs Fischer und Xabi Alonso.

SPORT1: Herr Keller, wie waren die ersten zwei Wochen im neuen Klub?

Jens Keller: Es war enorm anstrengend. Ich musste erstmal die Mannschaft kennenlernen, alles war neu und musste geplant werden. Vor dem ersten Ligaspiel hatte ich nur zwei Trainingseinheiten. Dann war das Pokalspiel unter der Woche und kurz danach wieder ein Punktspiel. Es war eine sehr intensive und kräftezehrende erste Woche.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Warum haben Sie sich für Sandhausen entschieden?

Lesen Sie auch

Keller: Da kamen mehrere Gründe zusammen. Der SVS ist ein gefühlter Zweitligist, der Klub hat elf Jahre in der 2. Liga gespielt. Im Sommer ist man leider abgestiegen. Natürlich kenne ich Matthias (Sportlicher Leiter Matthias Imhof, d. Red.) seit vielen Jahren sehr gut. Und es gibt das ambitionierte Ziel, dass man schnellstmöglich wieder aufsteigen möchte. Das alles hat mich überzeugt und mir ein gutes Gefühl gegeben.

Keller: „Ich bin überzeugt von mir.“

SPORT1: Sie waren drei Jahre komplett raus. Wie schwer war das?

Keller: Am Anfang war es natürlich schwer, weil ich Lust hatte, wieder als Trainer zu arbeiten. Irgendwann hatte ich mich damit abgefunden, dass nichts mehr kommt, was zu mir passt und mich interessiert. Natürlich hat es zwischendurch immer mal gekribbelt, aber irgendwann habe ich mir gedacht: ‚Dann soll es nicht sein, wenn die Angebote nicht kommen, wie sie dir gefallen‘.

{ "placeholderType": "MREC" }

SPORT1: Waren Sie genervt, dass Kollegen Jobs bekommen haben, die weniger vorzuweisen haben?

Keller: Ich habe mich schon gewundert, warum der oder der Kollege und nicht ich. Ich war aber nicht genervt. Ich muss aber auch ehrlich zu mir selbst sein. Die letzten beiden Stationen in Ingolstadt und Nürnberg waren nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Da haben einfach auch die Ergebnisse nicht gestimmt.

SPORT1: Haben Sie auch mal an sich gezweifelt?

Keller: Warum soll ich zweifeln? Ich bin überzeugt von mir. In Ingolstadt und Nürnberg hat es leider nicht so gepasst. Doch das ist längst abgehakt. Wenn du selbst an dir zweifelst, ist das keine gute Option.

SPORT1: Etwas ketzerisch gefragt: Haben Sie es noch drauf?

Keller: Natürlich habe ich es noch drauf. Wenn nicht, wäre ich jetzt nicht in Sandhausen. Ich bin von mir überzeugt. Nur, weil die letzten beiden Stationen nicht so erfolgreich waren, stelle ich mich nicht infrage. Ich bin davon überzeugt, dass ich es noch draufhabe.

SPORT1: Was haben Sie mit dem SVS vor?

Keller: Ich will meine Idee vom Fußball schnellstmöglich in das Team einbringen. Ich war im ersten Spiel mit dem Ergebnis zufrieden, mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben, noch nicht. Die Leistung gegen Leverkusen war toll. Und dann das 2:2 gegen Saarbrücken nach einer schwierigen Woche. Alles in allem bin ich zufrieden mit meinen ersten Spielen als SVS-Coach.

SPORT1: Wie haben Sie die Zeit ohne Job verbracht? Haben Sie hospitiert?

Keller: Hospitiert habe ich nicht, aber ich habe natürlich sehr viel Fußball angeschaut. Fußball ist ja nicht nur mein Beruf, sondern auch mein Hobby. In den Stadien war ich jedoch nicht so oft. Ich habe in Startup-Unternehmen investiert und habe im Immobiliengeschäft mitgewirkt. Ich habe viele Dinge gemacht, für die du im Fußball-Business keine Zeit hast. Ich war seit 30 Jahren in dieser Mühle drin und hatte jetzt Zeit für andere schöne Sachen. Deshalb weiß ich nach den drei Jahren ohne Klub: Das Leben besteht nicht nur aus Fußball.

SPORT1: Diese Mühle Fußball kann auch sehr zermürbend sein, das muss gerade Urs Fischer spüren, der immer nur auf die Negativserie angesprochen wird.

Keller: Das ist schon hart und respektlos gegenüber seiner Arbeit.

SPORT1-Reporter Reinhard Franke (l.) traf Jens Keller in Sandhausen zum Exklusiv-Interview
SPORT1-Reporter Reinhard Franke (l.) traf Jens Keller in Sandhausen zum Exklusiv-Interview

Keller bereit für Aufholjagd

SPORT1: Was ist für Sie die größte Herausforderung in der 3. Liga?

Keller: In dieser Liga tummeln sich viele Traditionsvereine, das ist schon stark. Die 3. Liga ist natürlich nicht so präsent im Fernsehen wie die ersten beiden Ligen. Für mich war es deshalb zuletzt herausfordernd viele Spiele zu schauen. Ich wollte ein Gefühl für die 3. Liga kriegen. Man kennt auch nicht alle Spieler. Die 3. Liga hat durchaus ihren Reiz.

SPORT1: Sie und Matthias Imhof kennen sich gut. Haben Sie auch zugesagt, weil Sie dachten ‚Jetzt kommt dann eh nichts mehr‘?

Keller: ‚Jetzt kommt dann eh nichts mehr‘ - das ist aber böse. Das würde ja heißen, dass Sandhausen keine gute Adresse ist. Matthias und ich sind seit 30 Jahren eng befreundet und hatten immer Kontakt - fast täglich. Wir haben uns natürlich auch über Spieler des SVS ausgetauscht. Ich war also schon länger gedanklich hier mit drin. Als er dann anrief und es dann sehr schnell ging, dachte ich schon ‚Hoppla, jetzt geht‘s tatsächlich wieder los.‘ Das war ein spannender Moment.

SPORT1: Dann hieß es wieder Sachen packen und ab auf den Trainingsplatz. Was war das für ein Gefühl, wieder zurück zu sein im Job?

Keller: Das macht etwas mit einem. Der Stressfaktor ist plötzlich extrem nach oben geschnellt. Ich musste von einem auf den anderen Moment umdenken, viel organisieren und war wirklich am Anschlag. Jetzt bin ich langsam wieder drin.

SPORT1: Ist der Aufstieg ein realistisches Ziel?

Keller: Absolut realistisch. Ich bin gekommen, um aufzusteigen. Natürlich haben wir etwas Abstand zu den vorderen Plätzen, aber mit zwei, drei Siegen in Folge bist du schnell wieder oben dran. Das Potenzial haben der Verein und die Mannschaft. Wir müssen jetzt zusammenwachsen. Vor der Saison wurden 20 neue Spieler geholt, das ist einfach ein Prozess.

Ex-Klubs in der Krise

SPORT1: Lassen Sie uns auch über zwei Ihrer Ex-Klubs sprechen. Seitdem Sie weg sind, hat Schalke 16 (!) verschiedene Trainer gehabt. Warum ist der Klub solch ein Schleudersitz?

Keller: Das ist schwer zu sagen. In den vergangenen Jahren waren die sportlichen Erfolge nicht so da. Und das schwächste Glied ist nun mal der Trainer, das wird immer so sein. Es ist niemand mehr da, der zu meiner Zeit in der Verantwortung stand.

SPORT1: Warum hatten Sie ausgerechnet bei diesem Pulverfass Ihre bislang stärkste Trainer-Zeit?

Keller: Von außen mag das überraschend sein. Ich habe dort meinen Job gemacht und das recht erfolgreich. Meine Zeit bei Union Berlin war aber nicht weniger erfolgreich für die Ansprüche, die es damals gab. Der Verein wollte hoch und als ich gehen musste, waren wir Vierter. Dann ging es nach unten. Ich habe da schon etwas aufgebaut. Auch die Denkweise, dass man erfolgreich sein kann. In den zurückliegenden Jahren haben sie eine tolle Geschichte geschrieben.

SPORT1: Ihr anderer Ex-Klub, Union Berlin, steckt in der Krise. Warum ging es nach dem rasanten Aufstieg des Klubs in dieser Saison so bergab?

Keller: Der Absturz von Union tut mir weh, das ist schon sehr schade. Wenn du Champions League spielen kannst, musst du dich verändern und Spieler mit einer gewissen Erfahrung dazu holen. Das ist für mich absolut nachvollziehbar. Das hat man bei Union gemacht. Doch das hat vielleicht die DNA von Union verändert. In den Jahren davor wurde aus wenig sehr viel gemacht, vor der aktuellen Saison wurde einiges investiert und vielleicht passt das nicht.

SPORT1: Ist die Champions League ein Killer für Vereine, die das erste Mal dort spielen können?

Keller: Ich hoffe nicht, dass es so sein wird. Union wird sich hoffentlich bald fangen und wieder Spiele gewinnen. Urs Fischer hat das Vertrauen verdient, er hat in der Vergangenheit einen sensationellen Job bei den Eisernen gemacht. Ich finde es toll, wie man zu Fischer steht. Die Abwärtsspirale muss gestoppt werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn sie die Kurve kriegen.

SPORT1: Kann es nicht auch gefährlich sein, so an Fischer festzuhalten?

Keller: Das glaube ich nicht. Ich finde es schön, dass ein Trainer, der viel für den Verein geleistet hat, weiter die Zeit bekommt. Wenn Fischer selbst das Gefühl hat, dass er das Team noch erreicht und die Bosse auch, dann ist es genau richtig, an ihm festzuhalten. Ich fand es auch schön zu sehen, wie die Fans Fischer zuletzt gefeiert haben. Die Anhänger von Union sind nie kritisch. Auch bei mir gab es nie eine kritische Stimme aus der Kurve. Das Credo der Fans ist es, den Trainer und die eigenen Spieler nicht nieder zu pfeifen. Noch hat Fischer die Energie und die Kraft, das ist mein Gefühl.

Meisterschaft? „Das hat man schon öfter in Leverkusen gedacht.“

SPORT1: Vergangene Woche gab es im Pokal das Duell gegen Xabi Alonso. Haben Sie da neben einem zukünftigen Weltklasse-Trainer gestanden?

Keller: Er macht einen so tollen Job. Es war einfach schön zu sehen, wie er sich nach dem Pokalsieg bei uns verhalten hat. Total respektvoll und nicht überheblich und arrogant. Aber ich habe zu meiner Schalker Zeit schon neben anderen großen Trainern in der Champions League gestanden. Es war für mich nichts Spezielles, neben Alonso zu stehen. Ich war schon Trainer, da hat er beim FC Bayern gespielt. Die Leverkusener spielen einen schönen und erfolgreichen Fußball. Dort machen sie in dieser Saison vieles richtig, man hat die richtigen Spieler verpflichtet. Beste Beispiele: Granit Xhaka und Boniface.

SPORT1: Kann Leverkusen mit Alonso Meister werden?

Keller: Wenn sie so weiterspielen, ja. Aber das hat man schon öfter in Leverkusen gedacht. Aktuell hätten sie es verdient. Ich würde Leverkusen den Meistertitel wünschen. Es wäre auch für die Bundesliga gut, wenn eine andere Mannschaft die Schale gewinnen würde. Das heißt nicht, dass ich etwas gegen die Bayern habe.

Keller: „Tuchel hat mehr Respekt verdient“

SPORT1: Ein anderer Kollege sorgte zuletzt für reichlich Diskussionen. Zeigte sich Thomas Tuchel zu dünnhäutig oder können Sie ihn verstehen?

Keller: Tuchel hat sich genau richtig verhalten. Die Experten hauen ein Ding nach dem anderen raus. Dabei saßen sie noch nie als Trainer auf der Bank. Lothar schon, aber er war nicht in dem Bereich, in dem Tuchel arbeitete. Die Experten dürfen ruhig kritisch sein, aber immer mit Respekt. Ich finde es gut, dass Tuchel sich wehrt.

SPORT1: Muss sich ein Trainer des FC Bayern souveräner verhalten?

Keller: Nein. Tuchel hat nicht unsouverän reagiert. Er war cool. Nach einem 4:0-Sieg in Dortmund darf man das so bringen. Er hat mir nicht leid getan, denn bei Bayern ist der Druck riesengroß. Aber er hat mehr Respekt verdient.

SPORT1: Sie konnten drei Jahre von außen draufschauen. Was ist für Sie am Trainergeschäft schwieriger geworden?

Keller: Als Trainer hast du null Zeit. Nochmal muss ich auf Urs Fischer kommen. Er ist ein Mensch und keine Maschine. Der Trainer darf kein Freiwild sein. Es ist aber so toll, dass man an ihm festhält. Als Trainer musst du am Wochenende punkten. Es ist völlig egal, wie du spielst und was und wie du trainierst, du kannst mit dem Team eine Woche lang im Café sitzen. Wenn du am Wochenende gewinnst, ist alles super. Das Trainergeschäft ist verdammt kurzlebig. Jeder meint, er müsse seinen Senf dazu geben, jeder springt irgendwo drauf, aber das ist die Zeit.

SPORT1: Steigt der SV Sandhausen mit Jens Keller auf?

Keller: Ja. Davon bin ich überzeugt.