Über wichtige Personalien wird beim FC Bayern hin und wieder per Handzeichen abgestimmt. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge selbst hat diesen demokratischen Akt einst zur Entscheidungsgrundlage erklärt.
Bayerns heimliche Erfolgsstrategen
Als die Bosse vor Jahren zusammensaßen und berieten, ob sie Javier Martinez verpflichten sollten, hob der Vorstandsvorsitzende seinen Arm. "Irgendwann", erzählte Rummenigge später einmal, "habe ich gesagt: 'Ich bin dafür.' Plötzlich gingen alle anderen Hände auch hoch".
Es war ein Mehrheitsvotum des Vereinschefs, von Präsident Uli Hoeneß, Finanzchef Karl Hopfner, Sportvorstand Matthias Sammer und Trainer Jupp Heynckes, das den damaligen Rekordtransfer besiegelte.
Inzwischen zählt ein solches Entscheider-Board zu den professionellsten Strukturen des Klubs. Und es ist hochkarätiger besetzt denn je.
In Rummenigges Schatten bestimmen frühere Top-Manager den Kurs mit. Sie sind Bayerns heimliche Erfolgsstrategen.
Jan-Christian Dreesen (Finanzvorstand)
Beim FC Bayern gibt es nur ein größeres Mysterium als das berühmte Festgeldkonto: den Mann, der es verwaltet. Das war unter Hopfner so und das ist unter seinem Nachfolger nicht anders.
Bei Spielen sitzt Dreesen neben Rummenigge und Hoeneß auf der Tribüne, jubelt mit ihnen über Tore. Zwischendurch verkündet er neue Rekordgewinne: 23,8 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr. Ansonsten arbeitet er im Verborgenen, spricht ungern über andere.
Dafür sprechen andere über ihn. "Jan-Christian Dreesen ist ein reiner Finanzprofi", sagt Markus Breuer, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Heidelberg: "Ich kann nur begrüßen, dass ein Fußballklub wie der FC Bayern Spitzenkräfte aus der Wirtschaft in die Führung holt."
Breuer untersucht das Management von Fußballklubs. Für ihn steht fest: In dieser Kategorie "sind die Bayern dabei, sich an der internationalen Spitze festzusetzen". Eine Entwicklung, die nicht zuletzt Dreesens Verdienst ist.
Der gebürtige Ostfriese war über Jahre einer der einflussreichsten Banker des Landes, saß bei verschiedenen Großbanken im Vorstand. Dreesen gilt als harter Verhandlungspartner, andere Weggefährten sehen in ihm den gnadenlosen Pragmatiker.
Eigenschaften, die auch fremde Fußballbosse zu spüren bekommen. Beim Deal von James Rodriguez forderte Real Madrid anfangs 45 Millionen Euro Ablöse - sofort. Als Dreesen den Vertrag unterschrieb, wurden fünf Millionen Euro Leihgebühr pro Jahr vereinbart.
Andreas Jung (Marketingvorstand)
Finanzboss Dreesen mag Spielertransfers nach Ablösesummen und Gehältern bewerten. Vorstandskollege Jung plant sie in Trikotverkäufen. Diesbezüglich ist der FC Bayern mit James in neue Dimensionen vorgestoßen.
1,2 Millionen Trikots des Kolumbianers verkaufte Real Madrid im vergangenen Jahr, begehrter war weltweit nur das Jersey von Lionel Messi (1,6 Millionen). Aus Marketingsicht ist James Bayerns größte Cashcow aller Zeiten.
Und Jung, der Stratege auf diesem Feld, lässt sich von genau solchen Zahlen treiben. Als der Deal mit James publik wurde, verzeichneten Bayerns Soziale Kanäle über Nacht sechsstellige Zuwächse.
"Da hat allein die Ankündigung ausgereicht, um einen großen Kommunikationseffekt zu erzielen", erklärt Sascha L. Schmidt, Leiter des Center for Sports and Management an der WHU - Otto Beisheim School of Management: "Social Media, Kommerzialisierung und Globalisierung gehen Hand in Hand. In dieser Hinsicht fahren die Bayern eine systematische Strategie."
Von den Kompetenzen ist Jung die ideale Ergänzung zu Dreesen. Der Top-Manager aus der Finanzwelt, der ohne Stallgeruch zu Bayern kam, und der Marketingstratege, der den Klub aus dem Inneren kennt. Mehr als 20 Jahre arbeitet Jung bei den Münchnern, seit 2013 als Vorstand.
Jörg Wacker (Vorstand für Internationalisierung und Strategie)
Wacker ist der Mann, der dem Klub in China und in den USA eine Identität gegeben hat.
Er hat in New York und Schanghai Niederlassungen gegründet, um die Bekanntheit des Klubs zu erhöhen. Mitarbeiter der Social-Media-Abteilungen wurden vor Ort rekrutiert, Produktbeschreibungen in Trikot-Shops neu erfunden, um sich den örtlichen Gegebenheiten in den Zielmärkten anzupassen.
Hinter all dieser Detailarbeit steckt Jörg Wacker, ehemals Deutschland-Chef des Wettanbieters bwin. Neulich saß er in Schanghai neben Rummenigge und resümierte über den Erfolg von Bayerns Promotour durch Asien. 14 Millionen Euro soll sie dem Verein eingebracht haben. Wacker bezeichnete Bayern als "Lokomotive" der Bundesliga.
Dabei hat der Klub längst andere Verkehrsmittel für sich entdeckt. Wer in China mit Bayerns strategischem Partner Lufthansa fliegt und an Bord eine Verbindung zum Sozialen Netzwerk We-Chat herstellt, erhält Nachhilfe, wie man "Mia san Mia" auf Deutsch ausspricht.
We-Chat nutzen täglich knapp 770 Millionen Chinesen. Noch Fragen, wie ernsthaft es den Bayern mit der Internationalisierung ist?
Fehlt nur noch ein chinesischer Spieler im Kader der Münchner. In dieser Sache hat Wacker sogar Uli Hoeneß bekehrt.
"Meine Idee ist: Irgendwann wird ein chinesischer Spieler beim FC Bayern spielen", sagte der Präsident vor kurzem bei einem Businesstreffen.
"Wenn wir am Samstag (…) um zwei Uhr spielen, damit in Schanghai oder Peking in Primetime live übertragen werden kann, drücken 300 Millionen Chinesen auf ihr iPhone und zahlen je einen Euro. Dann können sie sich etwa vorstellen, wo es hingeht."