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Hamburger SV: Markus Gisdol im ersten Interview nach seinem Aus

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Hamburger SV: Markus Gisdol im ersten Interview nach seinem Aus

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Nach HSV-Aus: Jetzt spricht Gisdol

In seinem ersten Interview nach der Entlassung beim Hamburger SV spricht Markus Gisdol bei SPORT1 über seinen Ex-Klub, sein Trainer-Idol und die Zukunft.
Der Ex-Trainer spricht bei SPORT1 erstmals über die schwierigen Umstände während seiner Zeit beim Hamburger SV.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Markus Gisdol hat momentan viel Zeit, um sich die Weltmeisterschaft in Russland anzuschauen.  

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Nach seinem Aus als Trainer beim Hamburger SV sind fünf Monate vergangen. Bisher hat der 48-Jährige darüber geschwiegen.

Jetzt spricht er im SPORT1-Interview über sein Aus bei den Rothosen, den schwachen WM-Start der deutschen Elf und warum Ottmar Hitzfeld ihn begeistert. 

SPORT1: Herr Gisdol, was haben Sie seit Ihrem Aus beim HSV gemacht?

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Markus Gisdol: Die Zeit in Hamburg war sehr intensiv und hat schon Kraft gekostet. Ich habe in den ersten Wochen bewusst Abstand vom Fußball genommen, habe mir erst langsam wieder Spiele angeschaut. Und jetzt kann ich die Weltmeisterschaft ganz anders und in Ruhe verfolgen, mit einer gewissen Gelassenheit. Als Trainer kann man die WM trotzdem nicht wie ein Fan sehen. Ich bin gespannt, welche neuen Trends sich bilden. Ich mache das aber auch bei anderen Sportarten, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

SPORT1: Haben Sie die Zeit beim HSV aufgearbeitet?

Gisdol: Ja. Ich war von Anfang an total klar in diesem Punkt. Ich weiß, was wir gemacht haben und was wir auf den Weg gebracht haben. In meiner ersten Saison waren wir nach zehn Spieltagen (zwei Punkte, die Red.) ja praktisch schon abgestiegen, haben aber am letzten Spieltag noch die Rettung geschafft. Auf dem Weg in die zweite Saison konnten die Dinge leider nicht so umgesetzt werden, wie wir uns das alle gewünscht hatten, und wie sie nötig gewesen wären. Die Mannschaft war zu diesem Zeitpunkt im vergangenen Sommer ziemlich leer.

SPORT1: Wie kam das?

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Gisdol: Durch die körperliche und psychische Belastung des langen Abstiegskampfes war die Mannschaft nicht mehr so aufnahmefähig, wir konnten uns deshalb nicht ideal weiterentwickeln. Es fehlte zudem Personal, wir hatten einen sehr kleinen Kader. Es war von Beginn an klar, dass es eine sehr schwierige Saison wird. Ich hätte sie aber trotz der Umstände sehr gerne zu Ende gebracht und bin mir sicher, es wäre erfolgreich gewesen. Deshalb musste ich im Nachhinein gar nicht viel aufarbeiten. Es war in erster Linie Zeit, um sich auf die Dinge zu konzentrieren, die sonst immer zu kurz kamen. Ich konnte endlich mehr Zeit mit der Familie und Freunden verbringen.

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SPORT1: Wie viel Kraft haben Sie aus der Auszeit nach Hamburg ziehen können? Als aktiver Trainer stehen Sie immer im Mittelpunkt und in der Kritik.

Gisdol: Zunächst macht mir das im Alltag gar nichts aus. Das muss man als Trainer wegstecken können. Es gibt natürlich auch außergewöhnliche Situationen, die man verarbeiten muss. Aber ich habe das nie als zusätzlichen Druck empfunden. Als verantwortlicher Trainer in der Bundesliga machst du dir selbst schon Druck genug.

SPORT1: Sie haben mit Hoffenheim und dem HSV den Klassenerhalt geschafft. Sind Sie ein Retter?

Gisdol: Eigentlich sehe ich mich nicht als Retter. Ich bin in diese Rolle erst als Bundesliga-Coach geschlüpft. Davor habe ich mit meinem Mannschaften immer um den Aufstieg gespielt und da war ich nach meinem Verständnis ziemlich erfolgreich. Ich war es immer gewohnt, mehr Spiele zu gewinnen als zu verlieren. Es ist eine Herausforderung, sich an eine Situation zu gewöhnen, in der man für Siege mit seinem Team fast durchgängig außergewöhnliche Leistungen bringen muss. Das ist nicht das, was ich mir zur Beginn meiner Trainerkarriere gewünscht habe. In Extrem-Situationen muss man immer viel verändern. Ich war gerne der Retter, aber es würde mir auch gefallen, ein Team komplett neu aufzubauen, eine Mannschaft vor Saisonbeginn zu übernehmen, eine Spielphilosophie zu erarbeiten. Aber das geht wohl den meisten Trainern so, und planbar ist es kaum.

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SPORT1: Fühlen Sie sich in der Außendarstellung durch das Prädikat "Retter" falsch beurteilt?

Gisdol: Ich sehe das gar nicht so und nehme das auch nicht so wahr. In Hoffenheim wurden wir nach dem Klassenerhalt in den darauf folgenden Spielzeiten Neunter und dann Achter. Der große Unterschied zwischen Hamburg und Hoffenheim war aus meiner Sicht, dass bei dem einen Verein notwendige, gravierende Veränderungen zügig herbeigeführt werden konnten. Beim anderen Verein konnte das aus diversen Gründen nicht umgesetzt werden. Das haben die meisten Menschen, mit denen ich mich direkt über derlei Themen unterhalte, in ihre Bewertungen mit einbezogen und sie sehen es ähnlich. Anderes interessiert mich weniger. Ich fühle mich jedenfalls nicht falsch wahrgenommen.

SPORT1: Sie sind seit sieben Jahren Profitrainer. Wie hat Sie diese Zeit geprägt als Mensch und als Trainer?

Gisdol: Ich habe mich als Spieler früh schwer verletzt und bereits mit 27 Jahren die Trainerlaufbahn eingeschlagen, in der untersten Amateur-Liga. Das war ein langer Weg, den kaum jemand verfolgt. Ich habe viele Ausbildungsstufen durchlaufen. Für mich war es gefühlt ein mühsamer und schwieriger, aber auch ein sehr lehrreicher Weg. Ich musste mich an die geänderten Spielregeln im Profigeschäft gewöhnen. Für den Trainer sind in einem Verein auch ganz grundsätzlich viel mehr Aufgaben dazu gekommen heutzutage. Man kann sich nicht nur auf das Training und die Arbeit mit der Mannschaft konzentrieren, sondern es sind vielschichtige Aufgaben im Verein dabei, dazu eine beinahe ständige Präsenz in der breiten Öffentlichkeit. Man muss das annehmen und sich darauf einstellen, denn es gehört zur heutigen Aufgabenstellung eines Trainers selbstverständlich dazu.

SPORT1: Gibt es Trainer, an denen Sie sich orientieren? Auch für Ihre künftige Arbeit?

Gisdol: Für mich war immer Ottmar Hitzfeld ein absolutes Vorbild, wie er eine Mannschaft führt. Er war da für mich immer ein absoluter Fixpunkt, bei dem man sich einiges abschauen konnte. Auch im Umgang mit den Spielern war er für mich immer ein Paradebeispiel. Deshalb habe ich mich mit ihm getroffen, wir haben immer mal wieder Kontakt und darüber freue ich mich.

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SPORT1: Wie sehen Sie Julian Nagelsmann? Es war damals in Hoffenheim ihr Co-Trainer.

Gisdol: Es war eine gute Zeit damals. Wir kennen uns gut. Ich habe immer gewusst, dass er ein ausgezeichneter Trainer sein wird. In den vergangenen beiden Jahren bestätigt er das. Eine bravouröse Leistung, was er bei der TSG leistet.

SPORT1: Sie haben einige Profis zu Nationalspielern gemacht. Roberto Firmino zum Beispiel spielt nun in Liverpool, stand im Champions-League-Finale und spielt jezt bei der WM für Brasilien. Wie stolz sind Sie?

Gisdol: Das freut einen Trainer natürlich, wenn man neben dem Mannschaftserfolg auch einiges für die Förderung eines Spielers beitragen kann. Bei Roberto Firmino war es nicht schwer für mich als Trainer. Es war ein Genuss mit ihm zu arbeiten. Er war in jedem Training hoch konzentriert, egal was man angeleitet und gefordert hat. Er hat mir als Trainer vertraut. Ich musste ihn eher bremsen. Aber auch so ein junger Bursche wie Niklas Süle, der mit 17 Jahren sein Profidebüt gab, mitten im Abstiegskampf, hat sich toll entwickelt. Man hat schon damals gesehen, dass man auf ihn zählen kann und er trotz seines Alters schon unheimlich stabil war. Ich freue mich sehr für die Jungs.

SPORT1: Wäre für Sie auch das Ausland interessant?

Gisdol: Mein Fokus liegt auf der Bundesliga. Aber auch das Ausland ist mittlerweile eine interessante Option für mich. Da darfst du als Trainer nicht zu engstirnig sein. Ich habe dahingehend einige Gespräche führen dürfen, aber eine Tendenz gibt es nicht. Ich werde mir in aller Ruhe anschauen, welche Möglichkeiten es gibt, und in der Zwischenzeit daran arbeiten, dass mich auch jemand versteht, wenn ich Englisch spreche (lacht).

SPORT1: Letzte Frage: Ihr WM-Tipp?

Gisdol: Mein persönlicher Favorit ist Frankreich. Es ist ein Team, das hervorragend aufgestellt ist auch durch die Einzelspieler. Aber man muss abwarten. Man darf auch Brasilien und Argentinien nicht vergessen. Ob Deutschland noch mal ins Titelrennen wird eingreifen können, hängt auch davon ab, ob das Team noch mal einen entsprechenden Teamspirit entwickeln kann. An der Qualität der Einzelspieler liegt es sicher nicht, dass der Start nicht gelungen ist. Man besteht aber nur, wenn man ganz eng miteinander ist, einer für den anderen da ist. Das habe ich von außen gesehen im ersten Spiel vermisst.