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Tuchel-Abschied? "Etwas suspekt“ - Union-Coach Bjelica im SPORT1-Interview

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Tuchel-Abschied? "Etwas suspekt“ - Union-Coach Bjelica im SPORT1-Interview

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Tuchel-Abschied? „Etwas suspekt“

Nenad Bjelica blickt auf turbulente Monate bei Union zurück. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der 52-Jährige über seine Unsportlichkeit gegen Leroy Sané, seine Ähnlichkeit zu José Mourinho - und warum er den Umgang mit Thomas Tuchel für falsch hält.
Die Eisernern spielen wieder Union-Fußball - und das effektiv. Der neue Coach Bjelica erklärt, warum er sich mit Trainer Jose Mourinho oft vergleicht.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Nenad Bjelica erscheint gut gelaunt zum Exklusiv-Termin mit SPORT1. Der 52-Jährige blickt auf turbulente Monate bei Union Berlin zurück. Ende November des vergangenen Jahres übernahm er die „Eisernen“ als Nachfolger von Urs Fischer.

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Gerade mal zwei Monate war Bjelica im Amt, da kam es zum ersten Eklat. Der Union-Coach leistete sich bei der 0:1-Niederlage beim FC Bayern Ende Januar einen Aussetzer, griff Nationalspieler Leroy Sané zweimal ins Gesicht.

Der DFB sperrte Bjelica für drei Spiele. Der 52-Jährige entschuldigte sich zunächst nicht, holte dies aber später nach.

Bjelica: „Habe das Temperament aus dem Balkan“

Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der Kroate über die Hintergründe der Unsportlichkeit, die jüngste Erfolgskurve der Berliner, was er mit Star-Coach José Mourinho gemeinsam hat - und warum er den Umgang mit Bayern-Trainer Thomas Tuchel für falsch hält.

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SPORT1: Herr Bjelica, wenn Sie jetzt zurückblicken, wie war die Anfangszeit bei Union?

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Nenad Bjelica: Nicht leicht. Das Programm war sehr hart. Nach zwei Tagen hatten wir das Braga-Spiel, nach fünf Tagen hätte das Bayern-Spiel stattfinden sollen. Der ganze Herbst war spannend und anstrengend für die Spieler und den Verein. Auch für mich war es nicht leicht. Urs Fischer ist eine Legende und er hat hervorragende Arbeit geleistet. Das wäre auch für Klopp (Jürgen Klopp; Anm. d. Red.) oder Mourinho (José Mourinho; Anm. d. Red.) nicht leicht gewesen. Für mich war es noch schwieriger. Ich war ein Unbekannter auf dem deutschen Markt. Schritt für Schritt haben wir uns entwickelt und jetzt weiß jeder, was ich leisten kann. Ich bin stolz auf meine Trainerkarriere.

Union-Trainer Nenad Bjelica (r.) mit SPORT1-Reporter Reinhard Franke
Union-Trainer Nenad Bjelica (r.) mit SPORT1-Reporter Reinhard Franke

SPORT1: Womit haben Sie die Union-Bosse damals überzeugt?

Bjelica: Ich bin ein pragmatischer Trainer, wie es auch Urs Fischer ist. Vielleicht ist das Temperament etwas anders (lacht). Er ist ein ruhigerer Typ, ich bin emotionaler, habe das Temperament aus dem Balkan. Ich habe mich einfach die Überzeugung meiner Arbeit gezeigt. Ich kann Union Berlin retten. Die Mannschaft in dieser schwierigen Lage zu übernehmen, war für mich gar kein Problem.

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SPORT1: Union spielt wesentlich stabiler als noch vor drei Monaten. Wie kommt das?

Bjelica: Mit viel Arbeit, positiver Energie und Optimismus kann man viel erreichen. Die erste Elf wurde nicht einmal wiederholt. Jeder Spieler hat bei mir schon von Anfang an gespielt. Nur Chris Bedia noch nicht, weil er noch etwas Zeit braucht. Alle anderen haben gespielt. Ich habe so jedem Spieler gezeigt, dass ich ihn respektiere und jeder wichtig sein kann. Ich habe versucht, das richtige System zu finden. Wenn ich im 7-3-0 spielen muss, um zu gewinnen, dann spiele ich so. Ich sehe, dass das Team sich in dem aktuellen System stabil fühlt. Nenad Bjelica ist selbstbewusst und passt sich immer an eine Situation an. Und jeder bekommt von mir Respekt. Die Mannschaft ist der Spiegel des Trainers. Das sage ich auch im Misserfolg.

Urs Fischer? „Ich wollte ihn nicht stören“

SPORT1: Gab es mal ein Telefonat mit Urs Fischer?

Bjelica: Nein. Ich wollte ihn nicht anrufen, denn er hätte das sicher nicht gewollt. Ich wollte ihn nicht stören. Urs war emotional sicher etwas angeschlagen nach der Trennung. Der Abschied ist keinem leicht gefallen. Er hat viele Freunde bei Union gewonnen und wirklich einen großartigen Job gemacht.

SPORT1: Wir müssen auch über Ihre Sperre nach der Aktion gehen Leroy Sané sprechen. Wie schwer war es?

Bjelica: Ich müsste lügen, wenn ich sage, dass mich das nicht getroffen hat. Diese vier Tage bis zum Darmstadt-Spiel haben sich wie vier Monate angefühlt. Zum Glück haben wir gewonnen, da war die Erleichterung groß. Es war schon unangenehm für meine Familie und mich, weil die Medien natürlich groß darüber berichtet haben. Der Druck auf alle im Klub war groß. Es war auch nicht leicht für den Präsidenten (Dirk Zingler; Anm. d. Red.), eine Entscheidung zu treffen. Es war für mich kein guter Anfang. Ich habe falsch reagiert. Aber das ist mir in 16 Jahren Trainerkarriere zum ersten Mal passiert. Und ich habe immerhin schon 600 Spiele als Trainer auf dem Buckel. Ich bereue diese Aktion, aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich hatte am nächsten Tag schon mit der Mannschaft gesprochen und mich entschuldigt, dann war das Thema abgehakt.

Aktion gegen Sané: „Jeder macht mal einen Fehler“

SPORT1: Hatten Sie Angst, dass der Präsident zum einem anderen Urteil kommt?

Bjelica: Absolut. Das hätte passieren können und ich hätte alles respektiert. Aber für mich war klar, dass ich weiter fokussiert bleiben und für Union mein Bestes geben will. Jeder macht mal einen Fehler.

SPORT1: Was nehmen Sie mit für die Zukunft? Ein Nenad Bjelica wird sicher nicht ruhiger werden, oder?

Bjelica: Sicher nicht (lacht). Ich habe vorher nie so reagiert, das war sehr unglücklich. Ich kann mit meiner Reaktion nicht gut leben, aber mit meiner Absicht. Ich wollte den Ball aufnehmen und ihn Sané (Leroy Sané; Anm. d. Red.) geben. Das war meine Absicht und ich habe es nie anders gemacht in meiner Karriere - egal, ob ich mit meinem Team geführt habe oder in Rückstand war. Ich bereue diese Aktion, habe meine Strafe bekommen und auch bezahlt. Ich lerne in meinem ganzen Leben. Wer weiß, was in meiner Trainerkarriere noch passieren kann? Ich bin nun mal sehr emotional. Vielleicht hat diese Aktion das Team auch verändert, weil die Jungs gesehen haben, dass ich für sie kämpfe.

SPORT1: Haben Sie Sané inzwischen mal angerufen?

Bjelica: Nein, aber ich habe gar kein Problem mit Sané und auch nicht damit, ihn das nächste Mal zu begrüßen und ihm die Hand zu geben. Es ist etwas passiert und das muss auf dem Platz bleiben. Als Fußballer und Trainer magst du solche Streitereien nicht. Sané hatte nach dem Spiel sofort gesagt, dass er der Aktion nicht zu viel Bedeutung beimessen möchte. Von solchen Situationen lernen wir. Ich darf es nur nicht wiederholen, weil ich sonst nichts gelernt habe.

„Wenn das streng ist, dann bin ich streng“

SPORT1: Wie sind Sie im Umgang mit Ihren Spielern?

Bjelica: Ich bin kein Freund der Spieler, aber wenn sie ein Problem haben oder meinen Rat brauchen, haben sie immer mein Verständnis. Auf dem Platz mag ich Disziplin und will organisiert spielen. So war es immer in den Vereinen, bei denen ich aktiv war.

SPORT1: Sie sollen streng sein ...

Bjelica: Was heißt streng? Ich will einfach, dass jeder Spieler seine Aufgaben auf dem Platz erfüllt. Fußballer und Trainer sind privilegierte Menschen, weil wir jeden Tag vier, fünf Stunden arbeiten und für unser Hobby auch noch Geld bekommen. Da musst du deinen Job schon richtig machen. Das erwarte ich von meinen Spielern. Was sie privat machen, ist mir egal. Wenn das streng ist, dann bin ich streng (lacht).

SPORT1: Haben Sie ein Vorbild als Trainer?

Bjelica: Ich bin ein Mourinho-Typ. Ich bin sehr ergebnisorientiert. Ich scheue auch keinen Konflikt, wenn das nötig ist. Ich will keinen Trainer kopieren, aber wenn ich so direkt gefragt werde, dann kann ich sagen, dass ich ziemlich ähnlich wie Mourinho bin. Alle emotionalen Trainer - egal ob Klopp, Simeone (Diego Simeone; Anm. d. Red.) oder Tuchel - haben schon solche Fehler gemacht wie ich in München.

„Die Bosse glauben nicht mehr an Tuchel“

SPORT1: Für Thomas Tuchel ist beim FC Bayern im Sommer Schluss. Kann das weiter gut gehen?

Bjelica: Thomas kenne ich nicht gut, wir haben uns nach dem vergangenen Spiel die Hand gegeben und er war mir sympathisch. Er hat Großartiges in seiner Trainerkarriere erreicht. Die Situation, dass er im Sommer gehen muss, gibt es auch mit Xavi in Barcelona. Ich finde es nicht glücklich, dass so große Vereine solch eine Entscheidung treffen. Das ist mir etwas suspekt. Sicher ist es für Thomas keine einfache Zeit. Die Spieler wissen jetzt, dass er im Sommer geht, und die hundertprozentige Autorität kann es jetzt nicht mehr geben. Wenn die Verantwortlichen nicht davon überzeugt sind, dass Thomas über den Sommer hinaus Trainer bei Bayern sein soll, dann zeigt mir das eins: Die Bosse glauben nicht mehr an Thomas. Die Autorität, die du vor der Mannschaft brauchst, wirst du bis zum Sommer nicht mehr haben. Ich hoffe für Thomas, dass er weiter gute Ergebnisse liefern kann.

SPORT1: Wie würden Sie reagieren, wenn die Verantwortlichen bei Union Ihnen sagten, dass im Sommer Schluss ist?

Bjelica: Ich würde dann zum Präsidenten sagen: ‚Können wir das geheim lassen?‘ Die Mannschaft darf das nicht wissen. Die Jungs müssen weiter an den Trainer glauben. Ich würde das gerne intern halten, ganz professionell. Ich finde das gegenüber der Mannschaft und den Fans korrekt. Dann kannst du in Ruhe eine Saison zu Ende spielen. Jetzt hat es einen komischen Beigeschmack. Ich bin nicht davon überzeugt, wie das bei Thomas gemacht wird.

„Als Trainer mache ich eigentlich alles wie Ancelotti“

SPORT1: Sie haben mal bei Carlo Ancelotti hospitiert. Das war sicher spannend, oder?

Bjelica: Absolut. Ich war Trainer bei Spezia Calcio und ein Freund aus La Spezia ist sehr eng befreundet mit Ancelotti. Er hat mich mit Ancelotti zusammengebracht und so kam es, dass wir Zeit zusammen verbracht haben. Als Trainer mache ich eigentlich alles wie Ancelotti. Nur auf seinem Niveau ist es etwas schwieriger zu arbeiten, weil du mit Egos von großartigen Spielern konfrontiert wirst.

SPORT1: Beim FC Barcelona haben Sie mal einen Vortrag halten dürfen.

Bjelica: Im Jahr zuvor war es Julian Nagelsmann. 2019 habe ich die Einladung von Barca bekommen. Das war sehr erfolgreich. Ich möchte mich da noch mal beim Vater meines früheren Spielers Dani Olmo bedanken. Er hatte mich eingeladen.

Olmo zu Bayern?

SPORT1: Wäre Olmo einer für den FC Bayern?

Bjelica: Auf jeden Fall. Aber er ist ein Spieler für jeden großen Verein, weil er ein Top-Spieler ist. Dani kann sich verschiedenen Systemen und Situationen anpassen. Bei uns in Zagreb hat er alles gespielt, auch in Leipzig und in der Nationalmannschaft. Er ist ein hervorragender Spieler und ein richtig guter Junge.

SPORT1: Wenn Sie mit Union den Klassenerhalt schaffen, gibt es dann ein Gläschen Wein mit Urs Fischer?

Bjelica: Auf jeden Fall. Jeder Erfolg von Nenad Bjelica bei Union ist auch ein Stück Erfolg von Urs Fischer. Er hat dieses Team aufgebaut. Ich bin davon überzeugt, dass Urs am Saisonende auch glücklich sein wird, wenn wir in der Bundesliga bleiben.