Home>Fußball>Bundesliga>

Noch immer legendär: Trapattoni erlebt in Freiburg sein Waterloo

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Diese Bayern-Pleite war ein Schock

Ein Spiel der Bayern in Freiburg bleibt vor allem dem damaligen Trainer Giovanni Trapattoni in ganz schlechter Erinnerung. Im Anschluss wurde es ungemütlich in München.
Der warmherzige Italiener ist nicht nur für seine Erfolge als Trainer bei Juventus Turin und Bayern München bekannt, sondern vor allem auch für seinen legendären Wutausbruch.
Udo Muras
Ein Spiel der Bayern in Freiburg bleibt vor allem dem damaligen Trainer Giovanni Trapattoni in ganz schlechter Erinnerung. Im Anschluss wurde es ungemütlich in München.

Zum 50. Mal treffen der SC Freiburg und Bayern München am Samstag in der Bundesliga aufeinander. Seit 17 Spielen sind die Bayern ungeschlagen, überhaupt verloren sie dieses Süd-Duell nur viermal. Darunter die ersten drei Gastspiele in Freiburg, das sich vor 30 Jahren zum Angstgegner zu entwickeln schien für den Rekordmeister.

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle" }

Der höchste Sieg (5:1) war ein regelrechter Schock, besonders für einen Mann, der es gewohnt war, seine Spiele Zu-Null zu gewinnen. Giovanni Trapattoni, laut Franz Beckenbauer „der beste Trainer der Welt“, erlebte in Freiburg am 23. August 1994 sein Waterloo und stand schon nach sechs Wochen an der Isar im Kreuzfeuer der Kritik.

Denn der Start des Italieners, der Interims-Coach Beckenbauer nach der Meisterschaft 1994 ablöste, war ein holpriger. Von Manager Uli Hoeneß zu 17 Vorbereitungsspielen gezwungen („Wir brauchen die Millionen, um die hohen Prämien in der Champions League zu bezahlen“), ließ sich taktisch nicht viel einüben.

Trapattoni musste sich dem Fußball-Zwerg Freiburg geschlagen geben.
Trapattoni war gegen Freiburg nicht immer erfolgreich

Was wiederum von immenser Bedeutung war, denn „Trap“ ließ einen ganz anderen Fußball spielen als der Kaiser, als Italiener war er ein Jünger der Catenaccio-Sekte. Die Null musste stehen. Hinzu kamen seine Kommunikationsprobleme. Er radebrechte in einem Mischmasch aus drei verschiedenen Sprachen. Kostprobe: „To work in Bayern di Monaco is very gefährlich!“

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle2" }

Das wurde es dann auch für ihn, als der amtierende Meister in der 1. Pokalrunde am Drittligisten TSV Vestenbergsgreuth scheiterte: Der Dorfklub gewann das live im ZDF übertragene Spiel am 14. August 1994 mit 1:0 und machte die Bayern zur Lachnummer der Nation. Nur ein Ausrutscher? Von wegen. Ein 3:1 gegen Aufsteiger Bochum zum Ligastart schien die Wogen zu glätten, doch dann ging es in die Englische Woche und für die Bayern zum SC Freiburg, der in seine zweite Bundesligasaison ging.

Das kleine Dreisam-Stadion platzte aus allen Nähten, alle wollten sie Lothar Matthäus und Mehmet Scholl sehen, waren auch gespannt auf den neuen Torwart Oliver Kahn und den Franzosen Jean-Pierre Papin, von dem man sich Wunderdinge erzählte.

Bayern war noch keine Mannschaft

Doch das mit vielen Talenten bestückte Team um den alten Leitwolf Matthäus war noch keine Mannschaft – und es geschah Unglaubliches. Als Vize-Präsident Franz Beckenbauer, an diesem Abend in Hamburg in seiner Eigenschaft als Co-Kommentator weit weg vom Ort des Geschehens, den Zwischenstand vom Spiel seiner Bayern erfuhr, raunte er ins Mikrofon: „A geh, ein Übermittlungsfehler“. Wer wollte es auch glauben? SC Freiburg – Bayern München 3:0 – nach 18 Minuten? Doch Zahlen lügen nicht, sie verkünden nur zuweilen auch ungeheuerliche Wahrheiten. Dass der Meister ausgerechnet unter seinem für Defensiv-Fußball stehenden Trainer dermaßen unter die Räder kommen würde, das war so eine Ungeheuerlichkeit.

Er spielte ja schließlich bei einem gerade dem Abstieg entronnenen Fußballzwerg aus dem Schwarzwald. Aber diese Zwerge wurden zu Riesen an diesem Dienstag, an dem die Fachwelt sich an Namen wie Spanring, Kohl, Neitzel oder Heinrich zu gewöhnen lernte. Verteidiger Martin Spanring schoss das 1:0 in der 11. Minute, Ralf Kohl, den alle nur „Kanzler“ riefen, erhöhte in der 17. auf 2:0 und vom Anstoß weg verloren die Bayern ein weiteres Mal den Ball, den Rodolfo Cardoso prompt wieder im Tor von Oliver Kahn versenkte. 0:3 nach 18 Minuten – das gab es in der Bayern-Historie nur einmal, 1973 auf Schalke. Damals retteten sie noch ein 5:5 ins Ziel, doch diesmal waren sie nicht zu retten.

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle3" }

„Das war Fußball wie in Trance, als die drei Tore fielen“, sagte Spanring hinterher über den Blitzstart. Uli Hoeneß fand weniger pathetische, aber dennoch deutliche Worte: „Das Ganze lief nach dem Motto ‚Bitte nach Ihnen` ab“. Nach Christian Zieges Anschlusstor flackerte kurz Hoffnung auf beim Meister. Doch Freiburg hielt sein Niveau an diesem berauschenden Sommerabend und kam nach der Pause zu weiteren Toren: Cardoso verwandelte einen Elfmeter (58.) und Jörg Heinrich knallte aus 16 Metern in den Winkel (68.). Bayerns Franzose Papin leistete sich noch ein Frustfoul an Heinrich und flog vom Platz, dann erlöste Schiedsrichter Weber (Essen) den Rekordmeister.

5:1 also – Freiburg feierte seinen bis dahin höchsten Bundesliga-Sieg, dem in den nächsten 30 Jahren nur vier höhere folgen sollten. Trainer Volker Finke schwärmte: „Das war ganz großer Kombinationsfußball, mit Überzahl schaffen, bei eigenem Ballbesitz. Wir haben nahezu perfekten Ballbesitzfußball gespielt“. Er fand „dass dies nur mit dieser Mannschaft möglich ist, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben. Ohne Arroganz: andere schaffen das in fünf Jahren nicht.“

Der Maestro radebrechte am Tag bevor er seinen ersten Deutschkurs belegte auf der Pressekonferenz nur Sätze wie „No Fehler Nerlinger. Fehler mia!“ Bayerns späterer Sportdirektor Christian Nerlinger wurde nämlich bereits nach 20 Minuten von ihm ausgewechselt, aber eigentlich hätte es jeden treffen können. Die Süddeutsche Zeitung attestierte den Bayern jedenfalls „den Arbeitseifer einer Thekentruppe.“

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle4" }

In historischen Dimensionen dachte gar Präsident Fritz Scherer, der der Süddeutschen Zeitung gestand: „In neun Amtsjahren habe ich die Mannschaft noch nie so zusammenbrechen sehen.“ Trapattoni tat Scherer am meisten leid: „Der Mann dachte dass er hier eine Fußballmannschaft übernimmt.“

Dann sagte er fatalerweise noch, dass „jeder im Präsidium jetzt etwas einbringen“ müsse, „auch der Franz. Dann wirkt das noch viel mehr.“ Eine nicht zimperliche Zeitung machte daraus die Schlagzeile „Beckenbauer übernimmt für Trapattoni“ und dpa schrieb „Trapattoni steht kurz vor der Kapitulation.“

Der Italiener hielt am nächsten Tag seine erste, weniger bekannte, Wutrede und zürnte (sofern ihn B-Jugend-Trainer Massimo Morales korrekt dolmetschte): „Ich bin ja von Italien einiges gewöhnt, aber das ist hier ja noch chaotischer. Wenn Beckenbauer die Mannschaft in die Hand nehmen will, dann soll er das tun.“ Hoeneß beschwichtigte: „Trapattoni hat nur einen Scherz gemacht.“

{ "placeholderType": "MREC", "placement": "rectangle", "placementId": "rectangle5" }

Welche Folgen hatte das Debakel?

Natürlich blieb „Trap“ im Amt, Hoeneß versprach ihm gar, er dürfe „17-mal hintereinander verlieren, er bleibt unser Trainer“. Nach guter italienischer Sitte verhängte der gedemütigte Coach ein striktes „Silenzio Stampa“, was zumindest Matthäus im Nachhinein begrüßt haben dürfte: „Wenn ich alles sagen würde was in meinem Kopf los ist, würde ich Probleme kriegen.“ Lieber sagten sie sich in einer von ihm inszenierten Krisensitzung drei Tage danach die Meinung, ausdrücklich forderte der Kapitän das Team auf: „Kritisiert auch mich.“

Den Trainer wagte niemand öffentlich zu kritisieren, anonym sickerte allerdings durch, dass die Spieler von seinem ermüdenden Taktiktraining mit häufigen Unterbrechungen genervt seien.

Was damals keiner ahnte: Freiburg landete am Saisonende als Sensationsdritter sogar vor den Bayern, die nur Sechster wurden. Bayern drei Plätze hinter Freiburg, auch das hätte der Kaiser wohl für einen Übermittlungsfehler gehalten.

Trapattoni brach 1995 frustriert seine Zelte ab, kam aber nach einem Jahr wieder, wurde Meister (1997) und Pokalsieger (1998). In Freiburg aber gewann er nie.