Es war eine kleine Überraschung, dass es Leon Goretzka war, der vom FC Bayern auf die obligatorische Pressekonferenz einen Tag vor dem Spiel der Münchner in Leverkusen geschickt wurde. Eigentlich hatte sich der 30-Jährige seit Wochen eine Art Schweigegelübde auferlegt. Seit seiner Nichtnominierung zur EM 2024 sprach der Bayern-Star nie ausführlich zu den Medien.
Goretzka bricht sein Schweigen
Erst im vergangenen Herbst wagte er sich wieder vor die Mikrofone, dann aber stets in sogenannten Superflash-Interviews. Der Grund ist eindeutig: Dort werden direkt nach den Partien fast ausschließlich Fragen zum Spiel gestellt. Zu seiner zeitweise prekären Situation beim FC Bayern oder seinen Zukunftsplänen musste Goretzka hier nicht Stellung nehmen.
Interviews in der Mixed Zone lehnte er entweder ab oder verließ die Münchner Arena gleich durch die Hintertür. Das sei eine bewusste Entscheidung gewesen, verkündete Goretzka jetzt.
Goretzka gibt sich kämpferisch
Am Montagabend änderte sich seine mediale Marschroute. In der BayArena nahm er gut gelaunt auf dem Podium Platz und hatte einige Botschaften im Gepäck. „Ich denke in der Tat, dass es etwas schwierig anfing – das hat jeder gesehen. Ich habe versucht, weiter dranzubleiben und meinen Job zu machen“, sagte er dort. Und weiter: „Ich bin glücklich und zufrieden. So darf es gerne weitergehen“.
Es wird deutlich: Goretzka befindet sich wieder in einer Rolle der Stärke. Aleksandar Pavlovic kämpft weiterhin gegen einen hartnäckigen Infekt, Konrad Laimer spielt meist auf der rechten Außenverteidigerposition und Hauptkonkurrent Joao Palhinha macht seit Wochen nicht gerade Werbung in eigener Sache – im Gegenteil.
Der Portugiese ist unter Trainer Vincent Kompany meist nur Reservist und aufgrund seiner roten Karte im Spiel gegen Bochum zumindest in der Bundesliga vorerst gesperrt. Die logische Folge: Goretzka ist Kandidat Nummer 1 für den Platz neben Joshua Kimmich im zentralen Mittelfeld.
Goretzka überstand jeden Sturm
Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, Goretzka nur als Profiteur der geschwächten beziehungsweise schwachen Konkurrenz im Bayern-Mittelfeld zu sehen. Der Ex-Nationalspieler liefert auch verlässlich ab. Beim 3:1-Sieg der Münchner in Stuttgart ging er voran und erzielte sogar einen Treffer.
Anschließend klopfte er sich mehrmals auf das bayerische Logo auf seiner Brust – ein eindeutiges Zeichen. „Ich wollte mich einfach voll auf den Fußball konzentrieren. Ich hatte irgendwie auch das Gefühl, dass man die Situation nicht mit Worten lösen kann“, sagt Goretzka jetzt über seine schwere Zeit.
Klar ist: Der Mittelfeldspieler hat sich immer wieder neu erfunden und ist das Stehaufmännchen Nummer 1. Bereits unter Julian Nagelsmann musste er sich gegen Marcel Sabitzer durchbeißen. Er folgte die schwere Zeit unter Thomas Tuchel. Der damalige Bayern-Trainer stellte im Sommer 2023 sogar einen Abschied Goretzkas in Aussicht und bemängelte dessen Führungsqualitäten.
Der gebürtige Bochumer konnte aber durch eine spektakuläre Ansage sein Ansehen retten. „Ich liebe den Verein, ich liebe die Stadt, ich liebe die Fans“, sagte Goretzka damals und schloss einen Wechsel vollkommen aus. Zu Recht, schließlich entwickelte er sich unter Tuchel dann doch zum Dauerbrenner beim unter der Verletztenmisere leidenden FC Bayern. Ein halbes Jahr später gab Goretzka schließlich eine Art Quarterback und wurde von Tuchel für seine Passgenauigkeit und -härte gelobt.
Vincent Kompany lobt Goretzka
Sein jetziger Trainer Vincent Kompany kommt derzeit auch nicht am 30-Jährigen vorbei. „Ich war auch Spieler. Wenn einer spielt, gibt es einen Grund. Letztendlich ist es immer der Spieler, der sich selbst nach oben hebt. Wir Trainer sind immer da und geben den Jungs Energie und die Möglichkeit, um ihre Position zu kämpfen“, sagte der Belgier am Montagabend auf Frage von SPORT1. Goretzka ist endlich wieder angekommen.
„Ich hatte von Anfang ein sehr gutes Verhältnis zum Trainer. Auch als ich Anfang der Saison nicht gespielt habe, hatte ich immer das Gefühl, dass er mich schätzt und immer ehrlich zu mir war“, so der Spieler auf Nachfrage von SPORT1.
Das hilft ihm in der Gegenwart, aber nicht in der Zukunft. Sein Vertrag läuft im Sommer 2026 aus und nach SPORT1-Informationen ist er weiterhin ein Verkaufskandidat – auch weil er in den Augen der Bosse zu viel verdient.
„Leon hatte keine einfache Situation, er hat sich aber zurückgekämpft. Hut ab! Das sagt viel über seinen Charakter aus“, erklärte Sportdirektor Christoph Freund zwar in der vergangenen Woche, fügte aber an, dass die grundsätzliche Einschätzung des Vereins nicht anders ist: „Die Situation hat sich nicht groß geändert.“
Die bayerische Sprachregelung bleibt bestehen: Man schätzt Goretzka, doch ist man weiterhin der Meinung, dass es für ihn aufgrund der Konkurrenzsituation im Mittelfeld auch zukünftig schwer bleiben wird. Zumal man für die kommende Saison mit Tom Bischof einen aufstrebenden deutschen Profi verpflichten konnte.
„Ich mache mir darüber nicht allzu viele Gedanken. Ich habe ja noch ein Jahr Vertrag. Wir haben in den aktuellen Wochen so viel um die Ohren, dass dafür sowieso kein Platz ist“, lautet das Motto von Goretzka wenn es um seine Zukunft geht – so sagt er es zumindest. Dass die Klub-Strategen ihn aber auch weiterhin in München spielen lassen, hängt vor allem von zwei Dingen ab: Leistung auf dem Platz und Verzicht auf dem Bankkonto.