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Frauen-EM 2022: "Ob das Fairplay ist ..." - Horst Hrubesch über Finale gegen England

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Frauen-EM 2022: "Ob das Fairplay ist ..." - Horst Hrubesch über Finale gegen England

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Hrubesch: „Ob das Fairplay ist ...“

Horst Hrubesch spricht bei SPORT1 über den Erfolg der deutschen Frauen bei der EM. Der frühere Interimstrainer der DFB-Frauen blickt aber nur teilweise optimistisch in die Zukunft.
Traum zerplatzt! Die deutsche Frauennationalmannschaft unterliegt den Engländerinnen im Finale der Europameisterschaft mit 1:2 nach Verlängerung.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Am Ende hat es nicht sollen sein. Die deutschen Fußballfrauen mussten mit ansehen, wie der Gegner England den EM-Pokal in den Nachthimmel von Wembley reckte und sich feiern ließ. (Bericht: Bitteres Ende für deutsche Heldin)

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Horst Hrubesch, seit der Saison 2020/21 Nachwuchsdirektor im Nachwuchsleistungszentrum des Hamburger SV und Klub-Legende, fühlt mit den „Mädels“, wie er die Nationalspielerinnen liebevoll nennt.

Der 68-Jährige, der seit dem Jahr 2000 in Diensten des DFB zum mit EM-Titeln und Olympia-Silber dekorierten Nachwuchsförderer wurde, war 2018 für zehn Monate Interimstrainer der Frauen und damit unmittelbarer Vorgänger von Bundestrainerin Martina-Voss Tecklenburg.

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Für SPORT1 nahm sich Hrubesch Zeit, um über das verlorene Finale und den Frauenfußball zu sprechen. (Englische Presse: Schlag auf Deutschlands Genick)

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SPORT1: Herr Hrubesch, was sagen Sie zum Finalsieg von Englands Frauen gegen die deutsche Nationalmannschaft?

Horst Hrubesch: Ich habe das in meiner Karriere auch schonmal erlebt und weiß, wie weh das tut. Ein großes Kompliment aber an alle, die beteiligt waren. Was da geleistet wurde, das war sensationell. Dieses Team kann man nicht hoch genug loben. Trotz der Ausfälle sich da so durchzubeißen - egal, ob es wegen Corona-Infektionen oder aufgrund von Verletzungen war - und mit solche einer Einstellung Fußball zu spielen, das ist aller Ehren wert. Besser kannst du es nicht machen. Am Ende hat die falsche Mannschaft glücklich gewonnen. Beide Mannschaften haben aber ein super Turnier und ein klasse Finale gespielt. (NEWS: Alles Wichtige zur Frauen-EM 2022)

SPORT1: Es gab ja den Ärger mit diesem Handspiel, das hätte für das deutsche Team ein Elfmeter sein müssen. Wie haben Sie es gesehen?

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Hrubesch: Hier muss man der UEFA einen Vorwurf bezüglich des Videobeweises machen. Wenn sich hinterher klar beweisen lässt, dass es ein Strafstoß war, dann haben wir da ein Problem. Und sowas ärgert mich maßlos. Die Schiedsrichterin ist nicht mal aufgefordert worden, sich die Szene nochmal anzuschauen, sondern hat es einfach so weiterlaufen lassen. Am Ende sind das Entscheidungen, die getroffen werden und die du dann akzeptieren musst. Leider. Wir hatten trotzdem die Möglichkeiten, das Endspiel für uns zu entscheiden.

Nach der Frauen-EM in England spricht Bibiana Steinhaus-Webb über dei Stimmung
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SPORT1: Wäre es mit Alexandra Popp anders gelaufen?

Hrubesch: Im Vorfeld hatten viele von einer absoluten Schwächung gesprochen, aber man hat gesehen, dass diese Mannschaft alles wegstecken kann. Es wäre jetzt rein spekulativ, das zu behaupten. Poppi war ein klarer Faktor in diesem Turnier, aber es wäre nicht okay, wenn man jetzt den anderen Spielerinnen nicht bescheinigen würde, dass sie trotz alledem eine Top-Leistung abgerufen haben.

Hrubesch: „Da stand ein Team auf dem Platz“

SPORT1: Und Respekt, dass Popp das dann auch klar so kommuniziert hat.

Hrubesch: Das stimmt, aber das passt zum Gesamtgefüge, denn die Mannschaft funktioniert. Das war ganz entscheidend. Bei dem Turnier hat man in vielen Situationen gesehen, dass da ein Team auf dem Platz steht, das füreinander alles gibt und füreinander da ist. Die Art und Weise, wie miteinander Fußball gespielt wurde, war großartig. Vor allem, wie der Frauenfußball rübergebracht wurde. Frauenfußball darf in der Welt einfach nicht mehr belächelt werden. Das darf keiner mehr machen. Was von den Mädels bei der EURO gezeigt wurde, war Weltklasse. Nicht nur vom deutschen Team. Das war First Class.

SPORT1: Aber woher kommt dieser plötzliche Hype um den Frauenfußball?

Hrubesch: Das ist eine ganz einfache Antwort: Es gibt wieder „Typen“ in der Nationalmannschaft, die einfach Spaß machen. Die junge Jule Brand, Sara Däbritz, Almuth Schult und Svenja Huth oder eben Popp. Das sind alles besondere Charaktere. Schon zu der Zeit, als ich das als Überbrückung gemacht habe, konnte man schon einige charakterstarke Spielerinnen sehen, die etwas ausstrahlen. Die Frage ist nur, wie man jetzt damit umgeht. Wie kriegt man die Frauen auf den Stellenwert, der ihnen zusteht? Der DFB sollte den Mädels die volle Prämie zahlen. Weil das, was sie für den Fußball geleistet haben, kann man gar nicht hoch genug bewerten.

SPORT1: England hat im Finale zum Ende hin extrem auf Zeit gespielt. Wie haben Sie das gesehen?

Hrubesch: Genauso, aber das gehört ja dazu. Bei den Männern machen wir da auch keinen Aufstand. Irgendwo wird dann auch mal eine gewisse Cleverness und Abgebrühtheit verlangt. Ob das Fairplay ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber das man als Team versucht über die Zeit zu kommen, gehört zum Spiel dazu. Die Engländerinnen hatten auch großen Respekt und haben am Ende versucht nur noch Fehler zu vermeiden und abzuliefern, um diesen knappen Vorsprung bis ins Ziel zu bringen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir vielleicht noch eine Möglichkeit kriegen. Ich denke wir hätten sie auch nutzen können.

SPORT1: Und die Engländerinnen legten durchaus die Härte der Männer an den Tag.

Hrubesch: Die Frauen können auch hart gegeneinander spielen. Man hat auch gesehen, wie wir das weggesteckt haben. Wir haben uns nicht beschwert und rumgejammert, sondern haben dagegengehalten. Mit etwas mehr Glück in den Abschlüssen hätten wir es auch für uns entscheiden können. (DATEN: Gruppen und Tabellen der Frauen-EM 2022)

SPORT1: Glauben Sie, dass dieser Hype um den Frauenfußball jetzt dauerhaft ist?

Hrubesch: Ich hoffe, dass der Hype bleibt, sich der Frauenfußball weiterentwickelt. Jetzt werden hoffentlich die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Nur leere Worte werden nicht reichen. Ich habe im Fernsehen von Stipendien gehört, doch die werden nicht reichen. Es muss insgesamt etwas passieren für den Frauenfußball, bis runter zur Basis. Da muss man die Verbände mit einbinden und es muss ein Programm entwickelt werden, das wirklich greift. Und da ist der DFB gefordert. Die Basis muss wesentlich breiter aufgestellt werden. Wir spielen in einer 2. Liga, in der sechs oder sieben Zweitvertretungen von Mannschaften aus der 1. Liga spielen. Das kann es doch nicht sein. Das hat dann nichts mit Qualität zu tun, sondern mit schlechter Nachwuchsarbeit.

Die Frauennationalmannschaft wurde nach der unglücklichen Niederlage im EM-Finale in Frankfurt von den Fans empfangen. Trotz des verpassten Titels wurden die Spielerinnen gefeiert.
02:50
Ankunft der Frauen-Nationalmannschaft: So wurde das DFB-Team empfangen

SPORT1: Was ist der große Unterschied zu Ihrer Zeit, als Sie für zehn Monate Trainer der Frauen waren?

Hrubesch: Damals ging es hauptsächlich darum, der Mannschaft das Selbstvertrauen zurückzugeben. Wichtig war, dass wir die Qualifikation für die Weltmeisterschaft geschafft haben. Da haben wir aber nicht das gespielt, was wir uns vorgestellt haben. Und jetzt konnten wir sehen, dass in den vergangenen drei Jahren einiges richtig gemacht wurde. Die Mädels haben sich weiterentwickelt und jetzt in England beste Werbung für sich selbst betrieben. Es ist eine echte Mannschaft, die sich für das Turnier zusammengerauft hat.

SPORT1: Befürchten Sie, dass dieser Hype bis zur WM 2023 verpufft? Stichwort Uhrzeiten in Australien.

Hrubesch: Wir alle sind jetzt gefordert, um auch diese WM wieder in den Fokus zu rücken und vielleicht noch interessanter zu machen. Die Medien, die Verbände, der DFB als Dachverband sowieso. Einige Länder in Europa haben im Frauenfußball riesige Schritte gemacht und sind vorwärts gegangen, das hat diese EM gezeigt. Man hat auch zuletzt in den Niederlanden gesehen, was da abgeht.

„Erst dann können wir von professionellem Frauenfußball sprechen“

SPORT1: Und in Deutschland hinkt man hinterher?

Hrubesch: Schon. In Deutschland haben wir immer noch Probleme, die Mädels auf einen richtig professionellen Stand zu bringen. Wenn ich da nur an die Trainingsplätze oder die Anstoßzeiten denke. Auch in den Regionalverbänden muss man sich Gedanken machen. Warum steigen dort die meisten nicht direkt in die 2. Liga auf? Das hat uns beim Hamburger SV auch betroffen. Wir wollen auf den Nachwuchs setzen, aber in der Regionalliga müssen alle Spielerinnen für die Nationalmannschaft abgestellt werden. Teilweise hatten wir am Wochenende in den Spielen nur sieben oder acht Spielerinnen. Die Möglichkeiten im Frauenfußball müssen weiter verbessert werden.

SPORT1: Die deutsche Elf ist ja noch eine junge Truppe. Was trauen Sie den Mädels künftig zu?

Hrubesch: Ich traue denen alles zu, das haben sie bewiesen. Wir müssen vor allem aber schauen, was wir im Abwehr-Bereich noch für Alternativen haben. Denn da sind die Mädels schon im fortgeschrittenen Fußball-Alter. Die Qualität ist dennoch enorm, keine Frage.

SPORT1: Kann man vom Frauenfußball endgültig auf professionellem Level leben.

Hrubesch: Die Mädels, die in diesem Bereich Fußball spielen, müssen so viel Geld verdienen, dass sie nicht noch einen Nebenjob machen müssen. Erst dann können wir von professionellem Frauenfußball sprechen. Die meisten im Team haben noch Nebenjobs im Alltag oder sie studieren. Im Frauenfußball gibt es noch viele Probleme zu lösen.

SPORT1: Dann stimmen Sie sicher Lina Magull zu, die zuletzt eine bessere Bezahlung forderte. Stichwort Mindestlohn von 2000/3000 Euro im Monat.

Hrubesch: Wir reden darüber, dass die Profis am Ende des Tages für ihren Job professionelle Strukturen haben, dann sollen sie auch professionell bezahlt werden. Selbst 2000 oder 3000 Euro ist mir da schon zu wenig. Sie sind das ganze Jahr in den Ligen unterwegs und für die, die international spielen, gilt das sowieso. Einige Spielerinnen verdienen schon gutes Geld, aber es muss vom Grundsatz her auch die „kleine“ Spielerin zufriedengestellt werden, damit sie unter Profi-Bedingungen trainieren und spielen kann. Wie gesagt: Es muss sich noch einiges tun im Frauenfußball. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der Frauen-EM 2022)