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Nach Fall "vom Himmel auf den Boden": Kameni kämpft um seinen Traum

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Nach Fall "vom Himmel auf den Boden": Kameni kämpft um seinen Traum

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Kamenis unglaubliche Geschichte

Der kamerunische Torhüter Carlos Kameni hat alle Höhen und Tiefen des Profigeschäfts kennengelernt. Nun setzt der 38-Jährige noch einmal ambitionierte Ziele – und wählt einen außergewöhnlichen Weg.
Ex-Weltmeister Bastian Schweinsteiger gibt seine Prognose für das DFB-Team bei der WM in Katar ab.
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Wenn Carlos Kameni sein Leben als Fußballprofi Revue passieren lässt, hätte er sich einige Kapitel seiner Vergangenheit wohl lieber erspart.

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Die Geschichte des mittlerweile 38 Jahre alten Torhüters ist lang - und beinhaltet Titel, Tränen, Triumphe, Frustrationen, Ungewissheiten sowie alles Weitere, was darüber hinaus denkbar ist. Eben eine echte Achterbahnfahrt, die bis heute nicht beendet ist. Begriffe wie Aufgeben oder Resignieren kommen nämlich nicht in seinem Wortschatz vor.

Seit Ende August steht der Kameruner bei UE Santa Coloma - einem kleinen Verein aus dem Zwergstaat Andorra - unter Vertrag und schuftet im Spätherbst seiner Karriere mal wieder für einen großen Traum.

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„Ich möchte mit Kamerun an der Weltmeisterschaft in Katar teilnehmen und in LaLiga zurückkehren“, wird Kameni von der Marca zitiert. (NEWS: Alles Wichtige zur WM)

Jüngster Fußball-Olympiasieger der Geschichte

Dass Kameni überhaupt einmal einen solch ungewöhnlichen Schritt wagen muss und in der Fußballprovinz anheuert, hätte vor geraumer Zeit wohl kaum jemand für möglich gehalten.

Vor über zwei Jahrzehnten ging dessen Stern bei den Sommerspielen 2000 in Sydney urplötzlich auf. Er wurde im Alter von 16 Jahren der jüngste Fußball-Olympiasieger der Geschichte.

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Kameni: „Keine meiner Etappen war einfach“

Dabei war es Kameni selbst, der damals im Elfmeterschießen des Finals gegen Spanien entscheidend parierte und Kamerun letztlich die erste olympische Goldmedaille seit Bestehen des Landes sicherte. Ein historischer Moment, der inzwischen fast in Vergessenheit geraten ist.

Bei Santa Coloma geht es nämlich um andere Dinge als triumphale Endspielsiege. Vielmehr steht im Pyrenäen-Staat die harte Arbeit abseits der glamourösen Fußballwelt im Vordergrund – so wie es Kameni bereits aus der Vergangenheit kennt.

„Keine meiner Etappen war einfach. Alles, was ich erreicht habe, beruht auf harter Anstrengung und Aufopferung“, stellte Kameni mit einer gewissen Traurigkeit, aber Verständnis fest. Er setzte früh alles auf eine Karte, verließ seine Familie mit 13 Jahren und ging nach Frankreich zum AC Le Havre.

Carlos Kameni will zurück auf die große Fußball-Bühne
Carlos Kameni will zurück auf die große Fußball-Bühne

Falsche Versprechen von Málaga an Kameni

Vom Olympia-Coup mit seinem Heimatland profitierte Kameni nie: Sowohl in Le Havre als auch dem Nachfolgeverein in Saint Etienne kam er nicht zum Zug, ehe der Schlussmann erst 2004 nach Spanien zu Espanyol Barcelona flüchtete.

„Das sind fast vier Jahre, in denen ich nicht eingesetzt wurde. Leiden, ohne zu spielen. Ich kam mit 20 Jahren zu Espanyol und musste darum kämpfen, in der Startelf zu stehen“, erinnerte er sich. Allerdings setzte Kameni sich auch im ersten Anlauf in Spanien nicht durch.

Besser lief es erst in den Folgejahren: Kameni etablierte sich in Barcelona als Stammkeeper und empfahl sich allmählich für höhere Aufgaben. Nach sechs erfolgreichen Jahren bei Espanyol schoss er sich dem Ligakonkurrenten FC Málaga an – wo ihn prompt der nächste Karriereknick erwartete.

Kameni verpasst WM 2014

„Dort fand ich Caballero (Willy Caballero; Anm. d Red.) in einem unglaublich starken Zustand vor. Und ich musste auf der Bank warten. Es folgten zwei schwierige Jahre, in denen ich jeden Tag bis zum Äußersten trainierte und auf meine Chance wartete. Ich habe aber einige Spiele bestritten und wir haben uns für die Champions League qualifiziert. Das war mein Traum“, erzählte der Torhüter.

Die fehlende Spielpraxis wurde Kameni auch in der Nationalmannschaft zum Verhängnis: „Ich habe die Weltmeisterschaft 2014 verpasst, weil ich keine Minuten hatte.“

Unmittelbar nach dem Turnier in Brasilien musste der Kameruner den nächsten Rückschlag verkraften.

Kameni: „Ich wurde im Stich gelassen“

„Als Caballero ging, wurde mir ein Startplatz versprochen, aber in der folgenden Saison wurde Ochoa (Guillermo Ochoa; Anm. d. Red.) verpflichtet, der gerade eine großartige Weltmeisterschaft gespielt hatte. Und sie haben mich zwei Wochen vor dem Start der LaLiga gebeten, meinen Vertrag zu kündigen. Ich musste mein Gehalt senken, und Gott sei Dank hat das gut geklappt“, erklärte Kameni, der sich bis Sommer 2017 im Kasten von Málaga festspielte.

Anschließend zog Kameni weiter zu Fenerbahce, wo es im ersten Jahr ebenfalls nach Plan lief. „Wir waren nur einen Punkt vom Meistertitel entfernt und verloren das Pokalfinale“, resümierte er und ergänzte: „Aber zu Beginn des zweiten Jahres haben sie mich ohne Angabe von Gründen nicht auf die Liste gesetzt. Ich wurde im Stich gelassen.“

Rückblickend erhob der 38-Jährige auf seine Zeit in Istanbul schwere Vorwürfe: „Von September bis Dezember habe ich mit der ersten Mannschaft trainiert, weil Trainer Cocu (Phillip Cocu; Anm. d. Red.) mich nicht rauslassen wollte. Aber nach Weihnachten gab es einen neuen Coach und sie schickten mich allein zum Training – weit weg. Es war schwierig. Ich musste meinen Vertrag kündigen, weil sie mich nicht bezahlt haben.“

Carlos Kameni kam bei Fenerbahce von 2017 bis 2019 nur auf neun Pflichtspiel-Einsätze
Carlos Kameni kam bei Fenerbahce von 2017 bis 2019 nur auf neun Pflichtspiel-Einsätze

Kameni: „..aus Himmel auf den Boden der Tatsachen gefallen“

Ruckartig schloss sich die Tür in der Türkei – und Kameni stand plötzlich komplett ohne Verein dar.

„Es war fast so, als würde man aus Himmel auf den Boden der Tatsachen fallen. Aber ich sah es als eine weitere Herausforderung an, die Gott vor mich gestellt hatte und ich musste sie überwinden, um mich noch stärker zu fühlen. Das ist mir gelungen“, hob der Kameruner hervor. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der WM)

Schließlich kam es für Kameni aber noch schlimmer: „Ich ging wieder nach Spanien, aber dann begann die Pandemie. Es war schwierig, ein Team zu finden. Weil es eine Beschwerde bei der FIFA gab, wurde alles noch komplizierter und ich habe allein trainiert.“

Training auf Beton statt Rasen

Die zwischenzeitliche Rettung sei damals ein Anruf vom unterklassigen Verein Torremolinos gewesen, der Kameni als Gastspieler ins Team holte. „Es hat mir sehr geholfen, aus dem Haus zu kommen und zum Training zu gehen, auch wenn ich nicht an Wettkämpfen teilnehmen konnte“, erklärte er rückblickend.

Für Spielpraxis wagte Kameni das nächste Abenteuer. Es ging für eine Saison bis zum Sommer diesen Jahres nach Dschibuti zur AS Arta Solar7. Den Kontakt zum afrikanischen Klub knüpfte Ex-Arsenal-Star Alex Song, der dort zeitgleich spielte.

„Ich war völlig anderen Voraussetzungen ausgesetzt: Ich trainierte nicht mehr auf Naturrasen, sondern auf Beton, bei 35 Grad, mit hoher Luftfeuchtigkeit und sehr schwierigen Wettkampf- und Lebensbedingungen. Aber ich bin hingegangen, um zu spielen und meinen Beitrag zu leisten“, konstatierte der Kameruner, dessen letzter Länderspieleinsatz auf dem 9. Juni 2019 datiert.

Kameni möchte „wieder in LaLiga spielen“

Trotz Jahren des Umherirrens ist Kameni die Lust auf Profifußball nicht vergangen.

Kameni weiß genau, was Erfolg ist und wie schwer es ist, ihn zu erreichen. Immer wieder war er mit Frustration, Isolation und Hilflosigkeit konfrontiert. Nun schlug der 38-Jährige zum wiederholten Male ein neues Kapitel in seiner Karriere auf.

„Ich wollte auf hohem Niveau weitermachen und habe diese Chance genutzt“, sagte der 38-Jährige hinsichtlich seines Engagements bei Santa Coloma, wo er Ende August einen Einjahresvertrag unterschrieb.

Den Kampfgeist verkörpert Kameni auch im hohen Fußballer-Alter: „Es ist eine erste Liga, in Andorra. Ich bin in Europa aktiv und möchte - wenn möglich - wieder in der Elite spielen, in LaLiga.“

Selbstredend ist er der große Star beim kleinen Verein im Zwergenstaat. „Er wird als Gott angesehen, weil er so ist, wie er ist und wie er alle behandelt, vor allem die Kinder. Er bleibt bei jedem stehen, unterschreibt für sie, lächelt sie an, spricht mit ihnen...“, schwärmte Klub-Manager Javier Romero.

Derzeit lebt Kameni ohne seine Familie in Andorra

Eines ist sicher: Wegen des Geldes wird Kameni kaum bei UE Santa Coloma unterschrieben haben. Das Gesamtbudget des Vereins beträgt gerade einmal rund 200.000 Euro, wovon etwa 75 Prozent in die erste Mannschaft fließen.

Für seinen Traum verzichtet Kameni auf vieles. Er lebt alleine in einem bescheidenen Hotel, das einem der Vereinsverantwortlichen gehört – ohne seine Familie, die noch in Málaga weilt. (DATEN: Gruppen und Tabellen der WM)

Kameni ackert eben leidenschaftlich für ein Comeback in der Elite des Fußballs. Er möchte mit Kamerun an der Weltmeisterschaft in Katar teilnehmen. Er möchte in die LaLiga zurückkehren. Und dafür ist Andorra der beste Weg, den er gefunden hat.

Aufgeben ist für ihn weiterhin keine Option.

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