Urs Meier war skeptisch, was die Aussichten für Stéphanie Frappart anging.
Schiedsrichterin: Legende übt Kritik
Pierluigi Collina, der legendäre Schiedsrichter-Chef der FIFA werde bei der WM „keine Schiedsrichterin für die ganz wichtigen Spiele aufbieten“, prognostizierte der frühere Weltklasse-Schiri in seinem „Urs Meier Podcast“. (NEWS: Alles Wichtige zur WM)
Nun ist die französische Top-Schiedsrichterin doch für ein auf jeden Fall nicht ganz unwichtiges Spiel berufen worden, leitet das deutsche Gruppen-Endspiel gegen Costa Rica. (DATEN: WM-Spielplan 2022)
Bundestrainer Hansi Flick und DFB-Abwehrspieler Lukas Klostermann haben die geschichtsträchtige Ansetzung begrüßt. Meier sieht die Personalie Frappart dagegen nicht ganz unkritisch - aus für ihn prinzipiellen Gründen.
„Warum ist Nummer 5 oder 6 dabei und Nummer 2 oder 3 nicht?“
Im Gespräch mit SPORT1 bekräftigt der 63-Jährige - jahrelang auch als WM- und EM-Experte des ZDF bekannt -, seine bereits zuvor geäußerte Kritik an der Auswahlpolitik der FIFA, die auch Frappart betrifft.
„Nicht falsch verstehen: Meine Kritik richtet sich nicht gegen Stéphanie Frappart, sie hat sich auf hohem Niveau etabliert und ja auch schon in der Champions League gepfiffen“, sagt Meier: „Ich bin nur trotzdem der Meinung, dass alles auf dem Leistungsprinzip gründen sollte und wenn ich das zum Maßstab nehme, frage ich mich: Warum ist die Nummer 5 oder 6 im französischen Schiri-Bereich dabei und die Nummer 2 oder 3 nicht?“
Stéphanie Frappart: In der Champions League pfiffen andere häufiger
Meier - früher verheiratet mit der WM-Finalschiedsrichterin Nicole Petignat - hat keine generellen Vorbehalte gegen weibliche Schiedsrichter im Männerbereich, worauf er abzielt, sind die Berufungskriterien.
Die FIFA hat für die WM insgesamt 36 (Haupt-)Unparteiische nominiert, alle Kontinente sind vertreten, die meisten Ländern entsenden nur einen - Daniel Siebert ist der einzige Deutsche.
Die drei weiblichen Vertreterinnen kommen aus Japan (Yoshimi Yamashita), Ruanda (Salima Mukansanga) und Frankreich (Frappart), einem der wenigen Länder mit zwei Plätzen im Aufgebot. Der andere ging an Clément Turpin, der auch das Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool gepfiffen hatte.
Meier wirft die Frage auf, wie fair Frapparts Berufung gegenüber Kollegen ist, die in den vergangenen Jahren profilierter waren - in der Champions League waren die französischen FIFA-Schiris Francois Letexier und Benoit Bastien in den vergangenen Jahren häufiger im Einsatz. (DATEN: Gruppen und Tabellen der WM)
„Bleiben ja auch viele Schiedsrichter aus Deutschland außen vor“
Letztlich ist aber auch Meier klar, dass es bei der Schiri-Auswahl auch um Repräsentation geht, nicht nur die der Geschlechter: „Es bleiben ja auch viele gute Schiedsrichter zum Beispiel aus Deutschland außen vor, weil andere Länder vertreten werden müssen.“
Meiers Idealvorstellung sähe anders aus: „Meine Grundüberzeugung ist die, dass ein guter Schiedsrichter bzw. eine gute Schiedsrichterin jedes Spiel pfeifen kann. Ich finde zum Beispiel auch, dass ein Schiedsrichter aus Bayern auch ein Spiel des FC Bayern pfeifen können sollte, weil ein Schiedsrichter einfach per se neutral ist. Entscheidend ist die Qualität - und ob ein Schiri mit seiner Art zu einem bestimmten Spiel passt oder nicht.“
Bibiana Steinhaus-Webb: „Sie hat bewiesen, dass sie es kann“
Dass Frappart nun diejenige ist, die als passende Wahl für die historische Errungenschaft betrachtet wird, kommt nicht überraschend.
Die 38-Jährige ist unter den drei Schiedsrichterinnen diejenige mit den meisten Referenzen: Sie wurde 2019 zur ersten weiblichen Unparteiischen in der Ligue 1, danach auch zur ersten Schiedsrichterin in der Champions League, der Nations League und der WM-Qualifikation.
„Sie hat mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie es kann“, befand die deutsche Schiedsrichter-Pionieren Bibiana Steinhaus-Webb schon 2020 bei SPORT1, die 1,64 Meter große Frappart zeichne sich aus durch „Coolness, Gelassenheit und die überragende Fitness“.
Auch Meier würdigt Frappart trotz seiner Kritik: „Ich bin überzeugt, dass sie dieses Spiel gut leiten wird.“ Und er sagt auch: „Es ist richtig, dass sich die Deutschen auf das Spiel konzentrieren und nicht auf die Schiedsrichterin. Es ist ein Nebenschauplatz.“