Erwin Jan Feuchtmann Peréz – allein bei dem Namen offenbart sich noch nicht, ob es sich um einen deutschen Studenten mit südländischem Einfluss, oder einen eingefleischten Südländer mit zentraleuropäischen Vorfahren handelt. Kenner wissen aber natürlich: Erwin Feuchtmann ist Chiles Handball-Held.
WM-Märchen mit deutschen Wurzeln
Das Team aus Südamerika hat es tatsächlich geschafft und ist bei seiner insgesamt achten WM-Teilnahme erstmals in die Hauptrunde eingezogen. Bei fast allen Anläufen dabei und daher nun umso glücklicher: Erwin Feuchtmann.

Chile schreibt WM-Geschichte
Mit inzwischen über 250 Toren bei Weltmeisterschaften hatte der Rückraumspieler erheblichen Anteil an der Entwicklung des Sports in seinem Land. Doch nicht nur Erwin selbst, seine Familie ist so etwas wie der Handball-Ursprung in Chile.
Der Großvater war in den 1930er-Jahren aus Mannheim ausgewandert, „mein Vater hat mit allem angefangen. Er war derjenige, der den Rest der Familie dazu inspirierte, zu versuchen, Profispieler in Europa zu werden. Dann hat mein älterer Bruder die Tradition fortgesetzt“, schilderte Feuchtmann in einem auf der Webseite des internationalen Handball-Verbands IHF publizierten Interview: „Dann haben wir alle gespielt, meine Brüder und meine Schwester Inga, die die erste Profihandballerin in Chile war.“
Bei der ersten WM-Teilnahme Chiles hatten noch alle drei Brüder auf dem Parkett gestanden: Erwin, Emil und Harald. Inzwischen ist nur noch der Jüngste der drei übriggeblieben – jedoch zuversichtlicher und vitaler denn je. „Ich bin aufgeregter als bei meiner ersten Weltmeisterschaft, es ist unglaublich. Unser Ziel ist es, uns immer weiter zu verbessern und bei jedem Wettbewerb, an dem wir teilnehmen, etwas zu lernen“, so Feuchtmann.

Doch nicht nur die Lernbereitschaft zeichnet den Rechtshänder aus, bei Fenix Toulouse, dem Vierten der französischen Profiliga, spielt Feuchtmann auf europäischem Topniveau. Und: Der Kontakt nach Deutschland ist nie abgerissen. Neben Frankreich, Spanien, der Türkei, Österreich und Rumänien war Feuchtmann schon zweimal in Deutschland aktiv, hat zudem die doppelte Staatsbürgerschaft inne.
Ein Halb-Deutscher Handball-Held bald wieder in der Bundesliga?
2015/16 lief er für den TBV Lemgo-Lippe auf, 2017/18 für den VfL Gummersbach. Und nach der WM ein drittes Mal? „Ich bin offen! Ich habe damals gesagt, dass ich glaube, dass meine Zeit in Deutschland vorbei ist. Vielleicht ist es aber noch nicht vorbei für die Mannschaften in der Bundesliga. Also, wer weiß“, hüllte sich Feuchtmann vor der WM im Podcast von SprungwurfTV in mysteriösem Schweigen, mit Leipzig hätte es bereits Kontakt gegeben.
Doch nicht nur die Sachsen dürften auf den Mann aus Punta Arenas aufmerksam geworden sein, immerhin sorgte er mit seinem Team für ein Novum: Erstmals in der Geschichte stehen drei südamerikanische Teams (ARG, BRA, CHI) in der Hauptrunde einer WM.
Dabei sah es nach zwei der drei Gruppenspiele für Chile noch ganz und gar nicht nach rosigen Tagen in Norwegen aus. Gegen Spanien verloren die Chilenen noch mit 22:31, gegen Schweden setzte es gar 42 Gegentore. Doch der große Auftritt gegen Japan, bei dem Torhüter Felipe García allein in der ersten Halbzeit sechs Eins-gegen-eins-Duelle parieren konnte, überragende 13 Bälle hielt, reichte für das Weiterkommen.
So musste Feuchtmann selbst noch gar nicht an seine Bestleistung herankommen, 54 Tore bei der WM 2023 sind bis heute persönlicher Rekord. Aktuell steht Feuchtmann bei 21 Treffern, neun davon alleine im entscheidenden Spiel gegen Japan, und ist damit sechstbester Schütze des Turniers. Weitere Treffer dürften in der Hauptrunde folgen, allen voran heute ab 18 Uhr, wenn Chile im rein südamerikanischen Duell mit Brasilien antritt (alle Ergebnisse auf SPORT1).
Handball-WM - Gegner Norwegen und Co.: K.o.-Phase unerreichbar?
Am Freitag wartet Norwegen, am Sonntag Portugal. Ein Weiterkommen ins Viertelfinale scheint zwar ohnehin äußerst unrealistisch, doch so schlimm scheint das im Handball-Kosmos des 20-Millionen-Einwohner-Staates gar nicht zu sein: „Neulich habe ich mit einem Mannschaftskameraden gesprochen und ihm gesagt, dass ich es liebe, Handball zu spielen. Ich liebe es, einfach zu spielen, ich liebe den Wettkampf“, schilderte Erwin Feuchtmann weiter.
Da kann man auch mal darüber hinwegsehen, dass der eigene Klub aus Toulouse auf der vereinseigenen Webseite gar den Namen falsch schreibt. „Feutchmann“ steht dort in großen Lettern unter einem Konterfei des 1,95-Meter-Mannes. Spätestens nach der WM dürfte das aber nun ausgebessert werden. Immerhin weiß jetzt auch die große Handball-Welt vom Handball-Zwergen Chile.