David Späth: 13 Prozent Paradenquote. Andreas Wolff: 26 Prozent. Die beiden deutschen Torhüter konnten einem im WM-Spiel gegen das übermächtige Dänemark leidtun.
Keine Lösung in Sicht
Angriff um Angriff rollte auf die DHB-Schlussmänner zu. Es gelang ihnen nur selten, einen der so genannten unhaltbaren Würfe zu parieren, doch am Duo lag es am wenigsten, dass Deutschland beim 30:40 gegen den Olympiasieger nicht mithalten konnte.

Was Mathias Gidsel, Simon Pytlick oder Rasmus Lauge dem euphorisierten Heimpublikum in Herning boten, ist derzeit im Welthandball nicht zu toppen. Doch die deutschen Stars, die in der Offensive durchaus zu überzeugen wussten, gingen dennoch äußerst selbstkritisch mit der Tatsache um, dass sie es den Dänen am anderen Ende des Feldes viel zu leicht machten.
Gislason: „Viel zu viele Fehler“
Ein wiederkehrendes Muster sind einfache Fehler im eigenen Ballbesitz, die für das unnachahmliche Tempospiel der Skandinavier ein gefundenes Fressen sind. Verlor Deutschland den Ball, schlug dieser nicht selten wenige Sekunden später hinter Wolff oder Späth ein.
„Viel zu viele Fehler und Gegenstöße“ sah Trainer Alfred Gislason. Doch ein weiterer Aspekt sollte deutlich mehr Sorgen machen - und lässt sich vermutlich schwieriger abstellen.
„Wir konnten nicht so richtig zupacken in der Deckung“ (Lukas Zerbe), „wir konnten uns defensiv nicht stabilisieren“ (Renars Uscins), „die Abwehr ist nicht griffig genug“ (Johannes Golla) - die Beschreibungen für das elementare Problem im deutschen Spiel waren vielfältig.
Auch im Positionsangriff wollte es Deutschland einfach nicht gelingen, Fehlwürfe der Dänen zu erzwingen. Nach zwölf Minuten hatten diese bereits zwölf Tore erzielt. Näher als beim Stand von 8:12 sollte das DHB-Team bis zum Ende nicht mehr herankommen. Zu variabel, abgezockt und individuell stark präsentierte sich der Olympiasieger.
Golla unzufrieden: „Das geht nicht“
Doch Golla wollte die gegnerische Qualität nicht als Ausrede gelten lassen und stellte klar: „Das ist oft zu einfach, da reicht ein Anstoßen, ein Pass, dann laufen sie bei uns durch die Abwehr, das geht nicht.“ Zwar sei es im Laufe des Spiels „etwas besser geworden“, doch da war es bereits zu spät.
Deutschland hielt nur bis zum 7:8 gut mit, was daran lag, dass auch Würfe aus schwierigen Positionen im Tor landeten. An die Leichtigkeit des dänischen Angriffsspiels kam man allerdings nie heran.
Insbesondere Gidsel, der neben seinen zehn Treffern elf weitere vorbereitete, fand immer wieder die Lücken in der deutschen Defensive. Es wurde Team-Handball zelebriert und zur Not der Extrapass gespielt - bei ganz vielen Würfen kamen die dänischen Schützen unbedrängt zum Abschluss.
Gislason resigniert
„Wir müssen enger zusammenstehen und den Torhütern mehr helfen“, fasste es Zerbe zusammen. „Auch wenn wir in der Abwehr gekämpft haben, war sie am Ende häufig zu offen“, erklärte Gislason resigniert.
Das Problem, dass es die deutsche Defensive nicht schafft, sich über einen längeren Zeitraum zu stabilisieren, ist nicht neu. Bereits in den Vorbereitungsspielen gegen Brasilien taten sich viel zu häufig Lücken auf, ohne dass der Gegner allzu kreativ werden musste.
„Dieses blinde Verständnis hat gefehlt, dass wir in Phasen, in denen wir ganz lange zusammengespielt und -trainiert haben, noch hatten“, sagte Golla über Nebenmann Julian Köster. Bei Olympia bildeten sie einen kaum zu überwindenden Mittelblock, durch Verletzungen in den vergangenen Monaten ist von dieser Form derzeit (noch) nichts zu sehen.
Im deutschen Spieler fehlt der Grundstein
Kleinigkeiten wie das perfekte Timing, um das Anspiel an den Kreis zu verhindern - dies bereitete Deutschland insbesondere im Auftaktspiel gegen Polen Kopfzerbrechen. Kreisläufer Kamil Syprzak konnte immer wieder frei abschließen.
In der Partie gegen Tschechien lief es in der Schlussphase besser, so Golla, doch von Stabilität zu sprechen wäre zu früh. „Wir suchen natürlich nach dieser Basis, die wir vor allem bei den Olympischen Spielen gezeigt haben, auf die wir uns immer verlassen konnten. Das ist das, wonach wir uns alle sehnen, weil das immer der Grundstein ist, um dann auch dieses Momentum durch ein Tempospiel zu erreichen.“
Auch Gislason ist sich der Tatsache bewusst, dass es jede Menge Steigerungspotenzial gibt, und schreckt dabei auch vor unpopulären Maßnahmen nicht zurück. So saß Kapitän Golla zu Beginn der Spiele gegen Tschechien und Dänemark auf der Bank, Deutschland startete in der Defensive mit einem Hannoveraner Block um Justus Fischer, Renars Uscins und Lukas Stutzke.
Golla eingewechselt
Deren Eingespieltheit sollte zum deutschen Trumpf werden, doch schnell gab es gegen Dänemark Anpassungen. Nach 14 Minuten wurde Golla eingewechselt, auch darüber hinaus versuchte Gislason vieles.
Golla betonte im Nachgang zwar, dass die Mannschaft über allem stehe („Es geht bei uns nicht darum, wer auf der Platte steht, sondern um das Gesamtergebnis“), doch schnell wurden kritische Stimmen laut, dass Stutzke und Fischer der Aufgabe auf allerhöchstem Niveau womöglich noch nicht gewachsen seien.
Ein Gedankengang, den Teammanager Benjamin Chatton nicht verstehen kann. Man habe nach den schwachen Anfangsphasen gegen Polen und die Schweiz schließlich etwas verändert.
„Das versucht man dann noch mal und dann kriegt man die Frage gestellt, warum man nicht mit der ursprünglichen Formation anfängt. So dreht sich das manchmal im Kreis“, sagte der 43-Jährige.
„Trial and Error“ mitten bei der WM
Auf dem Weg, die „beste Formation“ zu finden, gehe es auch „immer wieder um Trial and Error“, also Versuch und Irrtum. Im vierten Spiel eines Turniers, dessen Ende mit einer Niederlage gegen Italien (18.00 Uhr im SPORT1-Liveticker) bereits besiegelt sein könnte, sicherlich keine optimale Situation.
Auf der anderen Seite: Noch haben sich die Voraussetzungen für Deutschland durch die Niederlage gegen Favorit Dänemark nicht bedeutend verschlechtert.
Doch ein Aspekt stimmt nachdenklich: Als Golla auf das Spiel gegen Dänemark bei der Heim-Europameisterschaft im Januar 2024 angesprochen wurde, bei dem Deutschland deutlich körperbetonter zu Werke ging als am Dienstag, musste er eingestehen: Dies war eigentlich auch dieses Mal der Plan!
„Dieses Spiel war natürlich Teil der Vorbereitung und auch Vorbild, wie man so ein Spiel angehen muss“, erklärte Golla. Doch „diese Aggressivität haben wir nicht hinbekommen“. Heimturnier, 20.000 frenetische Zuschauer, K.o.-Spiel - diese Faktoren trugen dazu bei, dass das DHB-Team auch körperlich ans Limit ging.
„Das Feedback damals von meinen Mannschaftskollegen aus Flensburg war ganz klar, dass es an dem Tag keinen Spaß gemacht hat, gegen uns zu spielen, da sie für jedes Tor hart arbeiten mussten.“ Dies war in Herning nicht der Fall.
Gegen Italien werden die Vorzeichen gänzlich andere sein. Doch der Underdog, der sich bereits in die Herzen der dänischen Fans gespielt hat, wird ans Limit gehen. Und Deutschland muss mental und körperlich bereit sein. Dies wird wichtiger sein als spielerische Finesse.