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"Die größte Verschwendung im Fußball des 21. Jahrhunderts"

Eine verschwendete Weltkarriere

Hatem Ben Arfa stand eine Weltkarriere bevor. Doch in Lyon, Marseille, Newcastle und bei PSG legte sich der Franzose immer wieder mit seinen Bossen an und stand sich selbst im Weg. Heute ist er für seine Skandale bekannter als für seine Leistungen.
Hatem Ben Arfa spielte zuletzt für den OSC Lille
Hatem Ben Arfa spielte zuletzt für den OSC Lille
© IMAGO/PanoramiC
Hatem Ben Arfa stand eine Weltkarriere bevor. Doch in Lyon, Marseille, Newcastle und bei PSG legte sich der Franzose immer wieder mit seinen Bossen an und stand sich selbst im Weg. Heute ist er für seine Skandale bekannter als für seine Leistungen.

Weltmeister, Gewinner des Ballon d‘Or, französischer Nationalheld: Was hätte alles aus Hatem Ben Arfa werden können?

Der Franzose hatte das Talent, einer der Größten seiner Generation zu werden. Schon früh verzückte er internationale Expertinnen und Experten, galt in seinem Heimatland als Wunderkind.

Heute erinnern sich die Menschen eher aus anderen Gründen an ihn. Sportlich gesehen ist er das Supertalent, das in Vergessenheit geriet.

Denn auf kaum einen Fußballer des Planeten trifft eine Beschreibung passender zu als auf den heute 36-Jährigen: Er stand sich selbst im Weg. Und zwar immer wieder.

Ben Arfa wurde fünfmal französischer Meister mit Lyon und Marseille

Wenn der Ex-Spieler von Lyon, Marseille und Newcastle heute auf seine Karriere zurückblickt, die er offiziell noch nicht beendet hat, dürfte er sich fragen, ob er sich nicht mehr auf den Sport hätte konzentrieren sollen. Schließlich fing es so vielversprechend für den Franzosen an.

Ben Arfa, dessen Eltern aus Tunesien auswanderten und sich Mitte der 1970er in einem Pariser Vorort niederließen, war schon früh im Fokus von großen Klubs. Seine feine Technik machte den offensiven Mittelfeldspieler für viele Vereine interessant.

Mit der französischen U17 wurde Ben Arfa 2004 Europameister, zählte dabei zu den absoluten Top-Spielern. Auch seine Klub-Karriere begann verheißungsvoll. Mit Olympique Lyon wurde er von 2005 bis 2008 viermal in Folge französischer Meister. In der OL-Offensive bildete er ein magisches Duo mit einem anderen aufstrebenden Franzosen - dem späteren Weltfußballer und Real-Star Karim Benzema.

Nicht wenige Beobachter hielten Ben Arfa für den Besseren der beiden. Seine Ballbehandlung galt als genial, er dribbelte und flitzte ein ums andere Mal an seinen Gegenspielern vorbei, war zudem torgefährlich. 2007 gab er sein Debüt im Nationalteam. „Er war auf einer anderen Ebene als die anderen. Alle schwärmten von ihm“, sagte Paul Montgomery, ein ehemaliger Berater für Newcastle, bei The Athletic. Der Premier-League-Verein sollte Ben Arfa später selbst in sein Team holen.

2008 wechselte der Franzose aber zunächst für zwölf Millionen Euro - damals eine beträchtliche Summe für einen 21-Jährigen - zu Liga-Konkurrent Olympique Marseille. Auch Top-Klubs außerhalb Frankreichs sollen an ihm interessiert gewesen sein.

Ben Arfa erwies sich als „Enfant terrible“

Doch trotz eines weiteren Meistertitels mit OM wurde ihm schon bald seine Einstellung zum Verhängnis - und er erwies sich als „Enfant terrible“. Gegen seinen Ex-Klub Lyon trat er übel nach: OL habe keine Klasse und gehöre nicht zu den großen Vereinen.

2009 kam er mit einigen Extra-Kilos aus dem Sommerurlaub zurück. Im Training prügelte er sich mit Teamkollege Djibril Cissé. In einem Ligaspiel gegen PSG weigerte er sich, eingewechselt zu werden, da er verletzt sei. Er überwarf sich mit Trainer Didier Deschamps, feuerte öffentlich gegen ihn - und ging später in den Trainingsstreik, um eine Leihe zu Newcastle zu erzwingen.

In den Medien ließ er kein gutes Haar an Marseille. „Ich werde nicht zur Commanderie (Trainingsgelände in Marseille, Anm. d. Red.) zurückkehren“, sagte Ben Arfa der L‘Équipe. Dafür war er offenbar auch bereit, den Streit auszusitzen: „Weil sich meine Manager einen Dreck darum scheren, gebe ich heute bekannt, dass ich bereit bin, meine Karriere auf Eis zu legen, wenn sie den Vorschlag von Newcastle nicht annehmen, wie ursprünglich geplant.“

Schließlich wurde er an Newcastle United verliehen, wechselte 2011 dann für sechs Millionen Euro auch fest in die Premier League. Dort blitzte zwischendurch immer wieder sein Talent auf. Er glänzte mit seiner Technik, außerdem als Torschütze und Vorlagengeber.

„Ich habe während meiner Karriere schreckliche Dinge getan“

Und er versprach, sich auch persönlich zu bessern: In einem Interview mit L‘Équipe beteuerte er, aus seinen Fehlern gelernt zu haben.

„Ich habe während meiner Karriere schreckliche Dinge getan, die weder normal noch moralisch korrekt waren. Es passierte überall, wo ich hinkam“, sagte er. „Seit ich sehr klein war, war ich sehr impulsiv und habe die ganze Zeit gekämpft“, erklärte er sein Verhalten, dessen Ursprung er in seiner Familiengeschichte sah: „Es ist wahr, dass mein Vater mir nie gesagt hat, dass er mich liebt. Solche Großzügigkeit hat in meinem Leben gefehlt.“

Doch er fiel auch in Newcastle in alte Muster zurück. Er hatte Probleme mit seinem Gewicht, seiner Fitness und Disziplin, aber auch mit seinen Teamkollegen. Sie forderten, dass Ben Arfa auf die Bank gesetzt werde. Sein damaliger Trainer Alan Pardew schickte ihn tatsächlich zu den Reservisten, was Ben Arfa später als „die Hölle“ bezeichnen sollte. Doch Pardew gab zu: „Es ist mir noch nicht oft passiert, dass ich Rebellen nicht in den Griff bekommen habe. Aber im Fall von Ben Arfa war es irgendwann unmöglich.“

Danach folgte der Wechsel zu Nizza, später zu Paris Saint-Germain. Die Probleme blieben. Bei PSG sollten sogenannte „Ethikprämien“ ihn sogar zusätzlich motivieren. Mehrere zehntausend Euro sollte er pro Monat dafür einstreichen, pünktlich zum Training zu erscheinen und in den Medien positiv über den Klub zu sprechen.

PSG: Ben Arfa machte sich über Unai Emery lustig

Doch der Linksfuß fiel mit abermals schlechter Form auf, machte sich zudem über das Französisch des damaligen PSG-Trainers Unai Emery lustig. Der Klub verlängerte seinen Vertrag nicht und sortierte ihn aus dem Team aus.

Es folgten kurze Stationen bei Stade Rennes, Real Valladolid, Girondins Bordeaux, Hull City und dem OSC Lille. Dort bezeichnete Ben Arfa seinen Trainer Jocelyn Gourvennec als verdreht und wurde im Sommer 2022 entlassen. Seitdem ist der 36-Jährige vereinslos.

Für Frédéric Guerra, der vier Jahre lang Agent des Franzosen war, gleicht der Verlauf von Ben Arfas Karriere einer Tragödie. Oder wie Guerra es bei RMC Sport nannte: „Eine riesige Verschwendung - vielleicht die größte Verschwendung im Fußball des 21. Jahrhunderts.“

Rückblickend sollten Ben Arfas Jahre in Lyon, Marseille und bei Newcastle die erfolgreichsten bleiben. Für jedes der drei Teams absolvierte er rund 90 Pflichtspiele, insgesamt sammelte er 428 Spiele, erzielte dabei 75 Tore und 64 Vorlagen.

Mobbing: PSG musste Ben Arfa 100.000 Euro zahlen

Zuletzt war der Franzose Anfang des Jahres wegen eines Erfolges abseits des Fußballplatzes in den Medien: In zweiter Instanz gewann er einen Rechtsstreit gegen Ex-Arbeitgeber PSG.

Ein Berufungsgericht sah es als erwiesen an, dass der Klub den unliebsamen Spieler mit der Degradierung ins Reserveteam zu einem Wechsel drängen wollte. PSG musste dem 36-Jährigen wegen Mobbings rund 100.000 Euro Entschädigung zahlen.

Ob Ben Arfa noch einmal einen Verein finden wird, bei dem er seine Karriere halbwegs ordentlich beenden kann? Das scheint bei seiner Vorgeschichte mehr als fraglich.