Fast jede moderne Formel-1-Strecke hat das Design von Hermann Tilke - auch der neue atemberaubende Baku City Circuit.
Architekt Hermann Tilke im SPORT1-Interview über den Kurs in Baku
"Wer sich vertut, landet in der Mauer"
Doch nicht alle Fahrer sind vom aufregenden Stadtkurs begeistert. Jenson Button spricht vor dem Rennen in Baku (So., ab 15 Uhr im LIVETICKER) sogar von einem Rückschlag für die Sicherheit.
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der deutsche Streckenarchitekt über die Sicherheitsbedenken und erklärt die Besonderheiten der Strecke.
SPORT1: Herr Tilke, wie lautete denn konkret ihr Auftrag für die Strecke in Baku?
Hermann Tilke: Die Aufgabenstellung war die, dass wir die Schönheit der Stadt zeigen sollten. Somit war der Start- und Zielpunkt mit dem schönen Government House praktisch schon festgelegt. Dann haben wir uns drei verschiedene Varianten an Strecken überlegt. Die Variante, die ausgesucht wurde, war die Schönste. Sie war aber eben auch die Schwierigste und ich würde sagen, die "most craziest" (lacht).
SPORT1: Und wer genau hat sich am Ende für die "most craziest" Variante entschieden?
Tilke: Wir haben drei mögliche Varianten vorgeschlagen und haben die Vor- und Nachteile aufgezählt. Dann wurde das mit Bernie Ecclestone und dem Sportsministerium von Baku diskutiert. Die Ausgesuchte war einfach die schönste Strecke und die, die am meisten von Baku zeigt.
SPORT1: Es fällt einem im ersten Moment schwer, sich viele Überholmanöver in Baku vorzustellen. Wo bieten sich dennoch Möglichkeiten an?
Tilke: Wir haben theoretisch noch mehr Überholmöglichkeiten, aber an zwei Stellen kann man ganz sicher gut überholen. Das ist einmal die lange Gerade und dann die Gegengerade, die auch eine gute Überholmöglichkeit bietet. Auch in Turn 16 ist es möglich, da es dort ausnahmsweise schön breit ist.
SPORT1: Entscheidend beim Streckendesign ist auch die Sicherheitsfrage. Was entgegnen Sie den Leuten, die die Strecke für zu gefährlich halten?
Tilke: Wir haben hier nun einmal einen Stadtkurs. Dennoch haben wir die größtmögliche Sicherheit gewährleistet. In den schnellen Ecken, wo auf eine langsame Kurve angebremst wird, gibt es daher auch eine Auslaufszone. Nach der Kurve beginnt aber natürlich direkt die Mauer. Wenn man sich da ein bisschen vertut - das ist ein bisschen wie in Kanada bei der Wall of Champions - landet man in der Mauer.
SPORT1: Dennoch haben Jenson Button und Nico Rosberg Bedenken an der Sicherheit geäußert. Tenor: Selbst in Monaco gibt es mehr Auslaufzonen. Haben die beiden Fahrer Recht?
Tilke: Nein, das sehe ich nicht so. Dort, wo keine Auslaufzonen sind, ist es auch langsam. Klar wird man das Auto schnell zerstören können - aber nur das Auto. Motorsport ist nun einmal gefährlich - und es bleibt immer ein Restrisiko, auch wenn die Auslaufzonen so groß wie ein Fußballfeld sind. Aber alles wurde so sicher gemacht wie möglich.
SPORT1: Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es im Falle eines Einschlags?
Tilke: Alles ist sehr stark geschützt durch das bewährte Techpro-System, das einen möglichen Aufprall sanfter macht. Dazu wird zum ersten Mal in der Formel 1 das neue System SAFER Barrier, was in den USA in Ovalen eingesetzt wird, verwendet.
SPORT1: An welcher Stellen müssen die Fahrer besonders aufpassen?
Tilke: Besonders aufpassen muss man in Turn 8. Dort geht es an der Stadtmauer sehr steil hoch, neun Prozent. Da geht es auch ganz nah an den Mauern vorbei, weshalb man dort sicherlich besonders aufpassen muss. Dann haben wir im Training gesehen, dass es in Kurve 15 viele Verbremser gibt. Das sind beides mitentscheidende Stellen.
SPORT1: Ihre Strecke hat lange Geraden, aber auch enge und schnelle Kurven. Welchem Team kommt der Kurs Ihrer Meinung nach besonders entgegen?
Tilke: Da muss man erst sehen, wer da wirklich das Maximum rausholen kann. Im Moment ist der Valtteri Bottas im Williams direkt hinter den Mercedes sauschnell. Aber ich gebe da nach dem Training noch nicht viel darauf. Die müssen sich hier auch alle erst einmal orientieren.