Auf dem Weg zu seinem vierten Gesamtsieg bei der Tour de France hat Tadej Pogacar eine Rekordmarke pulverisiert. Der Slowene absolvierte die 3.302 Kilometer der 112. Frankreich-Rundfahrt laut Pro Cycling Stats mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 42,849 km/h.
Tour de France: Pogacars verblüffende Daten sorgen für Gemunkel
Pogacar-Rekord sorgt für Gemunkel
Damit verdrängte Pogacar seinen Dauerrivalen Jonas Vingegaard als bisher schnellsten Tour-Gesamtsieger. Der Däne war 2022 im Schnitt mit 42,102 km/h unterwegs gewesen - und damit etwa 0,7 km/h langsamer als nun Pogacar.
Der Slowene, der nur noch einen Gesamtsieg von den Rekordhaltern Eddy Merckx, Jacques Anquetil, Bernard Hinault und Miguel Indurain entfernt ist, hatte bereits während der laufenden Tour mit Bestleistungen für Furore gesorgt.
Auf der 16. Etappe erklomm Pogacar den legendären Mont Ventoux in 54:41 Minuten - zwei Sekunden schneller als Vingegaard. Beide unterboten damit deutlich die bisherige Rekordzeit von 55:51 Minuten des Spaniers Iban Mayo, die dieser 2004 bei einem Bergzeitfahren der Dauphiné Libéré aufgestellt hatte.
Ventoux-Rekord sorgt für Verwunderung
Mayo wurde jedoch drei Jahre später positiv auf das Dopingmittel EPO getestet und anschließend für zwei Jahre gesperrt - was dem Vergleich eine pikante Note verleiht.
Kein Wunder, dass Pogacars Leistungen selbst Fachleute ins Staunen versetzen. „Solche Werte wurden selten, wenn überhaupt, beobachtet“, sagte Samuel Bellenoue, ehemaliger Leistungsdirektor des Teams Cofidis, gegenüber L’Équipe. „Ich bin ein zurückhaltender Mensch, ich kann nicht kategorisch sagen, was hier vor sich geht.“
Speziell der neue Ventoux-Rekord lässt Bellenoue verwundert zurück. Pogacar habe die bisherige Bestzeit um zwei bis drei Prozent unterboten. „Stellen Sie sich vor, ein Marathonläufer würde den Weltrekord um zwei bis drei Prozent brechen, also um etwa drei Minuten. Alle würden einen Skandal herbeireden“, verglich der Franzose.
Pogacar als Überflieger: „Wie schafft er es?“
Doch es war nicht der einzige Moment, in dem Pogacar verblüffte: Auf der 12. Etappe distanzierte er Vingegaard bei der Bergankunft in Hautacam um über zwei Minuten - und näherte sich der Rekordzeit von Bjarne Riis aus dem Jahr 1996, der später ebenfalls des Dopings überführt wurde.
„Wie schafft er es, so viel Kraft für den Schlussanstieg zu sparen, vor allem, nachdem er die vorherigen Anstiege in hohem Tempo bewältigt hat?“, fragte sich Radsport-Trainer Alban Lorenzini im Gespräch mit L’Équipe.
Der Spezialist für Material- und Leistungsanalysen versuchte sich in einer Erklärung: „Man kann nur dann sehr stark pushen, wenn man ausreichend frisch ist und somit über einen optimalen Glykogenspeicher verfügt.“ Verbesserte Energie-Gels würden es den Fahrern ermöglichen, mehr Zucker pro Stunde aufzunehmen und den Einbruch hinauszuzögern, führte Lorenzini aus.
Dennoch bleibe der Slowene ein Sonderfall: „Bei Pogacar hingegen scheint es, als ob die Müdigkeit der vorherigen Anstiege gar nicht vorhanden wäre.“
Verbesserte Vorbereitung ein Faktor?
Marc Francaux, Professor für Bewegungsphysiologie an der Universität Löwen, fällt ein eindeutiges Urteil zu Pogacar: „Er ist zweifellos einer der besten Radfahrer der Geschichte.“
Der Sportwissenschaftler hat ebenfalls eine Erklärung für die Leistungssteigerungen parat: „Seine Fortschritte sind unbestreitbar, aber ich habe auch eine erhebliche Verbesserung in der Vorbereitung der Fahrer festgestellt.“
Der Radsport habe lange Zeit hinterhergehinkt, heute gebe es jedoch extrem gut ausgebildete Leute, die wissenschaftliche Erkenntnisse einbeziehen. „Dieser Sport ist in vielen Bereichen zu einem Vorreiter geworden, darunter auch im Bereich Daten, die das Team von Pogacar übrigens gut zu analysieren weiß“, erklärte Francaux.
Pogacar selbst zeigte sich nach seinem Tour-Triumph reflektiert: Er warnte vor der Gefahr mentaler Erschöpfung im Profi-Radsport, betonte jedoch, dass ein baldiger Rücktritt für ihn nicht infrage komme. Vielmehr blickt der Slowene bereits auf sein nächstes großes Ziel: die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.