Eva Lys hat einen riesigen Sprung gemacht. Von Rang 130 zum Saisonende 2024 ist die 23-Jährige inzwischen bis auf Platz 40 im WTA-Ranking geklettert und beendet das Tennisjahr sogar als Deutschlands Nummer 1. Doch das soll nur der Anfang gewesen sein.
Deutschlands Tennis-Star: "Kein Geheimnis, dass es eine sehr große PR-Aktion ist!"
Deutschlands Nummer eins übt Kritik
Im exklusiven Interview mit SPORT1 spricht Lys über ihren Aufstieg und erklärt, wie sie mit vermeintlichen Nachteilen umgeht. Zudem äußert sie sich zu kontroversen Themen wie Saudi-Arabien, dem Turnierkalender und nimmt die WTA beim Thema Social Media in die Pflicht.
SPORT1: Frau Lys, Sie sind in diesem Jahr um fast 100 Plätze in der Weltrangliste geklettert. Hat da irgendetwas Klick gemacht oder gab es ein Match, das etwas bei Ihnen verändert hat?
Eva Lys: Australien war eine sehr, sehr große Hilfe. Das ist auch mein erster Sprung in die Top 100 gewesen. Man darf aber nicht vergessen, dass da 20 Jahre darauf hingearbeitet wurde. Das war nicht die Arbeit von heute auf morgen. Daher versuche ich ein bisschen stolz auf mich zu sein, dass ich drangeblieben bin. Auch in Peking habe ich supergut gespielt. Man merkt in dem Jahr, dass ich auf einem anderen Level und gegen andere Spielerinnen gespielt habe. Ich habe Erfahrungen gesammelt, die mir gefehlt haben. Ich bin zwar oft auf die Schnauze gefallen, aber ich habe meine Lehren daraus gezogen. Das hat mich zu einer besseren Spielerin gemacht.
SPORT1: Ihr Vater ist auch Ihr Trainer, der Sie in dem Jahr öfter begleiten konnte. Es stand aber wohl auch mal im Raum, sich zusätzlich Input von außen zu holen. Wie ist da der Stand?
Lys: Wir haben dieses Jahr auch Input von außen geholt. Es war aber nie die Rede von einem Trainertausch. Mein Vater ist derjenige, der mir das Spiel beigebracht und mich auch in die Top 40 geführt hat. Deswegen bleibt es auch erstmal bei dem Trainerteam. Wir sind immer offen für Input, aber sind auch ein bisschen vorsichtig und warten lieber ein bisschen länger als vielleicht zu viel von außen zu nehmen.
Tennis-Star Eva Lys: „Das war eine unglaubliche Woche“
SPORT1: Sie hatten bei den China Open eine sehr starke Woche, unter anderem WTA-Finals-Champions Elena Rybakina geschlagen und dabei herausragende Return-Werte. Ist dieser Schlag besonders wichtig für Sie?
Lys: Auf jeden Fall. Das war eine unglaubliche Woche. Ich habe immer gesagt: Eine Sache ist, gut zu trainieren und zu wissen, dass man es kann - eine andere Sache ist, auch auf dem Platz so ein Niveau zu zeigen. (…) Das gibt einem das Selbstbewusstsein, was man auf so einem Level braucht. Der Top-10-Sieg hat mir gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin, und ich war sehr zufrieden mit dem Turnier.
SPORT1: Ihre Freundin Marta Kostyuk sprach zuletzt über körperliche Vor- und Nachteile im Tennis und erwähnte unter anderem, dass sie sich viel kleiner fühle als einige Topstars. Hadern Sie da auch ab und an damit oder fühlen sich mit Ihren 1,65 Metern ein wenig „benachteiligt“?
Lys: Benachteiligt würde ich mich nicht nennen. Jede Größe hat auch ihre Vor- und Nachteile. Natürlich ist es in dem Sport perfekt für den Aufschlag und gegen eine Rybakina zu spielen, ist dementsprechend eine unglaubliche Challenge. Auch eine Coco Gauff serviert regelmäßig sehr gut, auch wenn sie manchmal ihre Aussetzer hat. Eine Anisimova serviert sehr gut. Was macht die aus? Sie sind einen Tick größer als ich. Aber ich habe das nie als Schwäche gesehen, weil ich immer versuche, auf meine Stärken zu achten, die größere Spielerinnen vielleicht nicht haben. Für mich ist es wichtig, dass ich alles versuche, was in meiner Macht steht, um mit den Daten, die ich habe, die beste Leistung abzurufen.
Battle of the Sexes? „Habe zwiegespaltene Meinung“
SPORT1: Aryna Sabalenka spielt Ende Dezember das Battle of the Sexes gegen Nick Kyrgios, was für viel Aufmerksamkeit sorgt. Einige fürchten, dass es dem Damentennis eher schaden als helfen wird. Wie blicken Sie auf dieses Match?
Lys: Ich habe da eine zwiegespaltene Meinung, finde aber generell, dass eine Aryna Sabalenka dem Damentennis sehr guttut. Sie pusht die Grenzen und hat auch mal Momente, die man so aus dem Sport nicht kennt. Es ist kein Geheimnis, dass es eine sehr große PR-Aktion ist, um mehr Aufmerksamkeit auf den Tennissport zu lenken. Mit wem kann man so etwas machen? Natürlich mit Nick Kyrgios. Ich glaube, da haben sich zwei gefunden. Man muss das mit Humor sehen. Tennis ist immer noch ein Sport, den man einen Tick zu ernst nimmt. Solche Matches gibt es in allen anderen Sportarten, die weniger ernst genommen werden. Wir müssen abwarten, wie die Reaktionen sein werden. Ich kann nicht abschätzen, ob es sehr gut für den Sport ist oder kontrovers - aber es ist ein Anfang, um den Sport in irgendeiner Weise populärer zu machen.
SPORT1: Wenn wir beim Vergleich ATP und WTA kurz bleiben: Auf Social Media sieht man oft, wie sehr die ATP unterstützt von Tennis TV ihre Matches pusht und aggressiv bewirbt, bei der WTA fällt das oft deutlich defensiver aus. Wünschen Sie sich da mehr Vollgas?
Lys: Definitiv. Ich habe das auch schon öfter angesprochen. Wie das Tennis TV es macht, finde ich top und das fehlt komplett im Damentennis. Wir haben genauso unglaubliche Ballwechsel, der Sport ist manchmal sogar schneller, weil wir sehr nah an der Linie stehen. Also sind die Ballwechsel mindestens genauso spannend wie bei den Männern. Das ist auch etwas, was ich in den letzten Monaten angesprochen habe. Mir wurde gesagt, es ist ein“ work in progress“, wir arbeiten daran, dies auch für die WTA zu schaffen - und das wünsche ich mir.
SPORT1: Wäre es auch hilfreich, das Königsprodukt der WTA nicht direkt nach Riyadh zu legen? Klar fließ in Saudi-Arabien das meiste Geld - trotzdem war das bezüglich Stimmung und Zuschauerandrang nicht mit den ATP-Finals in Turin vergleichbar. Wäre ein „normales“ Turnier dort nicht erst einmal sinnvoller gewesen, um Begeisterung aufzubauen?
Lys: Das ist so verzwickt, dass man das nicht direkt beurteilen kann mit „ja“ oder „nein“. Man darf nicht vergessen, dass generell sehr viele Männerturniere noch viel mehr Zuschauer anziehen als Frauenturniere. Ein Männerturnier in einer Stadt hat meistens mehr Zuschauer als das Frauenturnier dort. Das hat auch mit der Vermarktung zu tun. Riyadh ist wirklich nicht der idealste Ort - aber es ist ein Anfang. Mit der Vermarktung kann man vieles erreichen und man soll einfach schauen, wo das in den nächsten Jahren hingeht.
Lys übt Kritik am Tennis-Turnierkalender
SPORT1: Der Tennis-Turnierkalender ist auch oft ein Streitpunkt. Wie bewerten Sie ihn - auch mit Hinblick auf die öfter stattfindenden Masters Turniere über zehn bis zwölf Tage?
Lys: Die Saison war unglaublich lang. Man merkt das auch bei allen Spielern und Spielerinnen. Wir haben super viele Verletzungen - und ich möchte das Wort Burnout nicht benutzen, aber wir haben super viele, die einfach nicht mehr können, die nicht die mentale Kapazität haben, weil es einfach zu viel wird. Mittlerweile spielen wir ja nicht nur Tennis. Wenn wir auf den Turnieren sind, haben wir Verpflichtungen, viele Pressetermine, Physio, trainieren 8 Stunden am Tag. Wenn man da keine Pause einbaut, stößt man an seine Grenzen. Das merke ich auch, obwohl ich das eine oder andere Turnier gesundheitsbedingt ausgesetzt habe. Aber das ist ein Thema, was wir schon besprechen. Die Tour ist viel zu lange. In allen anderen Sportarten hat man eine gute Offseason, in der nichts passiert. Die ist im Tennis viel zu kurz. Wir haben zwei Wochen, in denen wir Urlaub machen können. Dann sind wir schon wieder in der Preseason und dann geht es Mitte Dezember rüber nach Australien. Das ist mit der WTA in der Besprechung, die Zwei-Wochen-Events sind einfach unglaublich anstrengend. Dadurch gibt es auch weniger Möglichkeiten für andere Turniere. Es ist ein Thema, über das ich vier Stunden reden könnte, da es fast jede Spielerin und jeden Spieler betrifft.
SPORT1: Letzte Frage: Wie lange schaffen Sie es denn, den Tennisschläger in der Offseason mal zur Seite zu legen?
Lys: Durch den Schedule leider nicht zu lange. Das wird bei mir ungefähr eine Woche sein und dann geht es schon wieder zurück in die Preseason.
Das komplette Gespräch mit Eva Lys zu noch mehr Themen gibt es ab dem 3. Dezember im SPORT1-Tennis-Podcast Cross Court zu hören.