Die Zeit des Wartens ist vorbei, nach exakt 1847 Tagen schließt sich der Kreis: Mehr als fünf Jahre nachdem er bei der NBA-Talentewahl von den New Jersey Nets gezogen worden war, hat Tibor Pleiß seinen ersten Vertrag in der nordamerikanischen Profilliga unterschrieben.
Tibor Pleiß im Exklusiv-Interview mit SPORT1
"Es wird jetzt lustig gegen Dirk"
Der 25 Jahre alte Nationalspieler wird in den kommenden drei Jahren für das Trikot der Utah Jazz tragen, als Center-Backup für den Franzosen Rudy Gobert fungieren.
Beim Team aus Salt Lake City trifft Pleiß auch Alex Jensen, Assistenzcoach der Jazz und der deutschen Nationalmannschaft.
Im SPORT1-Interview spricht der nach Dirk Nowitzki (Dallas Mavericks), Dennis Schröder (Atlanta Hawks) und Chris Kaman (Portland Trail Blazers) vierte deutsche Nationalspieler in der NBA über Emotionen, Konkurrenzkampf, Karneval - und Mormonen-Mentalität.
SPORT1: Herr Pleiß, Sie sind jetzt offiziell NBA-Spieler. Wie fühlt sich das an?
Tibor Pleiß: Aufregend. Das hat mich wirklich überwältigt. Es war immer mein Ziel und mein Traum, in die NBA zu kommen. Ich habe sehr viel dafür gearbeitet. Ich bin meinen Weg gegangen, war in Barcelona. Jetzt in die NBA zu gehen, ist etwas ganz Großes für mich.
SPORT1: Nach einem eher enttäuschenden Jahr beim FC Barcelona überrascht der Wechsel zu den Utah Jazz auf den ersten Blick...
Pleiß: Das mit dem enttäuschend sehe ich nicht so. Ich verstehe aber, dass es in Deutschland bei der breiten Masse so rüberkommen kann. Man muss sagen, dass ich die Zeit, die ich auf dem Platz stand, sehr gut genutzt habe. Die Jazz werden mich auch nicht erst seit dieser Saison beobachtet haben. Sie haben sicherlich viele Spiele aus den Jahren zuvor gesehen. Da ich in Barcelona gespielt habe, hatte ich die Möglichkeit, mich weiter zu entwickeln. Das war kein verlorenes Jahr in Barcelona. Ich konnte jeden Tag gegen Ante Tomic und Maciej Lampe trainieren. Beide gehören zu den besten Spielern Europas. Ich musste mich jeden Tag beweisen.
SPORT1: Die Jazz haben in Rudy Gobert allerdings einen Shooting Star als gesetzten Starter. Wie sehen Sie Ihre persönliche Perspektive?
Pleiß: Ich muss mich so schnell wie möglich einfinden und ins Team integrieren. In vielen Facetten muss ich mich noch verbessern, da in der NBA ein anderer Basketball gespielt wird. Ich bin sehr motiviert, mich in Utah zu verbessern und durchzukämpfen. Ich bin ein Kämpfer, und das werde ich auch in den USA sein. Ich habe jetzt einen Traum und ein Ziel erreicht, aber damit gebe ich mich nicht zufrieden. Ich möchte mehr, darum werde ich sehr hart an mir arbeiten.
SPORT1: Der Wechsel in die NBA ist auch logistisch eine große Herausforderung. Viel Zeit haben Sie wegen der EM-Vorbereitung nicht. Wie bewältigen Sie den Umzug?
Pleiß: Das weiß ich noch gar nicht. Der Fokus richtet sich natürlich jetzt auf der Nationalmannschaft, wo wir auch große Aufgaben haben. Die Nationalmannschaft ist quasi schon eine erste Vorbereitung auf die NBA. Ein Vorteil ist, dass wir den Alex Jensen dabei haben, der sowohl bei der Nationalmannschaft als auch bei den Jazz als Assistenztrainer fungiert. Er kann mich gut darauf einstimmen, was nächste Saison auf mich zukommt.
SPORT1: Sie sind mit Karneval aufgewachsen, Bamberg ist als Partystadt Freak City bekannt, der Mormonenstaat Utah gilt eher als Land der Spaßbremsen. Können Sie sich dort überhaupt wohlfühlen?
Pleiß: Als ich da war, habe ich mich sehr wohl gefühlt. Alles sehr sympathische Menschen und eine sehr schöne Umgebung. Den Karneval werde ich dort natürlich nicht finden. Aber ich habe mich natürlich auch informiert, wie es in Utah ist. Salt Lake City ist wirklich eine basketballbegeisterte Stadt. In der Arena wird sicherlich auch eine sehr gute Stimmung zustande kommen.
SPORT1: Wie groß wird die Umstellung dennoch?
Pleiß: Mit Barcelona war ich in einem Team, das bereits auf einem sehr hohen professionellen Niveau arbeitet. Barcelona kommt bereits sehr nahe an das NBA-Konzept heran. Es ist ein sehr schneller Basketball, sehr auf Defense und Offense ausgelegt. Aber in Utah habe ich mich von Anfang an wohl gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich in den nächsten Jahren fördern und zu einem besseren Spieler formen wollen. Etwas Anderes kann man sich als Spieler doch gar nicht wünschen.
SPORT1: Utah hat einige hoffnungsvolle Talente, selbst Leistungsträger wie Gordan Haywood sind noch sehr jung. Wie sehen Sie das Potenzial des Teams in der starken Western Conference?
Pleiß: Ich sehe großes Potenzial. Dadurch, dass viele sehr jung sind, sind alle noch sehr hungrig und wollen sich verbessern. Es herrscht bestimmt eine gute Teamchemie. Es ist gut, dass ich jetzt dazu stoße. Es ist schwer zu vergleichen, aber damals in Bamberg war es auch so, dass wir für längere Zeit zusammen gespielt haben und dann ein familiäres Gefühl entstanden ist. Ich denke, das ist in Utah auch möglich. Und Rudy Gobert ist natürlich wirklich ein überragender Spieler,
SPORT1: Hatten Sie vor der Entscheidung Kontakt zu den deutschen NBA-Größen Dirk Nowitzki und Dennis Schröder sowie Marcin Gortat (von 2006 bis 2007 gemeinsam bei RheinEnergie Köln, Anm. d. Red.)?
Pleiß: In den nächsten Wochen werde ich die Jungs bei der EM sowieso sehen, und mit Gortat werde ich auch noch Kontakt aufnehmen. Mit ihm habe ich natürlich eine gemeinsame Vergangenheit, und er wird sich sicherlich auch freuen, dass ich diesen Schritt gegangen bin.
SPORT1: Gibt es einen NBA-Spieler auf den Sie sich als Gegner besonders freuen?
Pleiß: Es wird ganz lustig, jetzt gegen Dirk zu spielen. Das ist auf jeden Fall eine Freude, weil Dirk wirklich immer ein Idol war. Ich bin gespannt, wer das Spiel gewinnen wird.