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Mit ihm starb ein Stück der New Yorker Sportseele

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Mit ihm starb ein Stück der New Yorker Sportseele

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Als New York eine Ikone verlor

„The Captain“ Willis Reed prägte die goldenen Jahre des NBA-Traditionsteams New York Knicks, vor allem ein legendärer Moment ging in die Geschichte ein. Heute vor einem Jahr starb das Basketball-Idol.
Willis Reed steht für die goldene NBA-Ära der New York Knicks
Willis Reed steht für die goldene NBA-Ära der New York Knicks
© IMAGO/USA TODAY Network
mhoffmann
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Der berühmteste Augenblick seiner Karriere ist in Amerika ein geflügeltes Wort, bis heute.

Es war der 8. Mai 1970, der Tag des siebten und letzten Spiels der NBA Finals zwischen den New York Knicks und den Los Angeles Lakers im ehrwürdigen Madison Square Garden. Das Spiel war noch gar nicht angepfiffen, als plötzlich ein Jubelsturm ausbrach, wie ihn die berühmteste Sport- und Konzerthalle der Welt womöglich nie wieder erlebt hatte.

Die Fans im Garden hatten einen großen Mann erspäht, der mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Spielertunnel gehumpelt kam. Es war Willis Reed, der Teamkapitän der Knicks. Und er signalisierte: Ich spiele.

Es war der legendäre „Willis Reed Moment“, der den Mythos einer Basketball-Ikone definierte - und das Symbol eines bleibenden Vermächtnisses, das über Reeds vergleichsweise kurze Karriere hinaus wirkte. Und über seinen Tod vor heute vor einem Jahr.

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Willis Reed 1970: Ein Moment für die Ewigkeit

Um den historischen Moment zu verstehen, muss man wissen: Willis Reed Jr. hätte an diesem Tag eigentlich nicht spielen können, zumindest nicht nach dem üblichen Ermessen eines Normalsterblichen.

In Spiel 5 der Serie hatte sich der 2,08 Meter große Center bei einem Zweikampf mit dem großen Wilt „The Stilt“ Chamberlain schwer verletzt, zog sich einen schmerzhaften Muskelriss zwischen Hüfte und Oberschenkel zu. Reed allerdings wollte sich um keinen Preis davon abhalten lassen, dabei zu helfen, die Knicks zu ihrem ersten Meistertitel zu führen.

Mit einer Kombination aus Willenskraft und einer starken Schmerzmittel-Spritze trat er an und löste damit erleichterte Ekstase aus: „Ich habe mir gedacht: Jetzt weiß ich, wie sich ein Erdbeben anfühlt“, blickte Reed später auf die Publikumsreaktion auf seinen Einzug zurück.

Der Knicks-Kapitän spielte 27 Minuten, sein messbarer Einfluss auf die Partie war mit vier Punkten gering. Die inspirierende Wirkung auf die Teamkollegen um Topscorer Walt Frazier war allerdings unschätzbar: Am Ende des Abends stand ein 113:99-Sieg und der erste Meistertitel der Knicks. Und eine Heldenlegende für die Ewigkeit.

Die Knicks-Meisterhelden Willis Reed (r.) und Walt Frazier bei einem Wiedersehen 2011
Die Knicks-Meisterhelden Willis Reed (r.) und Walt Frazier bei einem Wiedersehen 2011

Reed führte die New York Knicks zu den beiden NBA-Meistertiteln

Reeds Verdienste für die Knicks sind dabei noch weit umfassender: Als Kapitän führte er die Franchise durch die erfolgreichste Zeit ihrer Historie, holte 1973 seinen zweiten Meisterring, beide Male wurde er auch zum MVP der Finals gekürt, 1970 auch zum wertvollsten Spieler der Liga.

Der technisch versierte Big Man war die Leitfigur der Knicks, sportlich und menschlich, inspirierte auch durch seinen persönlichen Aufstieg vom wenig privilegierten Farmersohn aus dem südstaatlichen Louisiana zu Zeiten der Rassentrennung zum gefeierten Sportidol des „Big Apple“.

Reed war trotz seiner Prägung durch den staatlich institutionalisierten Rassismus weniger politisch als sein acht Monate vor ihm verstorbener Rivale Bill Russell oder später Kareem Abdul-Jabbar. In einer ebenfalls berühmten Episode aus der Meistersaison 1970 musste er sich gar Schlimmeres vorwerfen lassen.

Ein Kapitän mit Autorität

Reed schlichtete damals einen Streit zwischen seinem weißen Hall-of-Fame-Kollegen Bill Bradley und Cazzie Russell, der mit Wut im Bauch zum Trainingsplatz gekommen war - er war bei einer Polizeikontrolle mit einer Waffe bedroht worden mit der Begründung, dass ein ihm angeblich ähnlich sehender Afroamerikaner frisch aus dem Gefängnis ausgebrochen sei.

Russell ließ seine Wut über das „Racial Profiling“ durch ruppigen Trainingseinsatz an seinen weißen Teamkollegen aus, Reed schritt ein - und Russell beschimpfte ihn mit den Worten: „Sei still, Onkel Tom“. Eine schwere Beleidigung für einen Afroamerikaner, der vor der weißen Macht buckele (basierend auf dem Sklaverei-Roman „Onkel Toms Hütte“).

Reed antwortete, dass Russell sich vorsehen solle „oder dieser Onkel Tom wird ein paar Leute in den A**** treten“. Russell entschuldigte sich, die große Autorität von „The Captain“ verfehlte ihre Wirkung nicht.

Zweite Karriere von Tragödie überschattet

Ein Jahr nach dem zweiten Titel mit den Knicks 1973 - dem bis heute letzten für das Traditionsteam - trat Reed mit nur 31 Jahren zurück, nachdem zu viele Verletzungen sein Leistungsvermögen zu sehr beeinträchtigt hatten.

Als Trainer (bei den Knicks und den damaligen New Jersey Nets) gelang ihm weniger, erfolgreicher war ein Engagement als Sport-Geschäftsführer und General Manager der Nets ab 1989, in das auch eine von Reeds schwärzesten Stunden fiel: der tragische Unfalltod seines Topspielers Drazen Petrovic in Deutschland 1993. „Es ist, als ob ich einen Sohn verloren hätte“, sagte Reed bei einer anschließenden Pressekonferenz.

Reed blieb bis 2004 bei den Nets aktiv, bis 2007 füllte er den Geschäftsführer-Job bei den New Orleans Hornets in seinem Heimatstaat aus, ehe er sich aus dem Beruf ins Rentnerleben zurückzog. „The Captain“ Willis Reed starb am 21. März 2023 im Alter von 80 Jahren an Herzversagen.