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Gefangen in einem miserablen Team

Gefangen in einem miserablen Team

Myles Garrett ist ein Superstar. Doch hat er seine Karriere verschwendet für einen Mega-Deal?
Die NFL startet am 4. September in die neue Saison. Im Eröffnungsspiel stehen sich die Dallas Cowboys und die Philadelphia Eagles gegenüber.
Myles Garrett ist ein Superstar. Doch hat er seine Karriere verschwendet für einen Mega-Deal?

Myles Garrett konnte seine Wut nicht mehr verbergen. Also rastete er für alle Zuschauer im Stadion und alle Fans vor dem Fernseher sichtbar aus. Er nahm seinen Helm an der Seitenlinie und drosch ihn auf den Boden. Dazu ließ er eine Schimpftirade los und saß danach allein auf der Bank. Diese Szenen spielten sich am vergangenen Sonntag ab, als seine Cleveland Browns mal wieder deutlich in der NFL verloren (13:32 gegen die New England Patriots).

„Ich bin frustriert. Ich will gewinnen. Es ist mir egal, wie aussichtslos die Situation aussieht. Ich hasse es, in solchen Situationen aufzutreten und nichts dagegen tun zu können. Ich will gewinnen“, erklärte er nach der sechsten Klatsche im achten Spiel seinen Ausraster bei den Reportern. Garretts emotionale Reaktion auf die nächste Pleite war kein Wunder. Er ist ein total verlorener Superstar in einer miserablen Franchise, der an allen Ecken gute Mitarbeiter fehlen.

Garrett ist auf verlorenem Posten

Denn an dem Defensive End liegt das desaströse Dasein der Browns nicht. In den vergangenen 30 Jahren erreichte Cleveland nur drei Mal die Playoffs. Als Garrett 2017 als erster Pick im Draft von den Browns geholt wurde, sollte er eine neue Ära prägen - und der Superstar gibt seitdem alles.

Auch in seiner aktuell neunten Saison dominiert keiner die Gegenspieler in der Liga so sehr wie der Koloss. Nach acht Partien stehen zehn Sacks und 15 Tackles für gegnerischen Raumverlust zu Buche. An diese Zahlen kommt keiner heran.

Vor seinem Ausraster gegen die Patriots hatte Garrett übrigens fünf Sacks in einem Spiel aufgelegt. Einem Browns-Spieler gelang das nie. In der gesamten NFL erreichten diese Marke seit 1982 erst 19 Spieler vor Garrett.

Mit seinen 1,93 Metern und 123 Kilogramm ist der Profi eine Naturgewalt mit unbändiger Kraft und extremer Athletik. Er jagt die Quarterbacks und diese zittern vor ihm.

Verschwendet Garrett seine Karriere?

Und doch könnte die Karriere als eine der größten Verschwendungen in die NFL-Geschichte eingehen.

Denn bei den Browns wird Garrett vielleicht nie den verdienten Erfolg haben. Zu schlecht ist die Franchise aufgestellt. Das Management agiert seit Jahren katastrophal - und auch der Superstar selbst nutzte dies bereits aus.

Im Februar verkündete Garrett seine Abschiedsgedanken. „Mein Ziel war es nie, von Cleveland in die Hall of Fame zu kommen, sondern immer, um den Super Bowl zu spielen und ihn zu gewinnen. Mit diesem Ziel vor Augen habe ich darum gebeten, von den Cleveland Browns getradet zu werden.“

Die Folge war aber kein Wechsel, sondern ein Mega-Vertrag. Die Browns gaben ihm - wohl aus Angst vor dem Verlust - vier Jahre mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von umgerechnet 36,9 Millionen Euro. 113,5 Millionen davon sollen garantiert sein. Einen solchen Kontrakt gab es für einen Nicht-Quarterback zuvor nie.

Garrett bekam Mega-Vertrag

Garrett nahm gerne an, dachte dabei wohl zu sehr an sich und versperrte damit in einem System mit einer Gehaltsobergrenze den Browns dringend benötigte Verpflichtungen.

Doch zur Wahrheit über die Situation gehören viele krasse Fehleinschätzungen der handelnden Funktionäre. 2020 kamen die Browns mit Garrett in die Playoffs und hatten eines der jüngsten Teams der Liga.

Quarterback Baker Mayfield und das Team waren zwei Siege vom Super Bowl entfernt. Sie erreichten die Divisional Round und scheiterten knapp mit 17:22 an den Kansas City Chiefs um Patrick Mahomes.

Danach ging es aber rapide bergab, als Mayfield abgegeben wurde. Nun ist er seit Jahren bei den Tampa Bay Buccaneers einer der besten Passgeber. Und die Browns? Die schaufelten sich 2022 ihr eigenes Grab mit einem verheerenden Trade.

Watson-Trade als riesiger Fehler

Die Franchise gab alle guten Aussichten auf, um Star-Quarterback Deshaun Watson für ein Mega-Gehalt von 230 Millionen Dollar von den Houston Texans zu holen. Die Browns gaben die Erstrunden-Picks für 2022, 2023, 2024 sowie einen Drittrunden- und einen Fünftrundenpick nach Houston ab und bekamen so in den vergangenen Jahren keine großen und vor allem günstigen Talente für ihre Mannschaft mehr.

Watson ist zudem als Skandalspieler abgestempelt nach zahlreichen Klagen von Frauen wegen sexueller Übergriffe. Die Fans verachten ihn und sportlich ist er seit Jahren in einem Tief. Diese Saison verpasst er aufgrund eines Achillessehnenrisses.

In diesem Draft verschwendete Cleveland dann die Chancen auf zwei Quarterbacks: Doch Shedeur Sanders und auch Dillon Gabriel sind als Rookies völlig überfordert.

Coach Kevin Stefanski, seit 2020 im Amt, findet in den vergangenen Jahren immer weniger Lösungen. Doch während andere Besitzer längst mit einem Rauswurf reagiert hätten, darf Stefanski bleiben.

All dies führt zu der Wut von Garrett, der in seiner Franchise wie gefangen scheint. Er hat wohl das große Geld über eine erfolgreiche Karriere gestellt.