Die Zukunft des deutschen Biathlons gibt Anlass zur Sorge. Das sehen nicht nur die Fans und Medien so, auch Ex-Biathlon-Star Erik Lesser schlägt Alarm.
Biathlon-Legende schlägt Alarm: "Nicht wundern, dass wir ohne Erfolge dastehen!"
Biathlon-Legende schlägt Alarm: "Nicht wundern, dass wir ohne Erfolge dastehen!"
Ex-Biathlon-Star schlägt Alarm
„Wenn wir immer weniger Mittel zur Verfügung stellen und der Leistungsgedanke immer unwichtiger wird, müssen wir uns nicht wundern, dass wir bei Großereignissen ohne Erfolge dastehen“, sagte der Doppel-Weltmeister von 2015 und dreimalige olympische Medaillengewinner im Interview mit chiemgau24.de.
Der 35-Jährige, der im Frühjahr 2022 seine Karriere beendete, arbeitet mittlerweile als Schießtrainer im deutschen Team. „Wir haben den Anspruch, um Medaillen mitzukämpfen“, erklärte Lesser: „Dafür reicht es dann nicht aus, sich mit begrenzten Mitteln und in einer Wohlfühloasen zu bewegen.“
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Schuld an dieser Entwicklung ist aus Sicht des Thüringers nicht nur der Sport selbst. Lesser bemängelt eine generelle Diskrepanz aus Erwartungshaltung und Förderung: „So wird der Sport in Deutschland nicht funktionieren“.
Lesser kritisiert Reform der Bundesjugendspiele
Das Problem liege „viel tiefer“, meint Lesser, der sich auch über die Reform der Bundesjugendspiele ärgert. „Wenn ich mich für die Musikschule bewerbe und keinen Ton treffe, werde ich nicht angenommen“, sagte Lesser in Bezug auf die Maßnahme, dass ab dem nächsten Schuljahr bei Bundesjugendspielen nicht mehr vom „Wettkampf“ sondern vom „Wettbewerb“ die Rede ist.
Lesser befürchtet, dass Kindern dadurch der Siegeswillen abhandenkommt. „Wenn sich die Kinder nach Leistung orientieren und unbedingt gewinnen wollen, dann muss das gefördert werden. Man darf ihnen diesen natürlichen Instinkt einfach nicht nehmen.“ Er frage sich, wie ein Kind seine Talente „herausfinden soll, wenn es kein Leistungsprinzip gibt?“
Ein genauer Blick auf die Reform hilft jedoch, Lessers Befürchtungen zu relativieren: Die Kinder konkurrieren weiterhin miteinander, lediglich in anderer Form.
Beim Weitsprung wird beispielsweise nicht mehr die genaue Weite gemessen, sondern die Sprunggrube wird in Zonen aufgeteilt, anhand derer dann abgestuft Punkte und Urkunden verteilt werden. Außerdem sollen Disziplinen wie Zielwerfen und kooperative Übungen den Disziplinen-Katalog erweitern.
Lesser: „Wir müssen uns nichts vormachen“
Probleme sieht Lesser unabhängig davon auch bei der Ausbildung und Förderung von Talenten im Biathlon. „Auch hier wird das Leistungsprinzip an manchen Stellen immer mehr aufgeweicht. Leistungssport ist knallhart, da müssen wir uns nichts vormachen.“
Nach zahlreichen Rücktritten in den vergangenen Jahren, wie denen von Lesser, Denise Herrmann-Wick und Vanessa Hinz, fehlt es dem DSV an talentiertem Nachwuchs.
Erschwerend kommt für Lesser „die Kürzung von finanziellen und personellen Ressourcen“ hinzu. „Frank Busemann hat es nach der Leichtathletik-WM auf den Punkt gebracht“, erklärte Lesser zum grundsätzlichen Problem in Deutschland: „Die Universität in Texas hat einen Sportetat, der mit Deutschland vergleichbar ist. Damit ist eigentlich alles gesagt.“ Als Schießtrainer möchte er nun seinen Teil dazu beitragen, dass der kommende Winter dennoch ein Erfolg für die Deutschen wird.
„Ich habe die Vision, dass nach acht Sekunden der erste Schuss abgesetzt wird. Man stellt sich hin, legt die Stöcke weg, findet seine Position und setzt beim Absenken der Waffe den ersten Schuss“, sagte Lesser in Bezug auf die Spitzenzeiten von Ausnahme-Athlet Johannes Thingnes Boe.
Der Norweger braucht nur etwa elf Sekunden, um den ersten Schuss abzugeben. Mit einer annähernden Leistung der deutschen Athletinnen und Athleten, könnten diese schon bald auch wieder in die Weltspitze vordringen.