Es war ein Tag, den WWE-Fans seit langem heiß erwartet hatten - und die Erwartungen wurde nicht enttäuscht.
Ein spektakulärer und wegweisender WWE-Moment, der heute traurig macht
Ein Auftritt, der heute traurig macht
Am 11. August 2019 gab es beim Sommerhöhepunkt SummerSlam in Toronto eines der spektakulärsten Debüts der Wrestling-Geschichte: Bray Wyatt stieg erstmals mit seinem unheimlichen, maskierten Alter Ego The Fiend in den Ring.
Der filmreif inszenierte Premierenauftritt des innovativen Charakters wurde über Monate mit viel Liebe und kreativer Energie aufgebaut. Bis heute gilt die Verwandlung als einer der größten Geniestreiche, die je bei WWE auf die Bühne gebracht worden waren.
Umso trauriger stimmt sechs Jahre danach das tragische Schicksal des 2023 viel zu früh verstorbenen Wyatt.
Bray Wyatt: Eine wechselhafte WWE-Karriere
Wyatt, Wrestler in dritter Generation (Hall-of-Fame-Mitglied Blackjack Mulligan war sein Großvater, Mike Rotunda alias Irwin R. Schyster sein Vater, WWE-Kollege Bo Dallas alias Uncle Howdy sein jüngerer Bruder), hatte vor der Kreation des Fiend-Charakters eine wechselhafte Karriere voller Höhen und Tiefen hinter sich.
Wyatt - bürgerlich: Windham Rotunda - war im Jahr 2010 als Husky Harris und Teil der Gruppierung The Nexus erstmals im WWE-Hauptprogramm aufgetaucht und schnell wieder verschwunden: Aus Sicht des damaligen WWE-Bosses Vince McMahon stach er nicht genug hervor, er soll kurz vor der Entlassung gestanden haben - auch weil McMahon ihm seinen Hang zum Übergewicht vorhielt.
Rotunda wendete sein Schicksal, indem er sich mit der Erfindung des Charakters Bray Wyatt selbst zum Superstar machte.
Kreative Idee rettete ihn vor der Entlassung
Basierend auf der von Robert Mitchum und Robert de Niro verkörperten Filmfigur Max Cady („Kap der Angst“) - die bei WWE schon für das legendär unvollendete Neunziger-Jahre-Gimmick Waylon Mercy Pate stand - schuf er damals die Rolle eines unheimlichen Südstaaten-Kultführers.
Wyatt mixte unzählige weitere Elemente aus der Horror-Kultur hinein, bediente sich unter anderem bei Autor H.P. Lovecraft, bei „Der Exorzist“ (der Spinnengang) oder auch bei Steve Buscemis Serienkiller-Charakter aus „Con Air“ („He’s got the whole world in his hands ...“).
2014 bestritt er eine große, mit Begeisterung aufgenommene Fehde gegen Liga-Aushängeschild John Cena, 2017 rückte er zwischenzeitlich an die Spitze des SmackDown-Kaders und wurde WWE-Champion.
Neuerfindung mit Horror-Maske
Als Wyatts Karriere in den beiden Jahren darauf wieder ins Stocken kam, sah er erneut den Zeitpunkt gekommen, sich neu zu erfinden - und übertraf sich dabei nochmals selbst.
Im Frühjahr 2019 begann WWE eine Serie rätselhafter Videoclips mit dem Titel „The Firefly Fun House“ auszustrahlen: Wyatt präsentierte sich als vermeintlich von allen bösen Umtrieben geläuterter Moderator einer Kindershow (erinnernd an das „Playhouse“ von Pee Wee Herman oder auch „Blue’s Clues“) - durch den dann doch immer wieder sein psychopathisches Alter Ego durchschimmerte.
Die Videoreihe endete damit, dass sich Wyatt zur clownesken Horrorgestalt transformierte.
WWE-Fans beim SummerSlam 2019 hin und weg
Beim SummerSlam wurde Wyatts Charakterwandel dann final zelebriert, mit einem Video, das die Entwicklung des Fiend in den „Firefly-Funhouse“ zusammenfasste - und einem neuen, noch düsteren Einmarsch.
Der Fiend kam mit einer neuen Laterne (Wyatts altes Markenzeichen) zum Ring, die wie ein abgetrennter Kopf von Wyatts altem Charakter modelliert war, auch sein Theme „Live in Fear“ wurde neu eingesungen.
Gegner Finn Balor wurde innerhalb weniger Minuten abgefertigt. Balor konterte zwar den Ansatz zu Wyatts altem Finisher Sister Abigail aus, geriet dann aber in die neue Spezialaktion - die Mandible Claw, die Wyatt mit einer Attacke auf Mick Foley eingeführt hatte, der den Griff in der Attitude Era populär gemacht hatte.
Die Fans vor Ort reagierten begeistert auf den Fiend, riefen seine neuen Standardsätze „Yowie Wowie“ und „Let him in“ schon als Schlachtrufe. Nach dem Sieg des Fiends riefen sie: „That was awesome!“
Enorm viel Aufwand und Kreativität
Wyatt hatte vor seinem Neustart enorm viel Liebe in die Schöpfung seines neuen Alter Egos gesteckt - weit mehr als bei WWE üblich: Für die Charakterskizzen engagierte er den Tätowierer und Illustrator Kyle A. Scarborough, die Maske wurde skulptiert von Jason Baker, einem Schüler von Splatterfilm-Legende Tom Savini, verantwortlich für das Make-up im Horrorklassiker „Freitag, der 13.“. Baker arbeitete unter anderem auch mit der Band Slipknot zusammen, Brüder im Geiste Wyatts.
Wyatt übernahm für die Figur des Fiend viele Motive aus dem Horror-Universum: In der Verwandlung von der Kinder- zur Killerfigur klang Stephen Kings „Es“ an, dem Wyatt schon seinen Spitznamen „Eater of Worlds“ entliehen hatte.
Auch der Spitzname „The Fiend“ tauchte schon im dunklen Literatur-Kanon auf, im Frankenstein-Roman von Mary Shelley war er ein Synonym für das berühmte Monster - das Motiv des unheimlichen Alter Ego wiederum geht natürlich auch auf Robert Louis Stevensons „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ zurück. Passend auch: Den Finisher des Fiend, die von Mick Foley popularisierte Mandible Claw, erfand einst der Ex-Arzt Sam Sheppard, vor seiner kurzen Wrestling-Karriere Hauptverdächtiger eines weltweit beachteten Mordfalls - auf dem die Serie und der Film „Auf der Flucht“ basierten.
Anspielungen auf Wyatts eigene Vorgeschichte fanden sich im Funhouse ebenfalls: „Abby the Witch“ repräsentierte Wyatts mystische Gefährtin „Sister Abigail“, das verfressene Schwein Huskus seine Zeit als Husky Harris. Bussard „Mercy“ eine Verneigung vor dem schon erwähnten Vorbild Waylon Mercy.
Im Funhouse stecken auch Versatzstücke aus der Trauma-Therapie - die Bezeichnung des Funhouse als „special place“ und diverse seiner Aktionen dort sind typische Behandlungselemente - und aus Vampir-Mythen: Die immer wiederholte Formel „Let me in“ spielte darauf an, dass die düsteren Wesen fremde Häuser der Legende nach nur dann betreten können, wenn sie hereingebeten werden.
Tragischer Tod im Jahr 2023
Die aufwändige Neuerfindung verschaffte Wyatt den erhofften, neuen Karriere-Schub - wenngleich auch die neue Figur nach einer Weile nicht mehr nur positiv aufgenommen wurde.
Der Versuch, eine übermenschliche Horrorfigur in die Wrestling-Welt zu übertragen, hatte Tücken und trieb einige seltsame Blüten - das missglückte Hell-in-a-Cell-Match gegen Seth Rollins, in dem der Fiend zum Universal Champion aufstieg, ist berüchtigt.
Wyatts weitere Laufbahn bekam 2021 einen Knick, als er von Herzproblemen heimgesucht wurde - und in einer bis heute rätselhaften Entscheidung McMahons zwischenzeitlich entlassen wurde.
McMahons Nachfolger als Showrunner, „Triple H“ Paul Levesque, holte Wyatt zurück. Das erneut spektakulär inszenierte Comeback musste nach wenigen Monaten jedoch abgebrochen werden, als Wyatt eine Corona-Infektion mit schwerem Verlauf erlitt.
Als Wyatt gerade dabei war, sich auf seine Ring-Rückkehr vorzubereiten, erlitt er am 24. August 2023 einen tödlichen Herzinfarkt. Der Vater von vier Kindern wurde nur 36 Jahre alt.