Das Debüt des von WWE gewechselten Kyle O‘Reilly war nicht die einzige Überraschung, die WWE-Konkurrent AEW am Mittwochabend aus dem Ärmel gezogen hat.
Titelwechsel bekommt besondere Note
© All Elite Wrestling
Bei der Voraufzeichnung der TV-Show Rampage, die in den USA über Weihnachten diesmal in der Nacht zum Sonntag ausgestrahlt wurde, kam es zu einem unerwarteten Titelwechsel: Cody Rhodes entthronte TNT-Champion Sammy Guevara und gewann damit den Sekundär-Gürtel der Männer zum dritten Mal.
Die anschließende Übergabe-Zeremonie an Rhodes bekam noch einen historischen Touch: Rhodes bekam in der Wrestling-Hochburg Greensboro den Titel von David Crockett überreicht, Mitglied einer legendären Promoter-Familie, auf deren Vermächtnis sich AEW beruft.
David ist der Bruder des in diesem Jahr verstorbenen Jim Crockett Jr., in den Achtzigern Präsident des Ligenverbunds NWA und Chef der WCW-Vorgängerliga Jim Crockett Promotions, in der unter anderem Codys verstorbener Vater Dusty Rhodes und der bei AEW als sein „Coach“ auftretende Arn Anderson Stars waren. David Crockett war damals eine Weile als Kommentator an der Seite des jungen Tony Schiavone aktiv, der heute in den USA die AEW-Shows begleitet.
Cody Rhodes bei AEW zum Buhruf-Magneten geworden
Auf ungeteilte Begeisterung bei der AEW-Fanbase wird der Titelwechsel trotz des nostalgischen Touchs nicht stoßen: Der Mitgründer und Co-Geschäftsführer hat sich in den vergangenen Monaten zur Reizfigur entwickelt.
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Ähnlich wie früher im Fall von John Cena oder Roman Reigns bei WWE hat sich ein lautstarker Teil des Publikums gegen den offiziell als „Guten“ firmierenden Rhodes gewandt und ihn immer wieder mit Buhrufen und Negativreaktionen traktiert, aus einer Mixtur unterschiedlicher Gründe.
Rhodes‘ Charakter scheint vielen Fans nicht mehr spannend genug zu sein, auch seine TV-Projekte außerhalb des Rings (eigene Reality-Show, Juror bei der US-Castingshow „The Go Big Show“) stoßen nicht überall auf Gegenliebe. Es gibt Vorhaltungen, dass er wegen seiner hervorgehobenen Rolle außerhalb des Rings bei AEW eine größere Rolle spielen würde, wie er es als Wrestler verdient hätte.
Rhodes vergrößerte das Dilemma durch seine öffentlich bekundete Haltung, nie mehr den bösen „Heel“ spielen zu wollen. Womit er sich - wenn das nicht doch eine Finte ist - den naheliegenden Ausweg aus der Situation verbauen würde.
Wissenswertes zum Thema Wrestling:
Cody besiegte Sammy Guevara schon im ersten TV-Match 2019
Die Reaktionen auf Rhodes hatten zuletzt teils hässliche Ausmaße angenommen, etwa bei einer Show vor einigen Wochen, als ein Fan den metallbeschwerten Gürtel, den Rhodes regelmäßig ins Publikum in den Ring zurückwarf, was für die unvorbereiteten Akteure dort gefährlich hätte enden können.
Rhodes hatte zuletzt auch seinen persönlichen Account bei Twitter - wo er auch oft angegangen wird - aufgegeben und ihn dem wohltätigen Community-Outreach-Team seines Unternehmens überlassen.
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Der Titelgewinn auf Kosten des beliebten Jungstars Guevara - den er einst schon im allerersten Dynamite-Match 2019 besiegt hatte - dürfte die Reizstimmung nicht lindern und die Kritiker in dem Urteil bestätigen, dass der Co-Geschäftsführer bei AEW überprivilegiert ist.
Boss Tony Khan bestimmt - nicht Cody
Was bei dieser Diskussion allerdings zu beachten: Der noch immer bei einem Teil der Fans herraschende Eindruck, dass Rhodes wie früher Hulk Hogan bei WCW volle „kreative Kontrolle“ über sein On-Air-Alter-Ego hat, ist falsch.
Khan, der den Eindruck hatte, dass in seinem Hoheitsbereich zu viele Köche den Brei verderben würden, gewährt seinen Performern zwar weiter viele kreative Freiheiten, bestimmt über Siege, Niederlagen und Titelwechsel aber allein. Und Insider-Medien wie der Wrestling Observer berichteten wiederholt, dass Khan für Rhodes und Co. nicht mehr Niederlagen, sondern mehr Siege verfügte, als diese selbst gewollt hätten.
Auch der Titelgewinn von Rhodes gegen Guevara ist also eine Entscheidung Khans, offensichtlich aus der Überzeugung, dass er Cody für seine Zwecke stärken und nicht schwächen muss.
Auffällig ist auch, dass AEW und Cody seit einiger Zeit zuletzt immer mehr mit den zwiespältigen Reaktionen spielten, auch das Ende des Titelmatches bei Rampage spielte da eine Rolle: Rhodes beendete das Match mit dem Tiger Driver 98, eine Aktion, die nicht zufällig denselben Ansatz hat wie der Pedigree, der Finisher des einst aus ähnlichen Gründen wie Cody bei WWE umstrittenen Triple H - auf dessen Geschichte Cody bei AEW immer wieder Anspielungen eingestreut hat.
AEW Rampage - die Ergebnisse am 24. Dezember 2021:
Jungle Boy besiegt Isiah Kassidy
Hook besiegt Bear Bronson
Kris Statlander besiegt Layla Hirsch
TNT Title Match: Cody Rhodes besiegt Sammy Guevara (c) - TITELWECHSEL!