Als späte Nachwehe des großen Rassismus-Skandals um Wrestling-Legende Hulk Hogan hat Tony Khan vor eineinhalb Jahren ein unmissverständliches Zeichen gesetzt.
Brisanter Streit bei WWE-Rivale AEW
© AEW / Instagram.com/tonyrkhan
Der Chef des Anfang 2019 gegründeten WWE-Konkurrenten AEW erklärte den bei WWE mittlerweile begnadigten Hogan bei seiner Liga zur unerwünschten Person (wie auch dessen Ex-Frau Linda, damals ebenfalls durch fragwürdige Ansichten aufgefallen).
Es war ein Signal, mit dem Khan auch einen Anspruch formulierte, was den Umgang mit Minderheiten in seiner Promotion angeht.
Ob er diesem Anspruch gerecht wird? Genau darum ist nun innerhalb von AEW ein Streit ausgebrochen. Stein des Anstoßes sind Vorwürfe der afroamerikanischen Wrestlerin Big Swole, deren Vertrag AEW kürzlich hat auslaufen lassen - und mit einer weithin als unsensibel empfundenen Reaktion hat Khan die Wogen eher verstärkt als geglättet.
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Big Swole vermisst Diversität bei AEW
Swole formulierte in einem Podcast auf der Plattform Callin diverse Kritikpunkte an ihrem Ex-Arbeitgeber. Aus ihrer Sicht bekommen die Frauen bei AEW zu wenig TV-Zeit, es fehle generell etwas „Struktur“, der Kader sei zu groß, es gebe „nicht genug Produkt für all diese Leute“.
Die Ehefrau von WWE-Star Cedric Alexander vetrat außerdem die Ansicht, dass es nicht genug „Diversät“ in der Promotion gebe, speziell in Bezug auf „my people“, also die afroamerikanische Community: „Es gibt keine echte Repräsentation und wenn es welche gibt, kommt es in der schwarzen Community nicht als aufrichtig an, gar nicht.“
Es gebe „niemanden, der wie ich aussieht, an der Spitze, sie sind nicht im selben Raum mit ihnen“. So mangele es an Möglichkeiten, dass Vertreter der afroamerikanischen oder anderer Minderheiten Einfluss auf Entscheidungen nehmen könnten - oder auch darauf hinwirkten, „warum ein bestimmter Slang, bestimmte Worte nicht gesagt werden sollten“.
Bei AEW sei in dieser Hinsicht keineswegs alles schlecht, aber es gebe „Dinge, die repariert werden müssen“. Sie hoffe, dass ihre Kritik gehört und nicht abgetan werde als „Oh, sie sagt das jetzt wegen XYZ“.
Tony Khan: „Ihr Wrestling war nicht gut genug“
Letztlich stellte Swole den Vorwurf des strukturellen Rassismus in den Raum - Diskriminierung, die sich nicht offener Ablehnung ausdrückt, aber in einem Mangel an fairer Teilhabe.
Khan wollte die brisante Kritik so nicht stehen lassen und antwortete bei Twitter unter anderem mit einem Verweis auf seine eigene Hautfarbe und die seiner Vorstandskollegin Megha Parekh: Khan - Sohn des Milliardärs Shahid Khan ist pakistanisch-, Parekh, die „Chief Legal Officer“ bei AEW ist, indischstämmig.
Der 39-Jährige zählte zudem diverse „people of color“ auf, die bei AEW zuletzt Erfolgserlebnisse gehabt hätten, die zum Teil auch andere Minderheiten angehören: Anthony Bowens, aufstrebendes Mitglied des Tag Teams The Acclaimed ist homo-, Ex-Damenchampion Nyla Rose transsexuell.
Khan beschloss seinen Tweet mit der recht kühlen Klarstellung, dass er Swoles Vertrag hätte auslaufen lassen, „weil ihr Wrestling nicht gut genug war“ - was auch einen Teil seiner Angestellten irritierte.
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Lio Rush verlangt Entschuldigung
Der im Herbst verpflichtete Lio Rush reagierte am Samstag mit einer Serie von Tweets, an deren Ende er Khan aufforderte, sich zu „entschuldigen“, er sei „angepisst“, was passiert sei, sei „fucked up“.
Auch Darius Lockhart - der keinen festen Vertrag hat, aber seit Herbst mehrfach in den Webshows „Dark“ zu sehen war - griff Khan an: Dieser verhalte sich „komplett respektlos, nicht nur gegenüber Swole, sondern gegenüber der ganzen schwarzen Community, auf die AEW regelmäßig nicht hört“.
Lockhart, der demselben Trainingsumfeld wie Swole entstammt, warf Khan vor, Swole „absichtlich misszuverstehen“, mit einer Auflistung schwarzer Wrestler zur Erfüllung einer „bestimmten Quote“ sei es nicht getan: „Dein Wrestling ist nicht divers, wenn nur weiße oder weißer aussehende Wrestler an der Spitze stehen.“ (Für den Gebrauch des umstrittenen Wortes „weißer aussehend“ / „white passing“ hat er sich mittlerweile selbst entschuldigt, nachdem Angehöriger anderer Minderheiten Kritik übten)
Hobbs und Cargill verteidigen AEW
Andere schwarze AEW-Wrestler wie Powerhouse Hobbs und der auch hinter den Kulissen angestellte Shawn Dean verteidigte ihren Arbeitgeber: Hobbs befand, dass er „gewichtige“ und „bedeutsame“ Chancen bekommen hätte.
Aus Hobbs‘ Sicht sind auch andere Minderheiten angemessen repräsentiert, er kritisierte Swole auch, dass sie ihre Kritik öffentlich und nicht persönlich vortrug („Wenn du ein Problem hast, nutze das Telefon“).
Lockhart betonte derweil, dass er Khan mit seiner Haltung auch schon persönlich in einem „kurzen Treffen“ konfrontiert hätte. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf das empfindliche Thema sind geblieben.
Rush rudert nach Gespräch mit Khan zurück
Rush hat inzwischen klargestellt, dass er Khan keinen Rassismus, sondern „Unsensibilität“ vorgeworfen hätte und berichtete von einem Gespräch, dass er inzwischen mit ihm und Parekh geführt hätte und dabei auch mehr über deren ethnische Hintergründe gelernt hätte.
Er sei überzeugt, dass die beiden „aktiv Input aus der afroamerikanischen Perspektive suchen“ und aufrichtig versuchen „Fortschritte in Sachen soziale Gleichberechtigung zu erzielen“. Er freue sich, „weiter mit Tony zu arbeiten und weitere Schritte in die richtige Richtung zu machen“.